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Wien 1777. Franz Anton Mesmer, der wohl berühmteste Arzt seiner Zeit, soll das Wunderkind Maria Theresia Paradis heilen, eine blinde Pianistin und Sängerin.

In ihrer hochmusikalischen Sprache nimmt Alissa Walser uns mit auf eine einzigartige literarische Reise. Ein Roman von bestickender Schönheit über Krankheit und Gesundheit, über Musik und Wissenschaft, über die fünf Sinne, über Männer und Frauen oder ganz einfach über das Mensch sein.

 

  Autor: Alissa Walser
Verlag: Piper
Erschienen: 5. Jänner 2010
ISBN: 978-3492053617
Seitenzahl: 256 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Maria Theresia Paradis ist eine junge Frau, die sich der Musik verschrieben hat. Sie ist seit ihrem 3. Lebensjahr blind und ihre Eltern gehen mit ihr von Arzt zu Arzt und hoffen, dass doch einer von ihnen Maria Theresia das Augenlicht wieder zurückgeben kann. Der Wissenschaftler Franz Anton Mesmer ist überzeugt, das zu schaffen, was vielen seinen Vorgängern verwehrt blieb: Er will der jungen Pianistin das Sehen wieder ermöglichen.


Stil und Sprache
Wie ein Stummfilm in schwarz/weiß. Ausdrucksvoll in Mimik und Gestik, aber still im Ton, nur selten unterbrochen von stimmungsangepasstem Klavier- oder Glasorgelspiel. Schwarz/weiß und trotzdem lebendig bunt, schubst Alissa Walser den Leser nur in die richtige Richtung, überlässt das Gestalten aber ihm selbst.
Die Autorin hat einen Roman ohne persönliche Reden verfasst, was den Leser zu Anfang irritiert, bekommt er so doch das Gefühl, dass die Erzählung dadurch trocken und leblos wirkt. Aber nach nur wenigen Seiten weiß man, dass Alissa Walser eine Meisterin auf diesem Gebiet ist. Fein und unaufdringlich zeigt sie dem Leser das Weltbild, die Wissenschaft und die Musiklandschaft des späteren 18. Jahrhunderts und lässt ihn so eintauchen in diese Welt, dass er nach dem Lesen des Buches meint, einen Film unglaublicher Farbbrillanz und Lebendigkeit gesehen zu haben. Die schöne, schnörkellose, aber bewegende Sprache der Autorin vermittelt ein Flair der Hoffnung und der Sehnsüchte, aber auch der Melancholie und des Verlustes. So lässt einen dieses Buch etwas nachdenklich zurück.


Figuren
Die Figuren leben, auch wenn sie nicht sprechen – oder zumindest scheint es so, als sprächen sie nicht. Alissa Walser hat die wunderbare Gabe, alle Figuren nicht nur mit immenser Empathie darzustellen, sondern sie gleichzeitig auch noch authentisch und mit allen Hochs und Tiefs eines menschlichen Charakters auszustatten. Mesmer und Maria Theresia sind zweifelsohne die Protagonisten, obwohl die Autorin jedem noch so kleinen Nebendarsteller ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Mesmer, Arzt und Wissenschaftler, der aufgrund seines Medizinstudiums vom Bodensee nach Wien gezogen ist, hat viele Konkurrenten und Neider. Er selbst ist von sich überzeugt und will den Wienern beweisen, dass seine Heilmethode mit Magneten die einzig richtige ist. Und Maria Theresia, stets von ihren Eltern überbehütet und schon gefängnisähnlich bewacht, teilt mit Mesmer die absolute Liebe zur Musik. Diese Liebe ist es, die die beiden einander näher bringt, so dass Maria Theresia dem Arzt letztendlich vollkommen vertraut.
Die Gedankenwelt dieser beiden Figuren zeichnet Alissa Walser mit unglaublichem Feingefühl, so dass man nicht ein einziges Mal an irgendeiner Situation zweifeln mag. Ob es Mozart ist, den Maria Theresia trifft, ob vor ihr von der Kaiserin gesprochen wird oder ob sie von der unglaublichen Erfindung des Schachautomaten von Ritter von Kempelen hört, die Autorin lässt den Leser an diesen Ereignissen teilhaben, als würde sie ihm eben mal einen guten Bekannten vorstellen.

Dadurch, dass Walser die Figuren nicht direkt miteinander kommunizieren lässt, sondern die Worte lediglich – wenn auch sehr empfindsam – wiedergibt, werden dem Leser die starken seelischen Anspannungen Mesmers, der den Erfolg der Heilung unbedingt braucht und die größtmögliche Unterstützung, die Maria Theresia dem Arzt ihrerseits gewähren möchte, aus einem ungewöhnlichen aber äußerst interessanten Blickwinkel gewährt.


Aufmachung des Buches
Schlicht und einfach, auf das Wesentliche konzentriert und doch so aussagekräftig ist dieses Buch auch äußerlich gestaltet. Der sehr feine hellgraue Schutzumschlag wird lediglich durch einige Notenlinien und ein paar abstrakt dargestellten Glasorgeln (?)  in ebenso feiner pastelliger Farbe unterbrochen. Elegant, ruhig und unaufdringlich, wirken nur der Name der Autorin und der vielsagende Titel des Romans. Den perfekten Abschluss bildet noch das silbergraue Lesebändchen.
Einziges wirkliches Manko für mich – dies vermag ein anderer vielleicht nicht einmal für erwähnenswert zu halten – ist das Fehlen jeglichen Nachwortes oder Danksagung der Autorin. Da die Figuren zum größten Teil aus der realen Historie entliehen sind, wäre ein ausführliches Nachwort noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen.


Fazit
Ein wunderschönes, ruhiges und dennoch von Musik volltönendes hervorragendes Werk einer Autorin, die nicht nur einen sehr bekannten Namen trägt, sondern ihm auch noch alle Ehre macht. Ein literarisch poetischer Erzählgenuss, den man im Genre der historischen Romane leider viel zu selten findet.


5 Sterne


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