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Ich wurde im Jahre 1475 n. Chr. in Rom geboren. Mein Vater, Kardinal Rodrigo Borgia, gab mich kurz nach meiner Geburt in die Obhut einer seiner zahlreichen Geliebten. Seit ich denken kann, bin ich von einer dunklen Aura umgeben – noch weiß ich nicht, was das zu bedeuten hat. Doch eines steht fest: Ich werde Gott niemals dienen, ich will mein eigener Herr sein.

 

Autor: You Higuri
Illustrationen: You Higuri
Verlag: Carlsen Mangas
Erschienen: März 2004
ISBN: 978-3-551-77371-5
Seitenzahl: 190 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Hauptperson des Mangas ist Cesare Borgia, eine schillernde Persönlichkeit, die tatsächlich Ende des 15. Jahrhunderts in Italien lebte. Genauso existierten sämtliche in der Handlung auftretenden Familienmitglieder und einige Nebenpersonen. Band 1 beginnt mit Cesares Geburt und endet, als Cesare etwa im Alter von 13-15 Jahren ist (genaue Altersangaben werden im Manga nicht gemacht). Dazwischen spannt sich ein genauso spannender wie ereignisreicher Erzählbogen mit Cesares wechselhafter, unglücklicher Kindheit, die von Missgunst, Gewalt und einer unheilverheißenden Zukunft geprägt ist. Doch es gibt auch einige wenige Lichtblicke in Cesares Leben z.B. seine jüngere Halbschwester Lucrezia, zu der ein gegenseitiges inniges Verhältnis besteht und für die er die Rolle des Beschützers einnimmt. Auftragsmörder Michelotto, dessen richtiger Name Chiaro lautet und der angeheuert wurde Cesare zu töten, ist eine fiktive Figur. Er wird noch eine bedeutende Rolle spielen, kann er doch als Einziger die dunklen Mächte bannen, die Cesare hin und wieder befallen.

Die Borgia waren einst ein mächtiger, intriganter, korrupter und in ganz Italien gefürchteter Familienclan, der - falls nötig - auch über Leichen ging, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Die Mangaka You Higuri mildert Cesares finsteren Charakter in ihrer Geschichte jedoch deutlich ab, indem sie die eigentliche Schuld bösen Dämonen zuschiebt. Cesares Vater verkaufte nämlich sein Kind noch vor dessen Geburt an die Dämonen der Finsternis, um im Gegenzug Macht zu erlangen. Ab dem Augenblick, wo Cesare vom Bösen bemächtigt wird, ist er nicht mehr er selbst und somit auch nicht für sein Handeln verantwortlich. Ich finde diese Idee einen genialen Schachzug der Autorin, denn wer will schon einen durch und durch bösen Menschen als Hauptfigur, der seine Missetaten wissentlich und willentlich ausübt? Einen solchen Menschen würde der Leser doch sofort hassen und eine Identifikation unmöglich machen.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die Zeichnungen sind in verschiedenen Grauabstufungen gehalten, was ich sehr angenehm beim Lesen empfand, da sie keine düstere Grundstimmung erzeugen. Einzig die Dämonen um Cesare werden als tiefschwarze Schatten mit Augen dargestellt und vermitteln dann auch im passenden Moment sofort das Gefühl des Unheilvollen. Ansonsten zeichnet sich Higuris Zeichenstil mit einer sehr feinen Strichführung aus, was sowohl Detailgenauigkeit als auch Ausdrucksstärke in der Mimik ermöglicht. Besonders viel Sorgfalt wird auf Kleidung und Frisuren der Figuren sowie in die Kulissen verwendet. Man merkt, dass die Mangaka vorher genauestens Recherche betrieben hat, denn alles ist originalgetreu wiedergegeben. Besonders gut gefiel mir auch, wie facettenreich Higuri Landschaften, Himmel und Horizonte darstellt. Es gibt da z.B. einen Moment, wo Cesare auf einem Hügel steht und über die mit Pinienbäumen bepflanzte Ebene zur gegenüber liegenden Anhöhe blickt, hinter dem gerade die Sonne untergeht. Normalerweise assoziieren wir eine solche Szene mit den typischen gelb-orange-rot-Tönen, aber hier wird auch ohne Farbe dieselbe malerische Stimmung erzeugt, was ich ganz erstaunlich finde.

