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Um in den Harem zu gelangen, in sein dunkles Zentrum, müssen Frauen einen Gürtel mit dreißig Glocken tragen. Nach jeder bestandenen Prüfung – einer Liebesnacht mit einem Fremden, eine Mischung aus Lust und Unterwerfung – wird eine Glocke entfernt. Versagen zieht den Tod nach sich.

Auf der politischen Bühne wollen die Haschemiten das osmanische Reich stürzen, das seit Jahrtausenden die moslemische Welt beherrscht. England unterstützt das Vorhaben. Das Erscheinen des Lawrence von Arabien zeichnet sich ab …

 

 

Autor: Jean Dufaux
Illustrationen:  Ana Miralles
Verlag: Schreiber & Leser - Alles Gute
Erschienen: 2008 (2. Auflage)
ISBN: 978-3-933187-67-3
Seitenzahl: 48 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

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Die Grundidee der Handlung
Wie aus der kurzen Inhaltsangabe des Verlages und dem Titel hervorgeht, dreht sich diesmal alles um den Gürtel mit dreißig kleinen Glöckchen. In der Gegenwart muss Kim erst diese Art Mutprobe bestehen, um den geheimnisvollen Ebu Sakri sprechen zu dürfen, von dem sie sich hilfreiche Informationen über ihre Großmutter Jade erhofft und in der Vergangenheit ist der Gürtel für Lady Nelson die Aufnahmeprüfung in Sultan Muratis Harem.

Aber entgegen der Inhaltsangabe handelt es sich keineswegs um dreißig "Liebesnächte", die die zwei Frauen erwarten - demütigende und gewaltsame sexuelle Akte mit Partnern, die man für sie aussucht, trifft es schon eher, "Lust" empfinden in dem Fall nur die Männer. Da fragt man sich automatisch, was treibt diese Frauen nur dazu, sowas freiwillig über sich ergehen zu lassen? Im Falle von Lady Nelson ist es die naive und in meinen Augen schon an Dummheit grenzende Hörigkeit, die sie Jade entgegenbringt. Sie merkt nicht, dass sie für Jade oder besser gesagt den Sultan nur ein Mittel zum Zweck ist, um ihrem Mann, Lord Nelson, eine Angriffsfläche zu schaffen. Kims Beweggründe dagegen konnte ich - genau wie Malek - nicht wirklich verstehen, denn es ist nicht deutlich genug herausgearbeitet, wieso die Informationen über Jade so bedeutsam für sie sind, dass diese Demütigungen gerechtfertigt wären. Kim ist eine starke, stolze und intelligente Persönlichkeit, die es nicht nötig hat, sich von irgendwelchen ungepflegten, geilen Böcken 'durchvögeln' zu lassen, oder ist sie vielleicht auch eine Djinn, also wie Jade gefühllos und kalt? Vielleicht liefert der nächste Band die Antwort. Im Handlungsstrang um Kim fiel mir übrigens im Hinblick auf die Anzahl der Glöckchen ein Logikfehler auf. Da die Szene zeitlich fortlaufend, ohne Unterbrechungen dargestellt wird, dürfte so ein grober Schnitzer eigentlich nicht passieren.

Insgesamt ist der Plot in diesem Band recht eindimensional und lange nicht so spannend wie Band 1 ausgefallen, dafür sind die Übergänge von der Gegenwart in die Vergangenheit und umgekehrt so raffiniert gestaltet, dass sie jedes Mal nahtlos ineinanderfließen.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Wie schon in Band 1, lebt die Optik vor allem durch ihre realistisch gezeichneten arabischen Kulissen, die mit einer warmen, diesmal aber dezenteren Farbpalette immer die richtige Lesestimmung erzeugen. Die erste Szene besticht mal wieder mit üppig orientalischem Flair. Die dargebotenen Waren im Bazar sind sogar bis in den tiefsten Hintergrund hinein noch gut erkennbar. Eine schöne Idee fand ich die Lichtkegel aus kleinen Fenstern, die die schummrigen Räume und Gänge im Bazar partiell erhellen. Beeindruckt hat mich auch die Wüstenszene, bei der ein Sandsturm über Kim hinwegbraust und die hinterher in ihrem Umhang und im Gesicht klebenden Sandkörner fast schon einzeln erkennbar sind.
Leider sind die Illustrationen nicht in allem so schön gelungen. Es fällt auf, dass bei Menschenansammlungen nur die Personen im Vordergrund schön ausgearbeitet sind, bereits in zweiter Reihe lässt die Detailarbeit deutlich nach, in den Hintergründen sind sie sogar oft gesichtslos und nur noch schemenhaft dargestellt. Als Manko empfand ich auch, dass bei weitschweifendem Blick über den Horizont nur die Gegenstände im Vordergrund mit schwarzer Konturenlinie umrandet sind, danach fehlt diese übergangslos. Hier wäre ein Übergang mit zunächst helleren Linien wünschenswert gewesen. Und wenn ich schon bei der Umrisslinie bin: auf Seite 8 ist sie bei einer Person in gleich drei Bildern ganz eindeutig vergessen worden.
Aber diese Art der Schlamperei beschränkt sich nicht nur aufs Zeichnerische, auch beim Text ist so manches übersehen worden z.B. ein Rechtschreibfehler auf Seite 20 oder die leere, textlose Sprechblase auf Seite 42. Ansonsten erwarten den Leser in der Textdarstellung keine Überraschungen, sie ist comictypisch mit eckigen Sprechblasen und einheitlichem Schriftbild in Großbuchstaben, Geräuschdarstellungen mit sog. Soundwords kommen sehr selten vor.

