Der Feind ist näher, als du denkst.
Nach einer Geiselnahme braucht die Hamburger Psychotherapeutin Hannah Tergarten eine Auszeit. Kurz entschlossen zieht sie nach Ostfriesland, in den Turm der Burg Stickhausen. Ihre erste Patientin ist die junge Anneke, Diagnose: eine harmlose Jugendschwärmerei. Am nächsten Tag ist das Mädchen tot. Selbstmord? Ein schrecklicher Unfall? Hannah kommen Zweifel. Doch im Dorf schätzt man Neugier nicht. Die Zahl ihrer Feinde wächst, und auch der Geiselnehmer hat noch eine Rechnung offen. Ist Hannah in ihrem Turm im Wald noch sicher?
Autor: Tomke Schriever Verlag: rowohlt Erschienen: 09/2009 ISBN: 978-3499248603 Seitenzahl: 360 Seiten |
Die Grundidee der Handlung
Auch wenn der Klappentext es nicht exakt wiedergibt und eine Idee zu reißerisch formuliert ist, gibt er doch einen guten Überblick über die Handlung: Hannah Tergarten, Psychotherapeutin und selbst nach einem traumatischen Erlebnis schwer angeschlagen, hat die Einladung eines Kollegen angenommen, in seine Praxis einzusteigen. Allerdings ist das Mädchen Anneke gar nicht ihre Patientin, schon gar nicht die erste, sondern taucht eines Tages einfach so in Hannahs Praxis auf. Nach einem kurzen Gespräch ist die Bekanntschaft der beiden auch schon wieder beendet, denn ein paar Tage später liest Hannah in der Zeitung vom Tod des Mädchens. Von Schuldgefühlen geplagt, stochert sie in den Verhältnissen des Mädchens herum, dabei bekommt sie Hilfe von Enno Heeren, einem ehemaligen SEK-Beamten, der in der Gegend lebt und viele Freunde bei der Polizei hat. Doch alles ist sehr kompliziert, Annekes Tante verschwindet, dann dreht ihre Mutter durch und Hannah wird außerdem von Annekes Freund bedroht. Dazwischen muss sie dann auch noch herausfinden, was genau bei der Geiselnahme vor ein paar Monaten passiert ist und woher Enno sie eigentlich kennt.
Stil und Sprache
Wie man schon aus der Inhaltsangabe herauslesen kann, ist die Handlung dieses Krimis ausgesprochen verworren. Lange weiß man nichts über Hannahs Hintergrund, sie stochert mit ihren privaten Amateurermittlungen über weite Strecken im Trüben und das ist zumindest zwischendurch manchmal etwas langweilig. Dabei ist Ostfriesland als Setting sicher etwas Neues und auch recht originell, aber der romantische, mit ein bisschen Grusel versehene (real existierende) Ort der Stickhausener Burg kann nicht allein herausreißen, was die Autorin an Spannung verschenkt. Tomke Schriever ist das Pseudonym der Autorin Helga Glaesener, die vor allem durch ihre historischen Romane bekannt wurde. Für einen guten Krimi fehlt hier einfach das gewisse Etwas, dabei sind durchaus Ansätze da, zum Beispiel der zweite Handlungsstrang, der die Geschichte einer Küchenhilfe im Gefängnis und Mutter eines Häftlings erzählt. Aber wenn dieser zweite, nicht gleichgestellte und eigentlich auch nicht entscheidende Erzählstrang spannender ist als die Haupthandlung, dann ist hier für mich schon etwas schief gelaufen …
Dabei merkt man „Und dann war Stille“ schon an, dass das hier kein Debütroman ist, sondern schon von einer erfahrenen Autorin stammt. Sprachlich geschliffen erzählt sie das, was ihr wichtig ist, die Krimihandlung kommt dabei nur leider zu kurz. Dialoge und Erzählweise sind gelungen, es kommt Atmosphäre auf und doch fehlt irgendwie etwas … der Funke springt nicht über und so bleibt es bei Mittelmaß.
Figuren
Hier zeigt Tomke Schriever dann endlich, was sie kann: Figuren glaubwürdig und authentisch zeichnen, ihnen sowohl sympathische als auch negative Züge geben und ihre Leser schaudern lassen, wenn diese erkennen, dass auch der brutale Geiselnehmer ihnen gut im wirklichen Leben begegnen könnte.
Hannah Tergarten ist zwar Psychotherapeutin, aber erkennt erst sehr spät, dass sie selbst vielleicht auch Hilfe braucht. Sie gibt nach außen hin immer die starke, unabhängige Frau, die weder Unterstützung noch Mitleid braucht. Als ihr vor Augen geführt wird, wie sie damit auf andere wirkt, ist es schon fast zu spät. Wie die Autorin diese Feinheiten in ihre Geschichte einbaut, das ist wirklich gelungen. Dabei schafft sie es, diese Charakteristika in winzigen Andeutungen so unterzubringen, dass der Leser es gar nicht bewusst wahrnimmt. Hier gibt es keine stereotypen Beschreibungen a la „sie war soundso groß, hatte blondes Haar und blaue Augen“. Dadurch werden die Figuren dreidimensional und schillernd und entwickeln ein regelrechtes Eigenleben. So auch Enno Heeren, der zunächst geheimnisvoll und unnahbar erscheint, aber im Laufe der Handlung doch einiges von sich preisgibt, so dass man auch seine Motive vollkommen nachvollziehen kann. Er wird immer sympathischer und auch Hannah lernt, ihn zu verstehen, ihr Misstrauen gegen ihn schließlich abzulegen und ihn sogar zu mögen.
Auch die anderen Figuren neben Hannah und Enno erhalten den Raum, den sie benötigen, um ihre Rolle im Roman zu erfüllen, sowohl der Geiselnehmer als auch Hannahs Vermieter oder die oben schon erwähnte Küchenhilfe im Gefängnis. All diese Nebenfiguren bekommen direkt ein Gesicht und werden irgendwie lebendig, so dass am Ende ein wirklich buntes Völkchen durch dieses Buch wandert. Damit hebt sich dieser Krimi dann doch noch vom Durchschnitt ab und lädt dazu ein, auch den nächsten Band zu lesen.
Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch ist ganz in rot gehalten und zeigt auf der Vorderseite einen schräg von unten aufgenommenen Turm. Dahinter sieht man einen farblich verfremdeten Himmel mit Baumsilhouetten und einem (Raub-)Vogel. Der Titel ist ebenfalls in rot gedruckt, insgesamt eine sehr ansprechende Aufmachung.
Es gibt 31 unterschiedliche lange Kapitel, von denen einige wenige kursiv gedruckt sind und die Geschichte der Küchenhilfe wiedergeben.
Fazit
Ein angenehm zu lesender, mit vielen sympathischen Figuren ausgestatteter Krimi, der sicher keine Pageturner-Qualitäten aufweist, aber dennoch zu unterhalten weiß. Für Leute, die gern eher beschauliche „Häkelkrimis“ lesen, ein hübscher Serienauftakt.
Hinweise
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