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Ein Mythos des Mittelmeers erwacht zu neuem Leben …

Sie wartete. Zögerte. Dann zog sie den Kopf zurück, bevor sich ihre Lippen berühren konnten. Einen Herzschlag lang sah er verletzt aus, aber dann lächelte er, blinzelte in die Sonne und sagte: „Wenn es soweit ist, dann will ich dabei sein.“
„Wenn was soweit ist?“
„Wenn du allen anderen nicht mehr in die Augen schaust, als hätten sie dir gerade den Krieg erklärt. Und wenn du merkst“ – er deutete nach vorn über die Schlucht -, „dass manches zwar aussieht wie das Ende der Welt, sie in Wahrheit aber weitergeht, drüben auf der anderen Seite.“

 

Arkadien_erwacht  Autor: Kai Meyer
Verlag: Carlsen
Erschienen: November 2009
ISBN: 978-3-551-58201-0
Seitenzahl: 416 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die 17-jährige Rosa reist nach Sizilien – zu ihrer Tante und ihrer Schwester Zoe. Sie will aus ihrem bisherigen Leben raus und sie will die Kontrolle behalten, denn genau das ist ihr vor einem Jahr nicht gelungen und die sich anschließenden Ereignisse lassen ihr seither keine Ruhe. Doch auch auf Sizilien kommt sie nicht so recht zur Ruhe. Nicht nur, dass sie den Alcantaras, einem Mafia-Clan, angehört, auf dem Flug hat sie Alessandro kennen gelernt und dieser gehört – wie soll es auch anders sein – zu dem verfeindeten Clan der Alcantaras, zu den Carnevares, und soll nach dem Tod seines Vaters der nächste capo werden. Doch die Hälfte der Familie steht nicht hinter Alessandro, sondern dem engsten Berater seines Vaters. Und dieser hat gänzlich andere Pläne, wer der nächste capo der Familie werden soll.
Trotz der Feindschaft zwischen den beiden Clans treffen Rosa und Alessandro sich immer wieder, nähern sich einander an. Doch Rosa traut ihm nicht endgültig, behält ein wenig Distanz aufrecht. Als wäre all dies noch nicht genug an Problemen, kommen noch die arkadischen Dynastien hinzu, hinter deren Geheimnis Rosa erst nach und nach kommt …


Stil und Sprache
Was als erstes auffällt ist, dass das Buch mit einem Abschnitt beginnt, das mit „Das letzte Kapitel“ betitelt ist. Kurz darauf begleitet der Leser Rosa auf ihrem Flug, denn Kai Meyer entführt seine Leser ins heiße Sizilien. Aufgrund des atmosphärischen Schreibstils spürt man regelrecht die Hitze auf der Haut, riecht den Lavendel, sieht die Olivenhaine und Pinienwälder und hört das Zirpen der Zikaden. Auch wenn man noch nie auf Sizilien war, erwacht diese Insel mit all ihren schönen, aber auch mit ihren schmutzigen Seiten vor dem geistigen Auge des Lesers zum Leben. Dabei sind die Beschreibungen nicht zu ausschweifend, vielmehr umreißt Kai Meyer alles mit wenigen, treffenden Worten. Die in den Text eingeflochtenen italienischen Begriffe, deren Bedeutung sich stets aus dem Zusammenhang ergibt, lassen die Geschichte noch authentischer wirken.

Die Begegnung zwischen Rosa und Alessandro im Flugzeug auf dem Weg nach Sizilien lässt bereits vermuten, dass es eine schicksalhaftes Zusammentreffen ist und diese Verbindung eine tragende Rolle spielen wird. Dennoch wirkt die Handlung zunächst wie eine ‚normale‘ Mafia-Geschichte, mit all ihren Intrigen, Betrügereien und Machtkämpfen. „[…] und das ganze Machogehabte war nichts als der Zuckerguss auf einer Torte, deren Geschmack sie alle nur zu gut kannten.“ (Seite 100).
Nach und nach schleicht sich allerdings etwas Geheimnisvolles in den Text, das der Leser gemeinsam mit Rosa aufzudecken versucht. Seltsame Details, wie die Vergrößerung von Alessandros Pupillen, die vermeintliche (?) Veränderung seiner Haare, wecken die Neugier des Lesers. Was steckt dahinter?
Zunächst entwickelt sich die Geschichte recht langsam, Langeweile kommt jedoch zu keiner Zeit auf. Hier und da hätte der Auftaktband vielleicht ein wenig mehr Tempo vertragen können, doch spätestens im letzten Drittel kommen die Figuren – und mit ihnen der Leser – kaum noch zur Ruhe. Scheinbar mit Genuss macht Kai Meyer jeden Hoffnungsschimmer Rosas zunichte, lässt sie immer wieder in Gefahren, Enttäuschungen und Verluste stolpern. Die eh schon spannende Geschichte wird durch die Cliffhanger am Kapitelende noch geschickt vorangetrieben, sodass es schwer fällt, das Buch aus der Hand zu legen. Bis man durch das Ende des Romans dazu gezwungen wird …


