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Kategorie: Mythen und Historik

„Falls Saladin sich der Truhe bemächtigt, wird dies den christlichen Glauben auf immer erschüttern.“
Wilhelm von Tyrus

 

  Autor: Jean-Luc Istin
Illustration: Thimothée Montaigne
Verlag: Splitter
Erschienen: 02/2010
ISBN: 978-3-86869-044-6
Seitenzahl: 46 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Die Suche nach den Mördern der jungen Mädchen, welche Tätowierungen der Hand der Fatima trugen, wird von Wilhelm von Tyrus und dem junge Balduin IV., König von Jerusalem, unnachgiebig fortgeführt. Scheinbar haben es die Verbrecher auf ein ganz bestimmtes Mädchen abgesehen, konnten ihrer bislang aber noch nicht habhaft werden. Bei ihren Ermittlungen stoßen Wilhelm und Balduin dabei auf viele erschütternde Aspekte einer Wahrheit, die verheerende Konsequenzen haben können. Doch ihre Gegner schlafen nicht und versuchen, sich der beiden zu entledigen…

Mit dem zweiten Teil von „Das fünfte Evangelium“ setzt Jean-Luc Istin seinen historischen Thriller fort, der 1174 während der Kreuzzüge im Heiligen Land spielt und zur Basis einen Mythos hat, dem sich der Leser erst im Laufe von Band 2 allmählich nähert. Im Rahmen der Szenerie setzt sich Istin in dieser Comic-Trilogie gleichzeitig kritisch mit den Kreuzzügen und dem Ausgangspunkt der Kirche auseinander. Eine Story, die sowohl zu unterhalten als auch zu fesseln vermag …

Um der Geschichte einwandfrei folgen zu können, sollte man Band 1 vor nicht allzu langer Zeit gelesen oder zumindest in Erinnerung haben, denn die Szenerie ist komplex, die Intrigen, Verwicklungen und Positionierungen bzw. Interessen einzelner Gruppen vielfältig und nicht immer durchschaubar.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Ohne jede Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und ohne Umschweife steigt der Comic in die Szenerie ein, in einen ziemlich blutigen und brutalen Traum bzw. Rückblick, der dem Leser einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Die Ereignisse in diesem Abschnitt sind recht mysteriös, die Handlungen und Örtlichkeiten zunächst noch ungeklärt.
Die Zeichnungen sind von guter Machart. Zwar sind sie nicht bis ins Letzte genau erstellt, doch können die Portraits der Charaktere, z.B. Saladin, des jungen Zerberus oder Lorenzos, genauso überzeugen wie die vielfältige, mittelalterliche Architektur - werden nun Damaskus, Jaffa oder andere Plätze vorgestellt. Sowohl Raumausstattungen als auch Übersichten von Städten, z.B. Jerusalem, sind – auch wenn sie skizzierte Züge tragen – ziemlich fein gegliedert und offenbaren viele Einzelheiten, so dass es sich lohnt, den Blick ruhen zu lassen, um die diffizile Arbeit des Zeichners wirken zu lassen. Schön ist auch die Darstellung der Ruinen von Petra im Süden der Burg von Montreal mit dem imposanten Eingang und der säulengeschmückten Halle. Landschaften, z.B. um die alte Festungsruine von Betlehem, fallen im Vordergrund zwar recht nuanciert aus, die Hintergründe haben jedoch eine sehr einfache, skizzierte Machart. Dies lenkt zwar einerseits den Blick des Lesers, andererseits hat es sich der Illustrator hier auch etwas einfacher gemacht. Hier hätte es durchaus auch etwas mehr sein dürfen.

Mit gelungenen Studien zeichnet Montaigne den Charakter der Persönlichkeiten, so z.B. Odo von Saint-Amand, der brutal und forsch agiert, um seine Intrigen und seinen persönlichen Machtgewinn voranzutreiben. Die Gesichtszüge, welche die vielen Merkmale (Falten, Narben, Auswirkungen von Krankheiten, etc.) der Figuren in Einklang bringen, sind jederzeit passend gewählt. Hervorgehobene Augenpartien, z.B. auf den Seiten 22 und 23 oder Seite 41, sind sogar geradezu bestechend. Den Figuren haftet ein Charme liebevoller Ausarbeitung an, an manchen Stellen sind die Zeichnungen sehr gefühlvoll. Die Bekleidungen, aber auch die Wahl der Waffen sind authentisch und lassen den Flair des Mittelalters aufleben.

Montaigne versteht es, die Atmosphäre seiner Bilder mit herabgesetzter Farbsättigung und Tönungen, einem großen Anteil an Finsternis (so in dem Gewölbe des Zerberus) oder durch sehr helle Stimmungen, wie im Königssaal von Jerusalem, zu unterstreichen. Regelmäßig arbeitet er intensiv mit Schatten - besonders um die Identität mancher Charaktere verborgen zu halten -, allerdings schlagen sich die schwarzen Tiefen bei weiten nicht in allen Bildern nieder und bilden insgesamt einen gut dosierten Kompromiss.


Aufmachung des Comics
Der zweite Band von „Das fünfte Evangelium“ bildet in der verlagstypischen Aufmachung keine Ausnahme und kommt im Überformat, gebunden zwischen festen Buchdeckeln, daher. Wie von Splitter gewohnt, ist die Verarbeitung tadellos und wertig. Auffällig ist die sehr schlichte Gestaltung der Vorsatzblätter, es gibt jeweils nur eine kleine Grafik auf hellem Grund am Rand des Papiers. Das Coverbild zeigt Odo von Saint-Armand, im Hintergrund (s)eine Armee, das spezielle Druckverfahren erzeugt den Eindruck, als sei das Bild auf eine Leinwand gemalt worden. Ein schöner Effekt, in der Gestaltung jedoch ganz anders als bei Band 1.


Fazit
Band 2 der Trilogie gibt dem Leser nun tiefere Einblicke in den Hintergrund und die Geheimnisse, Intrigen und Machenschaften, die sich um das fünfte Evangelium drehen. Die Geschichte gewinnt an Spannung und Dynamik und bietet einen guten Unterhaltungswert. Gefallen haben mir die Arbeiten des Illustrators, auch wenn sie oftmals nicht bis ins letzte Detail genau erstellt sind, so lassen sie doch den Flair und die Stimmung des Mittelalters aufkommen.


4 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Die Hand der Fatima