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Kategorie: Romane

Eine Stadt erklärt dem Februar den Krieg.

Ich verstehe das nicht,
sagte Bianca.
Ich auch nicht,
sagte Thaddeus.
Macht das der Februar?,
fragte Bianca.
Vielleicht, sagte Thaddeus,
der gen Himmel sah.

 

  Autor: Shane Jones
Verlag: Eichhorn
Erschienen: 01/2010
ISBN: 978-3821861074
Seitenzahl: 175 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Seit vielen hundert Tagen ist es Februar, die Erde ist gefroren, der Schnee fällt ohne Unterlass und die Menschen sehnen sich nach der Sonne und besseren Zeiten. Als schließlich von den Priestern das Fliegen verboten wird und immer mehr Kinder verschwinden, beschließt Thaddeus mit den Männern, die sich selbst Der Ausweg nennen, gegen den Februar in den Krieg zu ziehen. Pläne werden geschmiedet, Aktionen ausgeführt und doch müssen die Menschen herbe Rückschläge einstecken, denn auch der Februar ist in der Kriegsführung bewandert und überrascht mit wirkungsvollen Einfällen.

Das Buch zieht den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann. Der vergangene Februar diesen Jahres macht es einem sehr leicht, sich darin fallen zu lassen. Vertraut sind einem nicht enden wollende Schneemassen, die einen schier erdrücken, und ein einzelner Sonnenstrahl verspricht schon die Erlösung.


Stil und Sprache
Der Autor erzeugt mit seinen experimentellen Worten eine surrealistische und faszinierende Atmosphäre, die seinesgleichen sucht. Man kann die Geschichte nicht wirklich verstehen, man muss sie erfühlen und erleben, indem man sich voll und ganz auf dieses lyrische Erlebnis einlässt. Thaddeus und der Februar ist kein Buch, das man einfach in einem Rutsch lesen kann. Jedes einzelne Wort, jeder einzelne Satz will begutachtet und ausgekostet werden - zusammen mit den magischen Illustrationen von Ria Brodell. Der Stil ist poetisch, träumerisch, weltfremd und andererseits wieder realistisch. Doch gerade darin liegt die Magie, in der Verwobenheit von befremdlichen Gegebenheiten und vorgeblicher Normalität.

„Auf dem Feld stehen vier Leute, den Kopf im Nacken, die Arme starr nach unten gestreckt. Ihre Augen sind geschlossen, ihre aufgerissenen Münder mit Schnee gefüllt." (Seite 20)

Einige Sätze und Szenen erschließen sich einem erst beim mehrfachen Lesen oder gewinnen im späteren Verlauf an weiterer Bedeutung. Erzählt wird in stetigem Perspektivenwechsel zwischen Thaddeus, seiner Familie, den Dorfbewohnern und dem Februar selbst, mal in der Ich-Form oder in der dritten Person, in Gegenwart und Vergangenheit. Dadurch erhält die Geschichte eine besondere Dynamik und erzeugt eine gewisse Spannung - trotz der entrückten Textpassagen an sich. Die Ereignisse im Krieg gegen den Februar spitzen sich immer weiter zu, lieb gewonnene Personen finden den Tod, um im nächsten Moment wieder aufzuerstehen, und alles steuert auf die finale Begegnung von Thaddeus und dem Februar selbst zu.


Figuren
Die Protagonisten von Thaddeus und der Februar bleiben zumeist auf Distanz mit dem Leser, was vor allem an der Schreibweise der Geschichte an sich liegt. Ausgenommen ist die Titelfigur selbst, der engagierte Anführer Thaddeus, der zu Beginn sehr innig und liebevoll mit seiner Familie, seiner verzweifelten Frau Selah und der gemeinsamen, aufgeweckten Tochter Bianca, interagiert. Man erhält zwar einen guten Einblick in die Gedanken und Taten vieler Figuren aus dem Dorf, wie dem tatkräftigen Caldor Clemens und den Aufständlern mit den Vogelmasken, die stets zur Stelle und vor Ort zu sein scheinen, jedoch kommt man ihnen oft nicht richtig nahe. Im Laufe der Erzählung rücken dann manche Figuren noch mehr ins Blickfeld und man möchte sie genauer ergründen, wie den mürrischen und erfindungsreichen Februar selbst oder das Mädchen, das nach Rauch und Honig roch, und ihre ganz eigenen Pläne verfolgt. Thaddeus und der Februar lädt geradezu dazu ein, es mehrmals zu lesen und zwischen den Zeilen immer wieder neue Facetten der einzelnen Figuren zu entdecken, die einem auf den ersten Blick nicht so offensichtlich erscheinen.


Aufmachung des Buches
Für jeden bibliophilen Leser ist es eine Freude, dieses Buch in den Händen zu halten. Das Hardcover ist klein und handlich im Format von ca. 19 x 14 cm. Das Papier des Schutzumschlags und der Einband selbst sind aus einem perlend schimmernden Papier hergestellt, welches an glitzernden Schnee erinnert. Der Schutzumschlag ist passend zum Inhalt des Buches in einem weißen Grundton gehalten, auf dem sich ein Heißluftballon in den Farben Magenta, Grasgrün und Himmelblau abhebt. An dem Ballon hängt ein Mensch, der eine Holzkiste auf dem Kopf trägt. Die Textgestaltung ist dezent und reduziert, es wird oft mit Schriftgrößen gespielt, um den Inhalt zu verdeutlichen. Wenn man den Schutzumschlag abnimmt, erlebt man eine positive Überraschung. Nicht nur, weil der Einband genauso wie der Umschlag aus einem ganz besonderen Papier hergestellt wurde, sondern auch aufgrund der großflächigen Illustration, die man auf dem kompletten Bucheinband entdecken kann. Zu sehen ist eine karge Winterlandschaft, auf der im Vordergrund Hirsche mit dem Spruchband „Krieg dem Februar" laufen. Auf dem Frontcover ist zudem noch eine Gruppe von Menschen abgebildet, die mit langen Stangen in den Wolken herumstochern, die an den Berührungspunkten aufzureißen und zu bluten scheinen. Beim Aufschlagen des Buches trifft man auf karmesinrote Vorsatzblätter, die die edle Ausstattung des Buches noch unterstreichen. Das Buch ist mit detailverliebten schwarz-weißen Zeichnungen von Ria Brodell illustriert, die den Wortlaut der Geschichte perfekt untermalen.


Fazit
Thaddeus und der Februar ist ein surreales, wortgewaltiges und auch mitunter grausames Märchen für Erwachsene, das zum Nachdenken, Träumen und immer wieder darin Abtauchen einlädt. Zusammen mit den kunstvollen Illustrationen und der detailreichen, schönen Ausstattung des Buches ein absoluter Tipp für alle, die außergewöhnliche Bücher lieben.


5 Sterne


Hinweise
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