Figuren
In „Arkadien erwacht“ trifft der Leser auf eine Menge wunderbar ausgearbeiteter Figuren, die alle ihre Eigenheiten haben und dadurch realistisch wirken. Es fällt schwer zu glauben, dass all diese wunderbaren und auch widerwärtigen Figuren nur aus Druckerschwärze bestehen sollen.
Kurz eingehen möchte ich an dieser Stelle lediglich auf die beiden wichtigsten Figuren. Zunächst ist da die 17-jährige Rosa, rotzfrech und mit einer großen Klappe kommt sie daher und nimmt den Leser mit ihrer Art sofort gefangen. Sie gehört zum Clan der Alcantara, einer Familie, die seit Generationen zur Mafia gehört. Rosa ist streitlustig, stur, verschlossen und vielleicht auch ein Stück weit naiv. Doch sie ist vor allem mutig und kämpft für ihre Wertvorstellungen. Sie muss jedoch seit einem furchtbaren Ereignis vor einem Jahr immer alles unter Kontrolle haben, da sie sonst panisch wird. Ein dunkler Fleck in ihrer nahen Vergangenheit, der ihr Leben und ihren Charakter verändert hat. Auf Seite 273 heißt es sehr treffend: „Mit Risiken kam sie klar, mit Sorgen sehr viel weniger.“
Alessandro Carnevare ist die andere wichtige Figur in diesem Roman und gehört dem verfeindeten Mafia-Clan an. Er ist acht Monate älter als Rosa und soll der nächste capo werden, sobald er volljährig ist – und falls er bis dahin noch lebt. Alessandro ist eine schwer zu durchschauende Figur und genau wie Rosa neigt man dazu, seine Absichten das eine oder andere Mal in Frage zu stellen. Er sagt Rosa gegenüber zwar die Wahrheit, doch es kommt oft darauf an, was er ihr eben nicht erzählt. Eine wirklich interessante Figur!


Aufmachung des Buches
Der Schutzumschlag des Buches ist in wunderbar satten, dunklen, natürlichen Farben gestaltet. Sehr schön und hervorragend zum Inhalt passend sind der abgebildete Panther und die in den Zweigen versteckte Schlange. Der Titel ist geprägt und mit Spotlack veredelt, ansonsten ist das Cover gänzlich matt gehalten.
Sehr schön ist, dass jedes Kapitel mit einem Titel, belgeitet von einem hellgrauen Ornament, dass an ein Herz erinnert, belgeitet wird. Ein Inhaltsverzeichnis und ein schwarzes Lesebändchen fehlen ebenfalls nicht. Perfekt ausgestattet wäre das Buch mit einer Karte, auf der der Leser sich ein besseres Bild von der Umgebung hätte machen können.


Fazit
In diesem Auftaktband steht weniger das Fantastische im Vordergrund als vielmehr das intrigante ‚Spiel‘ der Mafia auf Sizilien. Man sollte also keinen High-Fantasy-Roman erwarten, denn dann würde man enttäuscht. Wer sich jedoch mit wenigen fantastischen Elementen zufrieden geben kann, hält hier ein spannendes und atmosphärisches Buch in den Händen. Nun bleibt nur noch das Warten auf Band 2 …


4 5 Sterne 


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Rosa hört in dem Roman immer wieder das Lied „My Death“ von Scott Walker. Hier kannst du dir das Lied ebenfalls anhören.

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