Eigentlich hätte es Holly wissen müssen. Jack hatte seltsam reagiert, als sie ihm von ihrer fünfjährigen Tochter Kate erzählt hatte. Doch sie hatte nicht darauf geachtet. Ebenso wenig wie auf die bissigen Kommentare und Fragen von Kates Vater. Wo Jack denn überhaupt herkäme. Wer seine Freunde seien. Warum er nachts mit Kate am Strand spiele. Nichts davon hatte sie abhalten können, sich mit Haut und Haaren auf Jack einzulassen, auf den gutaussehenden Engländer, der so charmant und witzig sein konnte. Den sie eigentlich nicht kannte. Und der ihr das Wichtigste eigentlich schon am Anfang verraten hatte: «Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.»
Autor: Brooke Morgan |
Die Grundidee der Handlung
Holly Barrett ist 23 und alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter. Zurückgezogen lebt sie nach dem Tod ihrer Eltern in einem kleinen Häuschen in einem abgelegenen Küstenort. Als sie eines Tages im Bus einen Unbekannten trifft, verliebt sie sich auf den ersten Blick in ihn. Aber schon nach dem ersten Date, als sie ihm von ihrer Tochter Katy erzählt, wendet Jack sich wieder von ihr ab. Erst durch ein bisschen Kuppelei von Hollys Großvater kommen die beiden wieder zusammen und alles entwickelt sich ausgesprochen harmonisch. Jack zieht bei Holly ein, versteht sich gut mit Katy und nach wenigen Monaten heiraten Holly und Jack. Alle gutgemeinten Ratschläge ihrer Umgebung, es doch langsam angehen zu lassen und Jack erstmal näher kennenzulernen, ignoriert sie eigensinnig. Auch Jacks manchmal etwas komischen Gewohnheiten, seine gelegentlichen Wutanfälle und seine Weigerung, über seine Vergangenheit zu sprechen, schrecken sie nicht davon ab, sich mit Haut und Haaren auf ihn einzulassen. Bis das Ganze langsam aus dem Ruder läuft …
Stil und Sprache
Brooke Morgan lässt sich mit ihrem ersten Roman viel Zeit. Zeit, um Holly, ihre Tochter Katy und deren Leben vorzustellen, Zeit, um die Hintergründe ihres Familienstandes zu erklären, und Zeit, um die erst vorsichtige, dann rasante Entwicklung der Beziehung zwischen Holly und Jack Dane zu schildern. Sehr subtil und fast unmerklich schleicht sich dann das Grauen an, lullt den Leser zuerst fast ein mit einer Bilderbuchgeschichte vom malerischen Ferienort am Ende der Welt. Erst nach und nach tauchen wie Haifischflossen aus dem Meer kleine Spitzen auf, die den Leser erahnen lassen, dass hier etwas nicht stimmt. Dabei schildert Brooke Morgan zum größten Teil aus Hollys Sicht, lediglich einzelne Kapitel haben unterschiedliche, jeweils andere Ich-Erzähler. Mit einfachen, klaren Sätzen gelingt es der Autorin, die sommerliche, irgendwie saubere Atmosphäre des Ortes Shoreham an den Leser zu bringen, man kann sich die malerische Landzunge, auf der Holly lebt, fast bildlich vorstellen. Die zweite sprachliche Besonderheit dieses Romans ergibt sich aus dem unterschiedlichen Sprachgebrauch von Engländern und Amerikanern, hier spielt Brooke Morgan mit den Unterschieden und nutzt sie geschickt auch für die Dialoge am Ende, wenn es zum spektakulären Showdown kommt. An dieser Stelle gebührt ein großes Lob der Übersetzerin, der es wunderbar gelungen ist, diese Feinheiten im Deutschen sichtbar zu machen!
Insgesamt lebt dieser Roman von unterschwelliger Spannung, dazu tragen insbesondere die wenigen Kapitel bei, die zum Beispiel Katys Gedanken wiedergeben oder Hollys Großvater zu Wort kommen lassen. Irgendwann ist dann die Spannung so groß, dass man das Buch kaum noch zur Seite legen kann, weil man jetzt unbedingt wissen will, wie es ausgeht. Dabei hat mir persönlich besonders gut gefallen, dass nicht mit dem unvermeidlichen Showdown alles zu Ende und gut ist, nein, hier werden auch die Wochen danach zumindest noch angerissen und Probleme nicht einfach weggewischt. Allein der überraschende Besuch einer Anwältin gegen Ende lässt einem da noch einmal einen Schauer den Rücken hinunterlaufen … nicht zu vergessen ein kleines Detail ganz zum Schluss, über das der Leser wohl für immer im Unklaren bleibt.
Figuren
Hauptakteurin dieses Romans ist Holly Barrett, bisher immer die graue Maus, die mit 17 schwanger vom Exfreund ihrer besten Freundin wurde. Sie führt ein sehr zurückgezogenes Leben, kümmert sich um ihre Tochter und versucht ansonsten, möglichst nicht aufzufallen. Als sie Jack Dane trifft, erlebt sie zum ersten Mal, wie es ist, begehrt zu werden und lässt sich rückhaltlos auf ihn ein. Unerschütterlich steht sie auf seiner Seite, sieht seine dunklen Seiten nicht und ist das, was man „blind vor Liebe“ nennt. Mit ihr hat man zunächst Mitleid, wenn sie bei der ersten Begegnung im Bus herumstottert, dann aber schließt man sie und ihre kleine Familie ins Herz, so sympathisch und glaubwürdig wird sie geschildert. Ansonsten gibt es eine recht überschaubare Anzahl an Nebenakteuren, an erster Stelle ist da natürlich Jack Dane, der wortkarge Engländer ohne Familie und Vergangenheit. Sein Geheimnis, denn natürlich gibt es eins, erfährt man erst ziemlich am Ende, bis dahin bleibt er geheimnisvoll und unnahbar für alle außer Holly. Seine Verhaltensweisen sind manchmal merkwürdig und dem Leser erschließt sich viel früher als Holly, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Das ist natürlich gewollt und auch gut gemacht, ist man so immer ein bisschen voraus.
Dann gibt es noch Katy, außerdem Hollys Großvater Henry mit seinem Hund Bones, Katys leiblichen Vater Billy und Hollys Freundin Anna. Damit war es das im Wesentlichen, alle weiteren Personen spielen nur echte Nebenrollen. Diese Beschränkung auf wenige Figuren gibt dem Ganzen eine kammerspielartige Atmosphäre, auch wenn sich ein Großteil der Handlung draußen abspielt.
Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch zeigt auf dem Cover eine Küstenlandschaft mit einem Haus auf einer Landzunge im Hintergrund sowie einem alten Fischerboot vorn. Das Meer ist ebenso dunkelblau wie der Sommerhimmel darüber, so gibt das Bild die trügerisch friedliche Atmosphäre des Buches mit Sommer und Meer perfekt wieder.
Fazit
Ein grandioses Romandebüt mit einer hochspannenden Geschichte, wunderbar lebendigen Figuren, einem außergewöhnlichen Ende und toller Sprache. Kein Buch für Actionfreaks, sondern für alle, die subtile Spannung ertragen können und sich (ein bisschen) gepflegt gruseln wollen.
Hinweise
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