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Als es William Monk, Kommandant der Londoner Wasserpolizei, endlich gelingt, Jericho Phillips, einen Kinderschänder und Mörder, zu fassen, glaubt er an die sichere Verurteilung des perversen Verbrechers. Doch dann erhält Monks Freund, der Anwalt Sir Oliver Rathbone, Besuch von seinem Schwiegervater Arthur Ballinger, der ihn bittet, die Verteidigung von Phillips zu übernehmen. Rathbone sagt zu – und kämpft zum ersten Mal in seiner Karriere gegen seinen Freund Monk. Aber Rathbone ist nicht bewusst, wie weit er selbst in den Fall Phillips verwickelt ist.

 

  Autor: Anne Perry
Verlag: Goldmann
Erschienen: 07/2009
ISBN: 978-3-442-46340-4
Seitenzahl: 447 Seiten


Die Grundidee der Handlung
„Galgenfrist für einen Mörder“ ist der sechzehnte Fall für William Monk, seine Frau Hester und den gemeinsamen Freund Sir Oliver Rathbone. Monk, Kommandant der Londoner Wasserpolizei, hasst offene Fälle. Jericho Phillips, ein berüchtigter Kinderschänder und Mörder des dreizehnjährigen Walter Figgis, ist ein offener Fall und Monk will den perversen Verbrecher endlich hängen sehen. Zudem hat Monk diesen Fall von seinem Vorgänger im Amt, Mr. Durban, übernommen. Er will nun alles tun, damit dieser Fall aufgeklärt werden kann und Phillips seine gerechte Strafe bekommt. Als es Monk gelingt, Phillips zu verhaften, ist er sich sicher, dass dieser auf dem Weg zum Galgen ist. Monk und seine Frau sind mehr als erstaunt, als sie erkennen, dass ihr gemeinsamer Freund Sir Oliver Rathbone die Verteidigung dieses Widerlings übernimmt.
Mit der nun beginnenden Gerichtsverhandlung ändert sich die Grundrichtung dieses Buches und aller bisher erschienenen Monk-Büchern. Es geht nicht mehr in erster Linie darum, ein Verbrechen aufzuklären und den Täter seiner gerechten Strafe zuzuführen. In diesem 16. Band stehen die Beziehungen der einzelnen Protagonisten zu einander im Vordergrund.


Stil und Sprache
Die Geschichte beginnt mitten im Handlungsstrang. Monk verfolgt den flüchtigen Jericho Phillips und vollführt ein waghalsiges Manöver nach dem anderen, um Phillips nicht zu verlieren. Jäger und Gejagter springen von Boot zu Boot, über Leichter und Barkassen, bis Phillips endlich auf einem Kahn gestellt und verhaftet werden kann. Es gibt nur ein paar vereinzelte Andeutungen zu Monks Person und zur Person des früheren Chefs der Wasserpolizei Durban. Wer mit diesem Buch William Monk kennen lernt, wird mit dem Verständnis der Hintergründe so seine Schwierigkeiten haben. Es gibt jede Menge Andeutungen, aber kaum richtige Erklärungen für Seiteneinsteiger. Diesen fehlt die Entwicklung der Beziehungen der einzelnen Personen untereinander. Gerade diese Verhältnisse stehen aber im Mittelpunkt des Buches. Inhaltlich schließt das Buch fast nahtlos an Band 15 „Das dunkle Labyrinth“ an. Auch Kenner der Serie tun sicher gut daran, sich den Inhalt dieses Buches noch mal kurz ins Gedächtnis zu rufen. Auf diese früheren Ereignisse wird immer mal wieder Bezug genommen. Auch wenn mir das meiste beim Lesen der Hinweise wieder eingefallen ist, an eine Sache konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Da war ich doch ziemlich erstaunt.

