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Äthiopien in den sechziger Jahren: Marion und Shiva Stone, eineiige Zwillingsbrüder, wachsen als Waisenkinder in einem Missionshospital in Addis Abeba auf. Sie verbindet die Faszination für die Medizin, doch als sie zu jungen Männern heranwachsen, treibt die Liebe einen Keil zwischen die beiden. Marion muss nach Amerika flüchten...
Rückkehr nach Missing, der erste Roman des Arztes und Bestsellerautors Abraham Verghese, ist ein meisterhaftes Epos über Familie, Heimat und über die wundersame Schöheit, die darin liegt, andere zu heilen.

 

Autor: Abraham Verghese
Verlag: Insel
Erschienen: 2009
ISBN: 9783458174509
Seitenzahl: 717 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Am 19. September 1954 wird im "Missing"-Krankenhaus in Addis Abeba ein Zwillingspaar geboren - von einer Nonne, die als Krankenschwester im Missionshospital gearbeitet hat und bei der traumatischen Geburt stirbt. Der leibliche Vater, Chirurg im Missing, flieht und lässt die Knaben Marion und Shiva zurück. Die beiden indischen Ärzte, Hema und Gosh, die Gynäkologin und der Internist des Krankenhauses, ziehen die Jungen groß und wecken die Liebe zur Medizin in ihnen. Gemeinsam mit Marion und Shiva wächst auch die Tochter der Haushälterin, Genet, heran. Die (unerfüllte) Liebe zu Genet und die politischen Unruhen in Äthiopien führen schließlich dazu, dass Marion überstürzt sein Heimatland verlassen muss. Er flüchtet in die USA, wo er durch Zufall seinem Vater begegnet. Als nach vielen Jahren Genet wieder in Marions Leben tritt, nimmt das Schicksal seinen Lauf...

Was für eine Geschichte! Eigentlich mag ich keine Familiensagas. Zu dick, zu schwülstig, zu langweilig. Zum Glück mache ich gelegentlich auch eine Ausnahme. In diesem Fall hat mich der Handlungsort Äthiopien interessiert - und ich habe jede Seite genossen. Die Geschichte hat mich absolut überzeugt, die Handlung geht ordentlich nach vorne und die einzelnen Puzzlestücke ergeben schließlich ein beeindruckendes Ganzes.


Stil und Sprache
Die Geschichte wird aus Marion Stones Perspektive erzählt. Zahlreiche Rückblenden und gelegentliche Vorgriffe entfalten ein riesiges Panorama vor den Augen des Lesers, das in faszinierenden Facetten schillert. Verghese schafft es, die Geschichte in einem ruhigen und unaufgeregten Ton zu erzählen und trotzdem oder gerade deswegen enorm viel Spannung aufzubauen. Jedes Kapitel für sich hat schon einen eigenen Spannungsbogen - das gesamte Buch spannt schließlich einen weiten Bogen über viele Generationen hinweg, der auf der ersten Seite ansetzt und tatsächlich auch erst ganz zum Schluss endet. Eine derart spannend und geschickt komponierte Geschichte dieses Umfanges ist ein seltener Glücksfall.

Sprachlich ist das Buch opulent und vielschichtig. Die "Sprache der Liebe" und die "Sprache der Medizin" sind die bestimmenden Pole. Eine Besonderheit sind sicherlich die authentischen und für ein belletristisches Werk ungewöhnlichen Schilderungen verschiedener operativer Eingriffe. Der Autor ist Arzt - und das merkt man auch. Vielleicht sind die OP-Passagen nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete, beeindruckend sind sie auf alle Fälle.


Figuren
Marion, der Erzähler, ist ehrgeizig und eher "normal". Er verliebt sich schon als Kind in Genet und entwickelt sich zu einem strebsamen Chirurgen. Seine Karriere verdankt er seinem Fleiß. Er sieht sich selbst als den "gewöhnlicheren" Zwilling, der für seinen Erfolg hart arbeiten muss.
Shiva ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. In bestehenden Systemen findet er sich nicht zurecht und so durchläuft er z.B. keine normale Schullaufbahn, sondern bringt sich das meiste selbst bei. Er ist eher der sensible Typ, geht im Tanz auf und ist zu enormer Empathie fähig. Seine Ziehmutter Hema bildet ihn zum Laienchirurgen und Gynäkologen aus. Er studiert nicht, sondern eignet sich alles auf praktische Art und Weise an. Seine Andersartigkeit hat bisweilen fast schon autistische Züge.
Genet wächst wie eine Schwester gemeinsam mit Marion und Shiva in einem Haushalt heran. Sie ist schön und kapriziös. Sie sucht stets das "Große" in ihrem Leben, sieht allerdings nicht, dass sie es eigentlich schon gefunden hat. Das ist ihr Dilemma.
Thomas Stone ist der leibliche Vater der Jungen und der Inbegriff eines arbeitswütigen Chirurgen. Auf emotionaler Ebene ein völliger Krüppel, entwickelt er sich zu einer Koryphäe der modernen Chirurgie (Transplantationsmedizin).
Hema und Gosh sind die liebevollen Adoptiveltern der Zwillinge. Ohne die Kinder hätten sie nicht zueinander gefunden (zumindest Hema nicht zu Gosh). Sie stehen für die beeindruckende und überbordende Liebe enthusiastischer Mediziner zu ihrem Beruf und ihrer Berufung, nämlich Menschen zu heilen.
Auch alle anderen Charaktere, Mitarbeiter im "Missing" oder im New Yorker "Our Lady" werden absolut überzeugend geschildert. Verghese erweckt einen ganzen Kosmos zum Leben, der den Leser von Beginn an in seinen Bann schlägt.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. In großen Lettern stehen Autor und Titel auf dem Cover. Die leuchtenden Farben der untergehenden Sonne prägen das Bild. Im unteren Viertel sieht man die Silhouetten zweier laufender Jungen und eines Hundes.
Das Cover hat mich angesprochen, weil es eine abenteuerliche Stimmung heraufbeschwört. Man rechnet mit den Schilderungen verschiedener Kindheitserinnerungen - und bekommt in dieser Hinsicht auch einiges geboten.


Fazit
"Rückkehr nach Missing" hat mich von der ersten Seite an überzeugt. Als Leser taucht man tief in die (neuere) Geschichte Äthiopiens und in das Leben einer Chirurgenfamilie ein. Ein opulenter Roman, der nach fast 800 Seiten leider schon zu Ende war. Ein Leseerlebnis!



Hinweise
Rezension von Sigrid Grün
Herzlichen Dank an den Insel-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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