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"Gastronomie, mein Sohn, das ist genau das Richtige für dich", sprach der Papa, und ich senkte willig das Haupt, denn gegen meinen Vater hatte ich mich nie durchsetzen können, und obendrein war er der Stärkere. Andererseits liebte ich geradezu besessen den Bossa nova. Und so reifte in meinem Kopf ein infamer Plan, wie ich Papas Willen genügen und gleichzeitig meine eigenen Träume erfüllen könnte. Denn auch das hatte Papa gesagt: "Koch ist der elendste Beruf, wenn du mittelmäßig bist, aber es ist der schönste Beruf, wenn du gut bist. Dann steht dir die Welt offen. Du kannst aufs Schiff, bist immer in der Nähe der Reichen und immer dort, wo die Sonne scheint!" Meine Zukunft war klar: In Brasilien kochen wie der Teufel und dann noch jazzen und die Hüften schwingen."

"Dieser Sterne- und Fernsehkoch schreibt besser als die meisten Menschen, die mit Schreiben ihr Geld verdienen." Süddeutsche Zeitung

 

  Autor: Vincent Klink
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 1. Dezember 2009
ISBN: 978-3-498-03546-4
Seitenzahl: 224 Seiten


Inhalt, Stil und Sprache
"Vielseitig unbegabt" so urteilte Vincent Klinks Großvater – Lehrer, Altphilologe und Despot. Auch die Eltern waren von seiner Faulheit überzeugt und drohten mit dem Internat. Als auch dies nichts half, wurde der sensible, neugierige, intelligente und verträumte Junge hinter Klostermauern verfrachtet. Dort sollte ein richtiger Mann aus ihm werden. Wirklich erfolgreich waren auch die Patres nicht. Für Klink war das Kloster die Hölle – das Essen nicht zufriedenstellend und neben der Bank kniend zur Strafe Gedichte auswendig zu lernen, ist ebenfalls keine reine Freude. Aber immerhin erkannte man seine künstlerischen Talente und förderte sie. So ist ihm die Internatszeit in zwiespältiger Erinnerung geblieben. Wie einsam er als Kind im Elternhaus gewesen sein muss und wie sehr er unter Großvater und dominantem Vater gelitten hat, erahnt man nur und er selbst deutet es lediglich viele Buchseiten später an. Wie er überhaupt negative Gefühle nur im Nachhinein zugibt - und häufig auch gleich wieder relativiert. Koch zu werden ist nicht das was er möchte, aber er fügt sich, in der Hoffnung, ein Schlupfloch zu finden, um den eigenen künstlerischen Interessen frönen zu können. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt – Koch sein bereitet ihm Freude, trotz der zum Teil tyrannischen Lehrmeister, die in den Lehrlingen in erster Linie Küchensklaven sehen.
In München wird er an der Kunstakademie angenommen, aber die Rechnung - studieren und das Geld dazu durchs Kochen zu verdienen – geht nicht auf. So entschließt er sich schließlich, auf Drängen des Vaters, das Restaurant "Postillion" in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd zu übernehmen. Ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern, als Musiker und Literat erfolgreich, hat er wohl mehr als bewiesen, dass der Großvater Unrecht hatte - er in Wirklichkeit „Vielseitig begabt“ ist!
Obwohl eigentlich zur 68er Generation gehörend, war er eher angepasst, denn rebellisch. Insofern ist es erstaunlich, dass er als Koch schon sehr früh eigene Wege gegangen ist und auch heute noch in vielem eine Meinung vertritt, die denen seiner Kochkollegen entgegengesetzt ist. So ist es kein Wunder, dass er sich unter Künstlern, Winzern oder Bauern, die wie er darüber nachdenken was man zu einem "artgerechten Leben alles nicht braucht" (S. 214) wohler fühlt, als unter Köchen - und dort seine geistige Heimat gefunden hat.