Eine ansteigende Spannungskurve sucht der Leser vergeblich. Die Verfolgungsjagd zu Beginn hat eine Art Grundspannung, bei der das Ende, nämlich die Verhaftung von Jericho Phillips, allerdings schon durch den Klappentext vorweg genommen wurde. Nun wird der Fall neu aufgerollt und jeder der Beteiligten macht sich mehr oder weniger alleine auf den Weg, Phillips doch noch seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Durch die Erzählweise in der dritten Person kann der Leser jedem Protagonisten über die Schulter und in den Kopf schauen. Gerade in den Köpfen spielt sich ein Großteil der Geschichte ab. Jeder ist besorgt um den anderen und möchte ihn vor den „bösen“ Ergebnissen der Untersuchungen schützen. Diese Sorgen, Zweifel und Selbstzweifel an sich und an den anderen machen einen Großteil des Buches aus. Dadurch bleibt die echte Handlung auf der Strecke, im wahrsten Sinne des Wortes, es passiert nicht viel. Das Wenige, das die Bezeichnung „Krimi“ verdient, ist dann auch noch ziemlich vorhersehbar. Wer beim Lesen mitdenkt und sich seine Gedanken macht, den wird das Ende nicht überrascht haben. Zum Schluss kommt noch ein wenig Spannung und Dramatik auf. Ob der Gerechtigkeit dann auch genüge getan wird, muss jeder Leser für sich entscheiden.

Anne Perry bedient sich einer sehr ausschweifenden Sprache. Was für die Gedankengänge manchmal zu dick aufgetragen ist, wirkt bei Ortsbeschreibungen umso mehr. Die Bilder, die sie vom viktorianischen London zeichnet, kann man als Leser ohne Probleme im Kopf entstehen lassen. Wir sind dabei, im Hafengebiet, auf den Kaimauern, zwischen den Paletten mit Waren und den schwitzenden Schauermännern. Wir nehmen die Gerüche und Geräusche auf in den kleinen Gassen und Hinterhöfen. Einfach toll geschrieben.
Die dramatischen Szenen vor Gericht, die den Reiz der anderen Monk-Bücher ausmachen, fehlen hier leider. Ich vermisse in diesem Buch die Spannung, die aufkommt, wenn Monk nach akribischer Suche das letzte Puzzleteil gefunden hat und plötzlich der ganze Fall in einem anderen Licht dasteht. Ich vermisse die plötzlichen Wendungen zum Schluss, wenn Rathbone in letzter Sekunde seine Mandanten vor dem Galgen retten kann. All das findet sich in diesem Buch leider nicht.


Figuren
Im Mittelpunkt steht natürlich William Monk, der nach einer wechselhaften beruflichen Karriere nun seit kurzer Zeit Kommandant der Wasserpolizei ist. Aufgrund seiner Vergangenheit ist er ein von Selbstzweifeln geplagter Mensch. Er hat aber auch etwas von einem Terrier, wenn er sich erst einmal in einen Fall verbissen hat, gibt er keine Ruhe, bis er diesen zum Ende bringen kann. Diese Eigenschaft wird ihm hier zum Verhängnis, denn sein Freund, Sir Oliver Rathbone, kennt ihn ganz genau. So ist es keine große Kunst für Rathbone Monk vor Gericht Befangenheit im Fall Phillips vorzuwerfen und bei den Geschworenen so Zweifel an Phillips Schuld zu erwecken. Monks Vergangenheit wird, wenn überhaupt, nur kurz angedeutet. Für Leser, die die anderen Teile der Monk-Serie nicht kennen, sind die Zusammenhänge daher schwer zu verstehen. Es bleibt für diese Leser unklar, warum Monk ständig versucht, seine Frau Hester vor allem Übel zu bewahren.
Genauso unklar bleibt es für uneingeweihte Leser, warum Hester bemüht ist, den Fall ohne Monks Hilfe alleine aufzuklären. Es fehlt einfach die Kenntnis des großen Ganzen in den wechselhaften Beziehungen der Hauptpersonen untereinander. Dabei sind die Figuren auf keinen Fall blass oder unglaubwürdig. Die Autorin versteht es, ihnen Tiefe und Charakter mit auf den Weg zu geben. Manchmal machen sie sich vielleicht zu viele Gedanken. An einigen Stellen habe ich gedacht, es wäre einfacher und für den flüssigen Fortgang der Geschichte besser, wenn alle mal miteinander reden würden.
Auch die Nebenfiguren haben Tiefgang und sind dreidimensional. Es tauchen aber kaum neue Figuren auf, sehen wir von Jericho Phillips einmal ab. Hier stellt sich dann die gleiche Konstellation wie bei den Hauptfiguren. Auch die Nebenfiguren sind miteinander so verwoben, das nur der Eingeweihte genau weiß, was Sache ist. Die Beziehungen untereinander stehen wiederum im Vordergrund, die Lösung des Falles wird nur zweitrangig behandelt.