Trotz der akkuraten Darstellung von Personen und Hintergründen ist der Manga alles andere als leicht zu lesen. Das liegt hauptsächlich an der variantenreichen, ineinanderfließenden und überlappenden Panelanordnung sowie an den Textblasen, die oft panelübergreifend angeordnet sind, was eine klare Zuordnung unheimlich erschwert. Die Form der Sprechblasenumrandung wird dazu benutzt, Ton und Lautstärke des Gesprochenen auszudrücken und bei den Hintergründen werden ebenfalls stilistische Mittel angewandt, um bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Das ist zwar nicht unüblich, kann jedoch meiner Meinung nach von Leseanfängern des Genres nicht wahrgenommen und richtig interpretiert werden. Als unüblich ist mir aber folgendes aufgefallen: Gedanken werden im Manga normalerweise direkt auf die Zeichnungen gedruckt, was auch hier der Fall ist, aber für plötzliche Gedankenblitze oder -eingebungen bedient sich You Higuri eines ganz eigenen Stils, indem sie sie in mehrere millimeterdick umrandete schwarze, gezackte Sprechblasen setzt. Generell sind die Sprechblasen nicht übermäßig mit Text überladen. Ihre Häufigkeit ist ganz unterschiedlich, auf manchen Seiten empfindet man sie im Übermaß und erdrückend, dagegen gibt es auch viele Seiten, auf denen sie rar gesät sind. Insgesamt besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Zeichnungen und Text.


Aufmachung des Comics
Der Manga hat einen broschierten Einband im normalüblichen Format. Allerdings verleihen die hochglänzenden Goldlettern für Titelname, -nummer und Autor, die auf dem Karton wie eingestanzt wirken, und der goldene Buchrücken, von dem sich die Schrift in Weiß abhebt, dem Manga eine außergewöhnlich edle Note. Das pastellfarbene Coverbild passt perfekt zum Inhalt, zeigt es doch die beiden Hauptpersonen in historischem Gewand; ein heller und ein dunkler Flügel symbolisieren den Kampf zwischen Gut und Böse. Auf der Rückseite des Buches nimmt ein farbiges Portrait von Cesare auf einem mosaikartigen braungrauen Hintergrund den meisten Platz ein, im unteren Drittel ist eine kurze Inhaltsangabe in der Ichform mit weinroten Buchstaben abgedruckt. In der linken oberen Ecke stellen drei kleine goldene Quadrate mit abgerundeten Ecken Homogenität zu Buchrücken und vorderer Covergestaltung her. Schade finde ich, dass sich die Bedeutung des Titels, Cantarella, in Band 1 noch nicht erschließt.

Das Inhaltsverzeichnis ohne Aufführung von Kapiteln wird jeden versierten Mangaleser entsetzt aufschrecken lassen, denn damit drängt sich einem sofort der Gedanke auf, die gesamte Handlung wäre in einem Guss geschrieben, tatsächlich sind aber Unterteilungen vorhanden, die im Innenteil an den weißen Seiten mit einer kleinen Illustration in der linken unteren Ecke auszumachen sind. Ausnahme bildet nur Kapitel eins, wo die schwarz-weiße Illustrierung die gesamte Seite einnimmt. Die Kapitel konnten nur aufgrund Fehlen von Überschrift oder Nummerierung schlecht ins Inhaltsverzeichnis übernommen werden.

Im Nachwort erzählt You Higuri wie es dazu kam, eine Geschichte über die Familie Borgia zu zeichnen.


Fazit
Der historische Manga mit Fantasy-Elementen bildet einen vielversprechenden Auftakt für eine spannende, an die Realität angelehnte Geschichte, mit der man nicht nur großen Spaß beim Lesen hat, sondern obendrein noch viel historisches Wissen mitbekommt. Er ist jedoch inhaltlich wie auch grafisch anspruchsvoll, weshalb er sich an ältere Jugendliche und Erwachsene mit einer gewissen Manga-Leseerfahrung richtet, ansonsten ist zu befürchten, dass Inhalte und Stimmungen nicht im Gesamten erfasst und verstanden werden können.


4 Sterne


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