In diesem doch ziemlich dünnen Buch stecken mehr als nur Erinnerungen an Kindheit und Jugend. Es gibt nicht vieles, das vor dem Autor sicher wäre - da wird die schwäbische Mentalität als solche aufs Korn genommen, die Fresswelle der 50er und 60er Jahre, die Köche der damaligen Zeit, die heute kaum noch einer kennt, und auch vor den heutigen Trends in den Küchen und auf den Speisekarten der Haute Cuisine macht er nicht halt. Sympathisch finde ich dabei, dass er dies immer mit einem Augenzwinkern tut und niemanden wirklich bloßstellt. Augenfällig ist allerdings wie selbstverständlich der übermäßige Alkoholgenuss in der beschriebenen Zeit war. Das durchzieht das ganze Buch, der bacchantische Vater der häufig "Standgas" hatte, biertrinkende Internatsschüler und betrunkene Lehrer. Nicht zu vergessen die Bundeswehr - hier ist er selbst ständig betrunken; "Bierdunstdumpfheit" nennt er das. Auch Lehrherrn und diverse andere Köche überstehen den Tag nicht ohne stetige Zufuhr von Alkohol. Die Deutschen ein Volk von Säufern? Fast könnte man meinen, dass es so ist/ war. Klink verrät auch das eine oder andere Rezept, tut dies aber eher zur Auflockerung des Textes ohne genaue Angaben. Köstlich zu lesen ist die Beschreibung seines "Bundeswehr"- Risottos. Seine Küchenphilosophie entwickelt sich mit den Jahren. Auf eine kurze Formel gebracht lautet sie: Weniger ist mehr! In der Küche, in der Gaststube, im Leben, beim Genuss. Gespart werden darf in der Küche aber nicht an der Frische und Qualität der Produkte, eher an den Gewürzen und, natürlich, bei der Dekoration der Teller. Da ist er ganz Purist. Klink ist ein leidenschaftlicher Mensch, der mit Herzblut bei der Sache ist, aber kein Fanatiker. Maßhalten ist seine Devise, auch wenn man ihm diese Philosophie nicht ansieht.
Weniger puristisch ist sein Schreibstil, zum Glück, sonst wär's womöglich langweilig. Humorvoll, zuweilen derb, kurzweilig, manchmal durchaus unterschwellig boshaft, aber doch altersmilde erzählt er kleine Anekdoten und breitet seine Gedanken zu Gott und der (Küchen-) Welt vor seinen Lesern aus. Wunderbar finde ich auch seine kreativen Wortschöpfungen - überschallrot, Chillihölle oder wehrmachtimprägniert, um nur einige zu nennen. Ein leider viel zu kurzes Lesevergnügen.


Aufmachung des Buches
"Sitting Küchenbull" ist ein gebundenes Buch mit rotem Einband und grauem Lesebändchen. Das Foto Vincent Klinks auf dem Schutzumschlag hebt sich gut vom grauen Untergrund ab. Sitting Bull? Sorry, Herr Klink, aber das Foto ist nicht sehr schmeichelhaft.
Der Name des Autors und der Untertitel erscheinen in weinroter Schrift, der Titel ist schwarz gedruckt. Ein schönes und witziges Detail findet sich auf der Rückseite – neben einem weißen "Teller" liegen Gabel und Kugelschreiber. Besser hätte man Klink nicht charakterisieren können. Was fehlt sind Fotos vergangener Zeiten. Zu gern hätte ich den mageren Jungen, den "Strich in der Landschaft", wie er sich selbst bezeichnet, gesehen, oder den Bundeswehrsoldaten mit Haarnetz.


Fazit
Klinks Buch zu lesen macht Spaß, regt zum Nachdenken an und man legt es mit Bedauern zur Seite, auch wenn er gegen Ende etwas schwächelt. Ein gelungenes Buch für alle, die den Sterne- und Fernsehkoch etwas näher kennenlernen wollen.


4 5 Sterne


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