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Es ist ruhig geworden um den berüchtigten Piraten Long John Silver. Nach seiner Rückkehr von der Schatzinsel hat er in Bristol ein Wirtshaus eröffnet, doch für einen Mann wie Silver ist das kein Weg, um alt zu werden.

Als ihn die schöne Lady Hastings aufsucht, um ihn für die Suche nach den sagenhaften Reichtümern der verschollenen Stadt Guyanacapac anzuwerben, kann er nicht ablehnen. Silver bricht auf zu seiner letzten Reise, zu seinem größten Abenteuer.

 

  Autor: Xavier Dorison
Illustration: Mathieu Lauffray
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: 04/2009
ISBN: 978-3-551-73441-9
Seitenzahl: 64 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Lord Hastings ist auf Entdeckungsfahrt in der Neuen Welt und hat seine Frau in England zurückgelassen. Nach fehlenden Lebenszeichen ihres Angetrauten beginnt sie, sich mit anderen Adligen zu vergnügen, die Hochzeit mit Lord Prisham steht kurz bevor. Da taucht unerwartet der Bruder von Lord Hastings auf, soll – auf Weisung des Lords – die Lady in ein Kloster stecken und den ehelichen Besitz, der fast komplett aus der Mitgift von Vivian Hastings stammt, zur Finanzierung einer Expedition zur legendären goldenen Stadt – Guyanacapac – verkaufen.
Doch Lord Hastings hat seine Rechnung ohne Lady Vivian gemacht – die so schöne wie taffe Frau besteht darauf, an der Expedition teilzunehmen, wendet sich hilfesuchend an Long John Silver – und löst damit Ereignisse aus, die in ihrem Lauf nicht mehr aufzuhalten sind…

Mit „Long John Silver“ kam es Xavier Dorison – laut des Vorwortes – weniger darauf an, eine Fortsetzung zu Robert Louis Stevensons Meisterwerk „Die Schatzinsel“ zu schreiben, sondern vielmehr dem berüchtigten Piraten mit dem Holzbein ein Denkmal zu setzen. So ist diese Comicszenerie eine Hommage an John Silver, auch genannt Long John. Der Plot ist gekonnt aufgebaut, im ersten Teil zwar nicht übermäßig tiefgründig, aber dennoch vermag er zu faszinieren, sowohl durch die intriganten Spielchen der schlagfertigen Lady, als auch durch den Protagonisten.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die grafische Umsetzung des Comics, erstellt durch Mathieu Lauffray, ist zwiespältig, erstreckt sich die zeichnerische Qualität doch über ein breites Band, das nicht selten grob ist wie das Gebaren eines Freibeuters. Die Szenerie startet mit den Inhalten eines Briefes oder Tagebuchauszuges (dies ist nicht genauer zu erkennen) aus der Sicht des Erzählers und düsteren Zeichnungen mit einem groben Touch. In dem heftigen Regenschauer fallen die Nebenfiguren sehr marginal, ja fast nur angedeutet aus. Zwar nehmen die einzelnen Merkmale der Personen dann etwas zu – besonders hebt sich Lord Hastings hiervon ab – das Groh bleibt aber zeichnerisch verhalten. Auch Lord Hastings wird auf diesen ersten Seiten, wenn auch hervorgehoben, eher skizziert denn vollständig ausgearbeitet.

