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Herr Schiewe, es ist doch etwas ungewöhnlich, wenn man erst  – wenn ich so sagen darf –  in späteren Jahren mit dem Schreiben beginnt. War dies immer schon Ihr Wunsch und fanden Sie vorher einfach keine Zeit oder weshalb dürfen wir erst jetzt Ihren ersten Roman lesen?

Ich war mein Leben lang beruflich ziemlich eingespannt, habe Karriere im Software Marketing Management gemacht und bin in vielen Ländern herumgekommen. Da war für andere Dinge wenig Zeit. So ist auch das Malen, mein erstes künstlerisches Hobby, viel zu kurz gekommen. Nach 60 oder mehr Stunden pro Woche und langen Flügen ist man am Wochenende einfach tot. Und dann soll ja auch die Familie zu ihrem Recht kommen. Aber ich habe immer viel gelesen und die Idee, selbst zu schreiben hat mich lange verfolgt. Helden- und Abenteuergeschichten habe ich schon als Junge geliebt und so etwas musste ich schreiben. Als mein Leben etwas regelmäßiger wurde, habe ich mich eines Tages darangemacht.


Im „Bastard von Tolosa“ ließen Sie Ihren Protagonisten ja durch viele Länder reisen und man kann sich denken, dass die Recherche für einen Roman, der in Outremer, den Ländern, in denen die Kreuzzüge stattfanden, und Franken spielt, sehr aufwändig sein müssen. Wie haben Sie das gemacht, sind Sie auch in diese Länder gereist und wie haben Sie recherchiert?

Mein Protagonist ist Provenzale und die mediterrane Lebensart kommt im Roman ja durchaus zur Geltung. Meine Frau stammt aus einem romanischen Land und Frankreich kenne ich sehr gut, sowohl die Sprache, das Volk und seine Mentalität. Den Ort des Geschehens in der Corbières habe ich sorgfältig recherchiert, bin dort auch zweimal gewesen. Mit Outremer war mir dies leider nicht möglich. Da habe ich mich auf Reiseführer und Internetrecherche beschränken müssen. Ein Kollege stammte jedoch aus dem Libanon und der hat mich beraten.


Sie lassen in Ihrem Buch den Protagonisten selbst erzählen. Das ist doch gerade bei einem historischen Roman ziemlich wagemutig und verlangt enormes Fingerspitzengefühl. Dass Sie dies hervorragend gemeistert haben, zeigen auch die vielen positiven Rezensionen zu ihrem Buch. War es von Beginn an geplant, dass Sie in der „Ich-Form“ erzählen oder was war überhaupt der Grund zu diesem Entschluss?

Es tut mir leid, aber ich wusste gar nicht, dass dies wagemutig ist. Man hat es mir später gesagt. Es war für mich einfach ein MUSS. Von Anfang an sprach dieser Mann aus dem frühen 12. Jahrhundert in meinem Kopf und wollte selbst seine Geschichte erzählen. Ich wollte einfach diesen Kerl zum Leben bringen, wie er lebt, leidet und grübelt, aber auch wie er lacht und sich des Lebens erfreut. Die Nackenschläge des Schicksals haben ihm zugesetzt, sodass er manchmal hart und selbstsüchtig sein kann. Aber im Grunde hat er ein gutes Herz und er ist lernfähig, und trotz aller Schwierigkeiten verliert er nicht seinen Humor. Ich wollte ihn hautnah vermitteln und selbst reden lassen. Über eine andere Erzählform habe ich gar nicht nachgedacht.


Wie lange haben Sie an Ihrem Buch geschrieben und wie schwer war es für Sie, einen Verlag zu finden? Haben Sie überhaupt schon zu Beginn des Schreibens damit gerechnet, dass Sie das Buch veröffentlichen wollen?

Ich habe neben meiner normalen Arbeit vier Jahre daran geschrieben. Das erste Jahr war allein Vorbereitung und Recherche. Zu publizieren war von Anfang an mein Plan, sonst hätte ich die Mühen wahrscheinlich nicht auf mich genommen. Erst viel später ist mir klar geworden, wie schwierig es eigentlich ist, einen Verlag zu finden. Ich hatte viel Glück, denn mir ist es fast in den Schoß gefallen, allerdings mithilfe eines guten Agenten. Allein wäre mir das sicher nicht gelungen.


Wie fühlt sich das an, das erste eigene Buch in den Händen zu halten? Was erwartet man sich, wenn man weiß, dass nun die ersten Liebhaber historischer Romane das von einem mit viel Arbeit und Zeit verbundene Werk lesen und auch beurteilen werden?

Am Anfang habe ich nur geschrieben. Die Idee, das fertige Buch in den Händen zu halten, war noch ein entfernter Traum. Nach dem Lektorat erschien mir die Wartezeit, bis das Buch endlich gedruckt war, schier unendlich. Und jetzt, da es im Handel ist, bin ich aufgeregt, ob es den Lesern auch gefällt. Am besten ging es mir beim Schreiben, das muss ich sagen. Deshalb sollte ich den Buchmarkt erst einmal vergessen und mich lieber auf mein gegenwärtiges Projekt konzentrieren. Das ist in jedem Fall ruhiger und mit weniger Stress verbunden.


Wenn Sie heute die Möglichkeit hätten, würden Sie in Ihrem Buch etwas ändern und wenn ja, was, oder sind Sie mit Ihrem Werk so zufrieden wie Sie es geschaffen haben?

