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„Ich will eine Legende sein, Maßstäbe setzen. Ich verdiene kein Leben voller banaler und kleinkarierter Wendungen!“

Paris, Ende des 19. Jahrhunderts: Ein junger Schriftsteller verzweifelt an seiner Hassliebe zum „Raben“, einer Figur aus einer Groschenheftserie. Lang schon hegt der den Verdacht, dass die höchst erfolgreichen Romane reine Plagiate sind...

Er glaubt Geister zu sehen, als ihm die Romanfigur höchstpersönlich erscheint. Doch der Rabe hat seine eigenen Pläne, in denen unser junger Schriftsteller eine nicht unbedeutende Rolle spielt...

Fabrice Lebeault, Autor von „Horologiom“, verwebt in seinem neuesten Werk „Mit fremder Feder“ auf ironische Weise die Schicksale seiner beiden Protagonisten. In verspielt altmodischem Ambiente erschafft er damit eine Hommage an die Zeit, als ein Roman noch Wirklichkeit und die Wirklichkeit so spannend wie ein Roman war.

 

  Autor: Fabrice Lebeault
Illustration: Fabrice Lebeault
Verlag: Finix Comics
Erschienen: 12/2009
ISBN: 978-3-941236-22-6
Seitenzahl: 80 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Der junge Romankritiker Fortuné wird von dem Romanhelden, der Figur eines anderen Schriftstellers, heimgesucht. Dieser nutzt den Kenner und Kritiker der Groschenheftserie „Der Rabe“ als Pforte in unserer Welt, die sonst nur zwischen den Figuren und ihrem Schöpfer besteht und normalerweise dazu benutzt wird, dem Autor den Fortgang seines Werkes einzuflüstern. Doch der „Rabe“ kann seinen Schöpfer nicht ausmachen und sucht in Fortuné einen Verbündeten, will er doch zu einer Legende werden und seinen künftigen Abenteuern eine ganz neue Richtung geben. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem mysteriösen Autoren, Homère Saint-Illiède. Doch kann Fortuné dem Phantom, das nur er sehen kann, auch wirklich trauen?

Fabrice Lebeault hat mit „Mit fremder Feder“ einen so eindringlichen wie mysteriösen Comic geschaffen, die Story perfekt inszeniert und mit überraschenden Wendungen statt einer vorhersehbaren Handlung versehen. Die Idee, die Welt der Romanfiguren mit der Realität der unsrigen Welt zu verwischen, hat mir sehr gut gefallen. Der Leser wird überrascht sein, was ihn hier erwartet – Langeweile wird es auf keinen Fall sein.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die Geschichte beginnt mit intensiven, aber nicht zu knalligen Farben über den Dächern von Paris. Indem der „Rabe“ mit dem jungen Kritiker ein eher einseitiges Zwiegespräch führt, findet der Leser den Zugang zur Story und erfährt von der Situation Fortunés. Im weiteren Verlauf des Comics ist die Farbgestaltung eher zurückhaltend und pastellartig, was gut zu der Epoche, die den Hintergrund bildet, passt. Lebeault hat einen ganz eigenen Zeichenstil, der ihn von der Masse abhebt. Besonders in den Schatten, aber auch auf mancher großen Fläche wie dem einen oder anderen Dach, meint man noch die Bleistiftstriche der ursprünglichen Skizzen zu erkennen, wenn man genau hinschaut. Die Wiedergabe der Grafiken, besonders die der Gebäude von außen und innen, der Verzierungen von Häusern und der Ausstattungen von Räumlichkeiten sind exakt und vielfältig. Die Gassen der Städte sind häufig bis auf die Strukturen des Kopfsteinpflasters genau und mit vielen Nuancen herausgearbeitet. Manche Szenen von Paris, wie die erste Illustration auf Seite 18, sind schlicht und einfach wunderschön. Die Konturen sind zumeist fein, auch wenn die Bilder nicht den Charakter manch moderner, vermutlich durch Computertechnik „glattgebügelter“ Comics haben, die man besonders aus dem amerikanischen Raum kennt. Vielmehr unterstreichen die Darstellungen gekonnt die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts.