Aufmachung des Buches
„Galgenfrist für einen Mörder“ liegt als Taschenbuch im Großformat vor. Das Cover ist in gedeckten Tönen in grau-schwarz gehalten und zeigt einen Teil eines Portraits von einem Mann in viktorianischer Kleidung. Mein erster Gedanke war, dass es sich um Sir Oliver Rathbone handeln könnte. Vielleicht ist es aber auch nur einer der vielen wohlhabenden Männer, die die Dienste von Jericho Phillips in Anspruch nehmen. Diese Entscheidung bleibt dem Betrachter vorbehalten. Das Cover ist auf jeden Fall treffend gewählt.
Auf der Rückseite ist eine kurze Inhaltsangabe, die auf der ersten Innenseite noch mal ausführlicher dargestellt wird. Darunter sind ein paar Informationen über die Autorin und der Hinweis, dass es sich beim vorliegenden Buch um den sechzehnten Monk-Band handelt.

Der Text ist in zwölf Kapitel eingeteilt. Perspektivewechsel sind innerhalb der Kapitel durch kleine Absätze gekennzeichnet.


Fazit
Hier nun ein Fazit zu ziehen, das in der Vergabe von Sternen endet, ist gar nicht so leicht.
Gerne würde ich zweimal Sterne verteilen. Zum einen unter dem Gesichtspunkt, dass der Leser dieses Buches noch kein oder nur ganz wenige Bücher mit William Monk gelesen hat. Dieser Leser findet eine Geschichte mit wenig kriminalistischer Handlung, mit mäßiger Spannung, in der sich über große Teile des Buches die Protagonisten den Kopf zerbrechen, wie sie miteinander umgehen sollen und wie sie das Herausgefundene ihren Lieben beibringen sollen. Ich denke nicht, dass diese Leser aufgrund des vorliegenden Buches auch die anderen Monk-Bücher zur Hand nehmen werden. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Buch 3 Sterne.
Nun gibt es aber auch noch die anderen Leser, die, so wie ich, alle Monk Bücher verschlungen haben und zwar, ganz wichtig, in der richtigen Reihenfolge, beginnend mit „Das Gesicht des Fremden“. Diese Leser wissen um die Eigenarten der Figuren, wie sie im Laufe von nun sechzehn Büchern so wurden, wie sie jetzt sind. Für diese Leser dürfte das vorliegende Buch einen viel größeren Lesegenuss darstellen. Das Buch wird nicht spannender, es bleibt auf der kriminalistischen Ebene eines der schwächeren Bücher in dieser Reihe. Trotzdem bringt es die Figuren teilweise in einen anderen Bezug zueinander, einen Bezug, auf den der hoffentlich bald folgende siebzehnte Teil aufbauen wird. So gesehen, bekommt das Buch 4 Sterne.
Im Mittel vergebe ich dann 3,5 Sterne.


3 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 11: In den Fängen der Macht
Band 12: Gefährliches Geheimnis
Band 13: Tod eines Fremden
Band 14: Schwarze Themse
Band 15: Das dunkle Labyrinth

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