Mit dem Szenenwechsel nach England nimmt die Darstellung der Figuren zu und gipfelt stellenweise in sehr guter Umsetzung, so ist z.B. Lady Hastings im Bett mit Lord Prisham sehr fein dargestellt, mit einer zurückhaltenden Erotik, die den Akt anzudeuten vermag, ohne ihn zeigen zu müssen. Auch andere ausgewählt Portraits wurden mit großer Sorgfalt und hinreichender Genauigkeit erstellt. Der durchschnittliche Stil ist allerdings dennoch verhalten und liegt darunter - zum Teil deutlich. Zu den schon auf den ersten Blick faszinierendsten Charakteren – auch in der grafischen Umsetzung bei Portraits – zählt ganz klar John Silver, der Protagonist, der seinen ersten Auftritt zwar relativ spät, aber dafür umso imposanter hat. Figuren in den Bildhintergründen sind nur grob umrissen, bei Übersichtsillustrationen – in denen einzelne Figuren naturgemäß kleiner ausfallen – treten Statisten oft lediglich als länglicher Körper mit einer Rundung als Kopf auf.
Ähnlich schaut es auch mit anderen Bereichen aus, so sind Häuser und Zimmer mal überzeugend und umfassend, zum Beispiel der Raum des durch den Ausverkauf geleerten Herrenhauses, aber allzu oft eher grob und nur andeutend aufgebaut. Schön anzusehen ist nicht nur die Übersicht von Bristol, sondern auch die Szenen in der Stadt, im Hafen – und im Keller des „Spy Glass“. Im Übrigen hat sich Lauffray aber Gebäuden, Landschaften, Räumlichkeiten und Schiffen immer nur so umfangreich wie gerade nötig gewidmet und liegt in der Ausgestaltung deutlich hinter vielen seiner Kollegen wie z.B. Guy Michel, der in der Serie „Drachenblut“ Piratenschiffe liebevoll und mit hohem Detailreichtum zeichnet. Zwar haben seine eher raubeinigen Darstellungen einen ganz eigenen Charakter, der sich der Atmosphäre der Szenerie anpasst, nichtsdestotrotz hätte mir eine exaktere Wiedergabe deutlich besser gefallen.

Die pastellartige Farbgestaltung ist mal zurückhaltend, mal intensiv, und unterstreicht häufig gekonnt die düstere Stimmung der Handlungen. Die Bilder fallen überwiegend kontrastreich aus, auf Schatten greift der Illustrator nur zurück, um in manchen Szenen die Atmosphäre zu ergänzen. Keine Überraschungen gibt es in der Textgestaltung, die in den Dialogen und Erzähltexten comictypisch umgesetzt wird, in europäischem Stil gibt es nur sehr wenige durch Wörter verdeutlichte Geräusche.


Aufmachung des Comics
„Long John Silver“ kommt, einem Comicheft ähnlich, mit weichem Einband und einem A4 großen Format daher. Nichts zu mäkeln gibt es an der Verarbeitung, sowohl der für den Umschlag verwendete Karton, als auch das seidenmatte Papier sind hochwertig. Bei der Covergestaltung ist die erste Assoziation für Kenner der „Schatzinsel“ direkt John Silver, der dem Leser den Rücken zuwendet und im prasselndem Regen steht – so viel sei jedoch verraten, der erste Eindruck ist hier falsch. Allerdings vermittelt das recht grobe Bild einen direkten Einblick auf die zeichnerische Qualität, die der Leser im Innenteil zu erwarten hat. Der Schriftzug für den Titel passt perfekt zum Serieninhalt und wurde durch einen Totenkopf und zwei gekreuzte Säbeln eingerahmt.

Im Anschluss an die Geschichte gibt es ein ganzseitiges Portrait der Hauptfigur sowie auf zwei Seiten Werbung für andere Werke des Verlags. Interessanterweise wird hier auch für die Serie „Das Dritte Testament“ geworben, die zur Zeit des Erscheinens von „Long John Silver, Bd. 1“ neu schon nicht mehr erhältlich war…


Fazit
Mit „Long John Silver“ hat Dorison der wohl interessantesten Figur aus „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson ein Denkmal geschaffen, erfährt man nun, was aus Silver geworden ist, der zum Ende des berühmten Abenteuerromans untertauchte. Der Plot ist unterhaltsam und fasziniert mit der romantischen Atmosphäre des 18. Jahrhunderts. Die Illustrationen von Mathieu Lauffray haben zwar einen ganz eigenen Charme, werden aber Fans hochwertiger Zeichenkunst nicht vom Hocker hauen können. Zwar stellt er in wenigen Bildern sein volles Können unter Beweis, jedoch ist der Großteil ziemlich grob gestaltet.


3 Sterne


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