Die Erotikszenen bewegen sich wieder in einer Grauzone, wo trotz reichlich nackter Haut kein pornografischer Gesamteindruck entsteht und auch die Tatsache, dass der Sex bei diesem Glöckchen-Ritual für die Frauen alles andere als schön ist, wird einem erfreulicherweise nicht explizit im Bild vorgeführt, sondern nur angedeutet.

Nähe zu den Hauptfiguren bzw. eine Identifikation war für mich in diesem Band so gut wie gar nicht möglich. Jade bleibt unnahbar, Lady Nelsen bedient das Klischee 'blondes Dummchen', Kim, die ich in Band 1 noch ganz sympathisch fand, war mir diesmal ein einziges Rätsel, von Malek sieht man leider nur wenig, aber immerhin rangiert er auf meiner Liste der Lieblingscharaktere weiterhin ganz oben. Da Lord Nelson zum Schluss für eine hübsche Wendung sorgt und den Band mit einem Cliffhanger enden lässt, frage ich mich gerade, ob in ihm eventuell ein Wolf im Schafspelz steckt, der im nächsten Band groß rauskommt…


Aufmachung des Comics
Der Comic ist fest gebunden, die harten Umschlagdeckel sind hochglänzend, bei Band 1 waren sie deutlich matter. Dieser Unterschied wäre ja nicht weiter tragisch, aber die Buchrückenbeschriftung von Band 1 und 2 ist ebenfalls verschieden, was im Regal nicht besonders toll aussieht. Ebenso sind die Seiten im Innenteil diesmal dicker und rauer als in Band 1. Eine Erklärung für all die Differenzen liegt wahrscheinlich  in den verschiedenen Auflagen.
Auch dieser Band beginnt mit einem einleitenden, ein wenig lyrischem Vorwort des Autors Jean Dufaux, verfasst für die Erstauflage in 2002, das mir wieder sehr gut gefiel. Dufaux‘ Ausführungen lassen erkennen, dass er in der Geschichte viel mehr sieht als eine Aneinanderreihung von erotischen Verstrickungen vor üppiger, orientalischer Kulisse.
Auf dem Coverbild räkelt sich Jade wieder leichtbekleidet auf einem Divan, ihr nachdenklicher Blick schweift nach draußen in die Ferne, übers nächtliche, vom Mond beschienenen Meer. Die Autoren-/Zeichnernamen sowie Titel und Untertitel sind in schöner, arabisch anmutender Schrift in Lila aufgedruckt. Insgesamt verströmt das Cover üppige, schwüle Sinnlichkeit, was dem Inhalt des Comics natürlich auf vortreffliche Weise gerecht wird.


Fazit
Was in Band 1 vielversprechend begann, wird in diesem Band nicht immer überzeugend weitergeführt. Es sind diesmal deutlich mehr Schwächen bzw. Schludereien als im Auftaktband erkennbar. Zudem ist die Aufmachung meines Buches aus der 2. Auflage abweichend zu der aus der 3. Auflage.
Die Stärke von „Djinn“ liegt eindeutig in der üppig-sinnlichen, orientalischen Atmosphäre, die durch die schön gestalteten Kulissen erzeugt wird. Die Handlung kommt in diesem Band ins Stocken, es passiert - abgesehen von den Erotikszenen - nicht wirklich viel, so dass man sich umso mehr auf die Fortsetzung freuen wird. Die überraschende Wende am Schluss lässt jedenfalls auf interessante neue Verstrickungen hoffen…


2 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Die Favoritin

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