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In einem kleinen idyllischen Ort in Bayern geschieht das Unfassbare: Eine junge Mutter begeht Selbstmord. Tiefe Trauer erschüttert die Familie und niemand hat eine Erklärung dafür. Selbst ihr Ehemann kann sich an diesen tragischen Tag nicht erinnern - bis er von seltsamen Visionen heimgesucht wird, die ihm den Verstand rauben und ihn schließlich dazu bringen, seine Schwägerin, seine Kinder und am Ende sich selbst umzubringen.
Doch Achtung! Nichts ist auf den ersten Blick so, wie es scheinen mag! Gibt es wirklich nur einen Schuldigen? Oder ist der Täter nicht vielleicht doch auch ein Opfer - und umgekehrt? Erst ein genauer Blick hinter die Fassade zeigt die wahre Geschichte dieser grausamen Tragödie.

 

  Autor: Sandra Herrler
Verlag: Dresdner Buchverlag
Erschienen: Mai 2009
ISBN: 978-3-941757-00-4
Seitenzahl: 235 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Lengenbach - ein friedliches Dorf irgendwo in Bayern. Die Bewohner eine eingeschworene Gemeinschaft. Man kennt sich, man behält sich im Auge. Doch weiß man wirklich was hinter Türen und Fenstern der Nachbarn vor sich geht, oder sieht man nur das, was man sehen soll, sehen darf?
Als Anja Pfeifer, Mutter von drei Kindern, zu Grabe getragen wird, ist man zunächst erschüttert. Fragen nach dem Warum werden laut. Doch nicht einmal Christian, der Ehemann, kann sich einen Reim auf das Geschehen machen. Scheinbar. Oder hat er nur verdrängt, was vor sich ging? Gab es irgendwelche Anzeichen für Anjas folgenschweren Schritt? Oder hat sie vielleicht sogar mit seinem Zutun ihrem Leben ein Ende gesetzt? Ein Kreislauf wirrer Gedanken und Spekulationen wird entfacht.
Kerstin, Schwester der Toten, kümmert sich fortan um die Kinder Tina, Lena und Tim und führt den Haushalt im Hause Pfeifer. Christian hingegen zieht sich immer mehr zurück. Als er zwischen Erinnerungen und Visionen schwelgt, verliert er nach und nach die Kontrolle. Am Ende tötet er nicht nur seine Schwägerin, sondern auch die drei Kinder und richtet sich schlussendlich selbst...


Stil und Sprache
Sandra Herrler ist eine junge, im Bereich des Thrillers noch unbekannte Autorin, die nach "Cowboy mit Virus" und "Jeans mit Sporen" mit "Roter See" ihr drittes Werk der Öffentlichkeit präsentiert. Der Titel des Romans steht stellvertretend für eine Menge Blut, das im Rahmen einer familiären Tragödie geflossen ist. Der Klappentext stellt bereits die wesentlichen Eckpunkte des Geschehens dar. Doch die Autorin erfasst in ihrem Thriller nicht nur die grausamen Fakten, sondern beleuchtet vor allem auch die Hintergründe einer Handlung, die einer beliebigen Nachrichtensendung oder Tageszeitung entnommen sein könnte, vielleicht sogar im Haus nebenan geschieht: Junge Mutter aus gut situiertem Hause begeht Selbstmord, Familienvater läuft Amok - tötet erst seine Kinder und schließlich sich selbst. So oder ähnlich könnten die plakativen Meldungen lauten. Von einem Blutbad könnte die Rede sein. Doch indessen sich beispielsweise die Sensationspresse vorwiegend um die umsatzstärksten Aufmacher und die prekärsten Details schert, gibt es noch eine Wahrheit hinter all den schockierenden Bildern.
Während die Inhaltsbeschreibung die essentiellen Aspekte der grausamen Ereignisse anspricht und damit Überraschungsmomente verschenkt, tut dies der Spannung des Romans dennoch keinen Abbruch. Sandra Herrler versteht es ausnehmend gut, mit viel Fingerspitzengefühl ein Psychogramm menschlicher Abgründe zu zeichnen. Es sind weniger die Taten, die die Autorin in den Vordergrund hebt, sondern vielmehr die Umstände, Gedanken und Emotionen, die die unterschiedlichen Situationen bedingen, ineinandergreifen und im Fiasko enden. Vierzehn Kapitel in dritter Person Singular vermitteln aus wechselnden Perspektiven den wahren Umfang schockierender Momente im Leben der Pfeifers. Im anschließenden Epilog wird auf die Außenwirkung und die Folgen der Tat eingegangen und eine Art Fazit gezogen, das den Nagel, sprichwörtlich ausgedrückt, auf den Kopf trifft.
In Rückblenden, um wenige Informationen ergänzte Wiederholungen, durch verschiedene Stimmen und Bilder erfährt der Leser, wie es um die Familie wirklich stand. Längst herrschte nicht Friede, Freude, Eierkuchen, was Außenstehende wohl vermutet hätten. In Anjas und Christians Ehe bröckelte es an allen Ecken und Enden. Einiges davon deutet Sandra Herrler nur an, anderes wiederum wird direkt ausgesprochen. Alkohol, Untreue, Handgreiflichkeiten. So scheint eines zum anderen geführt zu haben. Eine Wertung oder Schuldzuweisung bleibt jedoch aus. Der Leser ist dazu angehalten, sich sein eigenes Urteil zu bilden, bewusst darüber nachzudenken, wer Opfer und wer Täter ist. Möglicherweise existiert keine klare Abgrenzung, Schwarz-Weiß-Denken scheint fehl am Platz.