Die Gesichter haben häufig „nur“ einfache Strukturen – das Haar von Judith und das Gesicht von Josef sind glatt und ohne innere Zeichnung oder Falte –, wirken aber nicht grob und sind ausreichend detailliert. Einige Wenige, z.B. das des Buchhändlers, sind etwas aufwendiger gestaltet und haben ein angenehmes und ausdrucksstarkes Äußeres. Im übrigen sind die Figuren liebevoll umgesetzt, die Kleidung, aber auch persönliche Dinge, wie z.B. Waffen, sind authentisch und zu der Epoche passend. In einem Großteil der Bilder hat der Zeichner das passende Umfeld als Hintergrund eingepflegt, seien es nun Räume oder Orte, die mühevoll und mit dutzenden Einzelheiten dargestellt sind. Nur wenige Zeichnungen sind mit unifarbenen Hintergründen ausgestattet, davon wiederum so einige in Falschfarben, d.h. nicht zum Umfeld passenden. Dieses Konzept wirkt jedoch eher stimmig als störend.

Auf Seite 42 ist die fünfte Zeichnung (außer dem Bildhintergrund) erstmalig nicht koloriert, zwei weitere nicht vollständig gefärbte Bilder finden sich auf Seite 64 und der letzten Seite der Geschichte. Ein Grund hierfür ist nicht ersichtlich, es scheint jedoch ein Stilmittel des Zeichners zu sein, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass dem Verlag ein solcher Fehler durchgegangen sein sollte, da - bis auf die genannte letzte Grafik des Plots - die Bilder immerhin teilweise eingefärbt sind.

Die Dialoge, besonders die Äußerungen des „Raben“, sind besonders zu Beginn sehr bildlich, und poetisch, mit Phrasen, aber auch tollen Vergleichen versehen, so will die Romanfigur „nicht im Rinnstein der Geschichten, wo die Bettler die Gasse absuchen nach einem bisschen Abenteuer“ enden.

Die Story endet übrigens offen, auch wenn der Leser meint, dass es vermutlich nur ein Ende geben kann, wird es doch nicht gezeigt – erwartet ihn womöglich ein Wiedersehen mit Fortuné?


Aufmachung des Comics
Der Comic wird vom Verlag in einer 1. Auflage von 1.500 Exemplaren mit festem Einband und hochwertigem Äußeren aufgelegt. Das etwas größer als A4 ausfallende Format ist noch handlich genug, die sehr saubere Verarbeitung weiß zu überzeugen.
Raffiniert sind die Comicvorder- und -rückseite gestaltet, geben sie die beiden Seiten eines alten Buches im Stil des 19. Jahrhunderts wieder, das auf einer dunkelbraunen, holzmarmorierten Oberfläche ruht, vermutlich der Oberfläche eines alten, wertigen Schreibtisches. Auf der aufgedruckten Buchvorderseite sind drei Szenen des Comicinhalts angerissen, auf dem Buch liegt ein reichverzierter Federhalter, der mit roter Tinte bereits gekleckst hat. Sowohl die Ausschnitte, als auch der Füller stechen mit Spotlack glänzend aus der ansonsten matten Gestaltung hervor. Auf der Buchrückseite (sowohl des echten als auch des historischen, aufgedruckten Buches) finden sich eine Inhaltsbeschreibung, die neugierig und Lust auf mehr macht. Die Bucheinschläge zeigen vorne und hinten die beiden Protagonisten in bläulich-grau monochromen Druck.

Nach der Geschichte wird der Comicband durch einen dreizehnseitigen Anhang komplettiert, der „Ein Wort des Herausgebers“ sowie die vollständige, ursprüngliche Idee von Lebeault nebst einigen Aquarellzeichnungen enthält. Alles in allem hinterlässt dieser Comicband einen sehr anspruchsvollen Eindruck.


Fazit
Mit seiner Idee und seiner grafischen Umsetzung ist Fabrice Lebeault ein großer Wurf gelungen. Der Comic überzeugt mit liebevollen und atmosphärischen Zeichnungen, einem so eindringlichen wie spannenden Plot und einem hochwertigen Äußeren. Eine absolute Empfehlung für Fans anspruchsvoller Comicbände!


5 Sterne


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