Ich empfinde das wie beim Malen. Bei der Erschaffung des Bildes kämpft man mit sich und dem, was man da auf die Leinwand bringen will. Dann ist man mit diesem oder jenem unzufrieden und man muss sich fast zwingen, endlich den Pinsel hinzulegen. Später dann ist man mit seinem Werk versöhnt und beginnt es zu nehmen so wie es ist. Der Roman hätte vielleicht etwas kürzer ausfallen können. Es gibt auch andere Punkte, die ich in meinem neuen Roman anders angehen werde, aber das ist ja immer so. Außerdem ist das neue Projekt eine ganz andere Geschichte, die auch eine andere Behandlung verlangt.


Man schreibt ja doch über einen längeren Zeitraum hinweg. Wie sehr begleiten einen da die Figuren oder auch die Begebenheiten des Buches im Alltag? Wann kommen Ihnen die Ideen zu Ihren Figuren und deren Handlungen?

Die Figuren entstehen ganz zu Anfang und sind Teil der Vorbereitung, nachdem ich mich auf das grundsätzliche Thema festgelegt habe. Manche haben tatsächlich gelebt, die meisten sind aber fiktiv. Ich gebe mir da Mühe, die Personen im Detail zu definieren, Ihren Charakter, ihre Stärken und Schwächen, ihren Background und vor allen Dingen auch, was ihre Aufgabe in der Geschichte ist und wie sie zueinander stehen. Daraus ergeben sich dann viele Handlungseinzelheiten. Gelegentlich erfinde ich beim fortschreitenden Schreiben noch die eine oder andere Figur hinzu, weil da jemand fehlt, um eine wichtige Lücke zu füllen. Wenn man sich so lange mit diesen Leuten beschäftigt, bleibt es nicht aus, dass sie einem ständig im Kopf herum spuken. Sie werden so real, als gehörten sie zur Familie.


Leute, die schreiben, lesen ja in der Regel auch sehr viel. Was sind Ihre bevorzugten Bücher und in welchen Epochen spielen diese? Haben Sie einen Autor (oder Autorin), der für Sie so etwas wie eine Vorbildfunktion hat?

Ach, ich bin ein Querbeetleser. Ich lese aus Vergnügen und wähle spontan. Ich lese Krimis und Thriller, Sachbücher und eben sehr gern auch historische Romane. Geschichte ist durch sie zum Hobby geworden. Da ich 25 Jahre im Ausland gelebt habe, lese ich auch heute noch sehr viel Angelsächsisches. Ich schätze besonders die englischen Autoren. Die können wirklich gut Geschichten erzählen. Ich mag Robert Harris, Bernard Cornwell, Patrick O’Brian, Ken Follet, Wilbur Smith, John le Carre und viele andere. Die haben meinen Lesegeschmack geprägt und vermutlich auch Einfluss auf meine eigenen Bemühungen gehabt, aber wer kann das so genau sagen?


Wenn Sie schreiben, haben Sie da Ihre bestimmten Zeiten und auch einen bestimmten Ort? Wie geht Ihre Familie damit um, wenn Sie sich zum Schreiben zurückziehen, werden Sie unterstützt und wurden Sie von Beginn an ernst genommen?

Meine Frau hat das immer sehr unterstützt. Schreiben ist für mich kein Stress. Manchmal muss ich mir selbst einen Tritt geben, um in Gang zu kommen, aber ich entspanne mich fast dabei. Meine Frau behauptet, ich sei umgänglicher und glücklicher, wenn ich schreibe. Früher konnte ich nur abends arbeiten oder morgens ganz früh. Heute habe ich mehr Freiheit und arbeite an den Tagen, die ich mir fürs Schreiben nehme, regulär zu normalen Bürozeiten. Manchmal höre ich Musik im Hintergrund, aber meistens ziehe ich die Stille vor.


Haben Sie nun vor, sich erst einmal zu „erholen“ oder schreiben Sie bereits an Ihrem nächsten Buch. Und wenn ja, würden Sie uns auch verraten, in welcher Zeit dies spielt, um was es im Groben gehen wird und wann wir ungefähr mit einem neuen Buch rechnen dürfen?

Mein nächstes Projekt habe ich ja schon erwähnt. Ich bin mitten drin und werde es vor Ende Juni fertigstellen. Wann es erscheint, wird der Verlag entscheiden.
Die Geschichte basiert auf historischen Fakten und größtenteils wahren Personen, spielt in etwa der gleichen Zeit, ebenfalls in Südfrankreich. Es handelt von einer blutjungen Waisen, die man um ihr Fürstenerbe bringen will. Es geht um politische Intrigen und Machtspiele der großen Adelshäuser, über die es auch zum Krieg kommt. Mitten drin diese junge Frau, die aber gewitzt genug ist, sich am Ende durchzusetzen. Wie ihr dies gelingt, ist eine abenteuerliche Geschichte vor dem Hintergrund einer provenzalisch höfischen Kultur, dem Beginn der Troubadourlyrik und der sich langsam entwickelnden Emanzipation der mediterranen Handelsstädte. Natürlich gehört auch eine Liebesgeschichte dazu.


Herr Schiewe, ich möchte mich ganz herzlich für das sehr interessante Interview bedanken! Auf Ihr neues Buch freue ich mich schon sehr und hoffe, dass der Verlag dies möglichst schnell in den Handel bringt.
Weiterhin noch viel Schaffenskraft und Erfolg!

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