Atmosphärisch dicht schreibt Sandra Herrler wie aus dem wahren Leben. Sprache, Charaktere und Handlung sind absolut authentisch, glaubhaft und nachvollziehbar. "Roter See" fesselt von der ersten bis zur letzten Seite, obwohl oder gerade weil das Ende bereits feststeht.


Figuren
Im Fokus des Romans stehen die Pfeifers: Vater Christian, der als freiberuflicher Entwickler Arbeitszeit und -ort weitestgehend selbst bestimmen kann und daher viel Zeit zu Hause verbringt, Mutter Anja, die sich fröhlich und lachend um Haushalt und Nachwuchs kümmert und die drei pflegeleichten Kinder Tina, siebzehn Jahre, Lena, zwölf Jahre und Nesthäkchen Tim, fünf Jahre. Auf den ersten Blick eine ganz normale, glückliche Familie. Doch der Schein trügt! Hinter der Fassade verbirgt sich eine gänzlich andere Wahrheit. Anja, die nach dem Unfalltod des leiblichen Vaters von Tina ihre Einstellung zum Leben drastisch änderte, fortan alles in vollen Zügen genießen will und dabei kein Abenteuer auslässt, wird im Ort zwar akzeptiert, gehört jedoch nie zur Gemeinschaft dazu. Spekulationen und Beobachtungen der Dorfbewohner zeugen von einem freizügigen Lebenswandel, mit der ehelichen Treue nimmt sie es nicht so genau. Christian will sich mit Anjas Eskapaden arrangiert haben, doch ist dem wirklich so? Anja trägt offenbar einige Blessuren davon. Das ein ums andere Mal greift sie zur Flasche und ist bereits vormittags völlig betrunken. Christian verschwindet gern für einige Stunden im Wald und ist für die Familie nicht ansprechbar. Für ausreichend explosives Konfliktpotenzial ist bei genauerem Hinsehen gesorgt.
Nach Anjas Tod steht für Christian nicht hundertprozentig fest, ob es sich tatsächlich um einen Freitod ihrerseits handelt, oder vielmehr er der Schuldige ist, sie eventuell sogar getötet hat. Ganze zwei Stunden des Todestages fehlen seinem Erinnerungsvermögen. Trauer und Hilflosigkeit, gepaart mit Selbstvorwürfen, Schuldempfinden und Ratlosigkeit führen zu einer Spirale der Verzweiflung, die Christian langsam aber sicher den Boden unter den Füßen wegzieht. Er beginnt Stimmen zu hören und sieht seine Frau schließlich auch vor sich. Christian zieht sich nicht nur von allen zurück und entsagt der Verantwortung für die Kinder, er verliert zunehmend die Kontrolle über sein Denken und Handeln. Auch die Anwesenheit von Anjas Schwester Kerstin kann keine Abhilfe schaffen. Da sie nach Jobverlust und einer Auseinandersetzung mit ihrem Partner nun buchstäblich auf der Straße sitzt, kommt es ihr ausgesprochen gelegen, dass sie im Hause Pfeifer übergangsweise zur Hand gehen kann. Und wer weiß, vielleicht wird aus dem Übergang auch etwas Langfristiges. Inwiefern hätte sie sich jedoch sicher nicht träumen lassen...

Sandra Herrler stellt vor allem die Emotionen der Figuren sehr intensiv und authentisch dar. Trauer, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Wut und Hass sind Extreme, die Menschen nicht nur in die Knie zwingen, sondern auch zu erschreckenden Handlungen treiben können.
Nebencharaktere wie Eltern und Nachbarn sind ebenfalls nachvollziehbar und tragen ihren Anteil zur Glaubwürdigkeit der Geschichte bei.
Alles in allem verleihen sowohl Handlung als auch Figuren dem Thriller die nötige Dramaturgie um zu fesseln und vor allem zum Nachdenken anzuregen.


Aufmachung des Buches
"Roter See" ist als großformatige Broschur im Dresdner Buchverlag erschienen. Das Layout stammt von Dajana Mehner, für die Grafik zeichnet sich Sandra Herrler selbst verantwortlich. Das glänzende Cover zieht Blicke auf sich, keine Frage. Der Rahmen des Buches ist schwarz gehalten. Am unteren Buchrand findet sich das Logo des Verlags wieder, ganz oben der Autorenname. Das eigentliche Motiv ist eine Explosion aus überwiegend rötlichen Farbverläufen und grafischen Elementen wie zum Beispiel einer weiblichen Figur und einem Totenkopf. Die Interpretation dessen, was gezeigt wird, obliegt dem Betrachter. Der Titel des Romans hebt sich in dominanten Großbuchstaben vom weißen Hintergrund ab.
Rückseitig ist eine kurze Inhaltsbeschreibung in Kreisform vor einem dunkelroten Mond hinter der Silhouette einiger Bäume zu sehen.
An Satz und Papierqualität gibt es nichts auszusetzen.


Fazit
Intensiv, beklemmend und berührend rüttelt dieser Roman auf, erzeugt Gänsehaut und wirkt noch lange nach. Lebendig und realistisch spielt Sandra Herrler mit Schein und Wirklichkeit. Wer kann schon mit Sicherheit sagen, was in seinem Gegenüber vorgeht?!
Obwohl "Roter See" deutlich im oberen Preissegment anzusiedeln ist, möchte ich eine explizite Empfehlung für Freunde psychologischer Inhalte aussprechen!



Hinweise
Rezension von Patricia Merkel
Herzlichen Dank an den Dresdner Buchverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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