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Kategorie: Krimis

Joachim Vernau ist ganz oben in der Berliner Gesellschaft angekommen. Er steht kurz davor, in die wohlhabende und einflussreiche Familie der von Zernikows einzuheiraten, nicht ahnend, dass ihre Ehrbarkeit nicht viel mehr als Fassade ist. Als eine ukrainische Frau auftaucht und behauptet, die von Zernikows haben im Zweiten Weltkrieg eine Zwangsarbeiterin beschäftigt, lässt das Familienoberhaupt sie kurzerhand rauswerfen – nur wenig später wird sie tot aus dem Landwehrkanal gefischt. Vernau beginnt, unangenehme Fragen zu stellen und kommt nicht nur der Identität der Frau, sondern auch dem lukrativen Geschäft mit enteigneter Kunst auf die Spur …

 

  Autor: Elisabeth Herrmann
Verlag: Goldmann
Erschienen: 11/2007
ISBN: 978-3442464555
Seitenzahl: 448 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Joachim Vernau ist Rechtsanwalt und beinahe mit der künftigen Senatorin Sigrun von Zernikow verlobt. Gleichzeitig soll er Partner in der Kanzlei seines zukünftigen Schwiegervaters werden. Als eines Tages in der Villa der Familie eine ukrainische Frau auftaucht und eine Bestätigung haben möchte, dass die von Zernikows im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiterinnen beschäftigt haben, fragt er nach und fällt sofort in Ungnade bei seiner zukünftigen Familie. Gemeinsam mit seiner Exfreundin Marie-Luise versucht er herauszufinden, um was es bei dieser Sache wirklich geht. Dabei stellt sich schnell heraus, dass die Familie der von Zernikows seit 60 Jahren ein Geheimnis mit sich herumträgt, dass unter gar keinen Umständen bekannt werden darf, schon allein weil die Karriere seiner zukünftigen Frau davon abhängt. Außerdem hat Joachim Vernau noch einige andere Probleme zu lösen, angefangen bei seiner Mutter, die seine Aufmerksamkeit mit Ladendiebstahl und Schwächeanfällen erzwingen will, über die Eifersucht diverser Frauen aufeinander bis hin zum Verlust seines Porsche und seiner Wohnung.


Stil und Sprache

Elisabeth Herrmann lebt selbst in Berlin und fängt die speziellen Eigenheiten dieser Metropole geschickt ein, um neben einer Krimihandlung auch ein bitterböses Gesellschaftsbild zu zeichnen. Dabei geht sie weit in die Vergangenheit zurück und nimmt sich des Themas der russischen Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg an. Kaum bekannt ist, dass Zwangsarbeiterinnen keineswegs nur in Fabriken eingesetzt wurden, sondern dass sie genauso als Hauspersonal in den „besseren“ Familien schuften mussten.
Eingebettet in die Geschichte ist außerdem der Handel mit enteigneter Kunst. Diese beiden Themen werden geschickt mit der Gegenwart verknüpft und bilden den Hintergrund für eine flotte Handlung. Schlagfertig und lebendig geschrieben und mit spritzigen Dialogen gespickt, wird die Story trotz des ernsten Themas nie langweilig, auch wenn „Das Kindermädchen“ sicher kein klassischer Krimi ist. Polizei kommt praktisch nicht vor und Joachim Vernau ist alles andere als ein Ermittlungsprofi. Spannend ist es trotzdem, auch wenn zwischendurch manchmal ein bisschen die Luft raus ist. Aber zum Ende hin geht dann richtig die Post ab, da macht das Buch wieder richtig Spaß!


Figuren

Joachim Vernau ist natürlich die Hauptperson dieses Romans, auch wenn er mehr oder weniger unbeabsichtigt in die Sache hineingerät. So ein richtig aktiver Typ ist er nicht, ein bisschen naiv und gutgläubig schaut er zu, wie seine Welt zu Bruch geht: Seine zukünftige Frau traut ihm nicht mehr, die Familienkanzlei muss er verlassen, die Villa auch. Trotzdem verliert er nie seinen Galgenhumor und geht grundsätzlich davon aus, dass sich schon alles wieder fügen wird. Was es dann ja irgendwie auch tut, wenn auch nicht immer so, wie Vernau es sich vorgestellt hat. Entsprechend seiner Rolle wird er lebendig und vielfältig beschrieben, er wird ja schließlich noch für mindestens zwei Fortsetzungen der Reihe gebraucht.

Sigrun von Zernikow ist mit Leib und Seele Politikerin, steckt mitten im Wahlkampf und hat keinen Sinn für irgendetwas anderes. Ihre Familie ist alles für sie, unantastbar und ehrenhaft. Nie würde sie glauben, dass hinter der glitzernden Fassade eine nicht ganz so ehrbare Geschichte steckt. Sigrun bleibt erzählerisch leider etwas eindimensional, auch weil ihre Sichtweise der Dinge nie wirklich beleuchtet wird.

Als kleinen Ausgleich schenkt uns Elisabeth Herrmann einen bunten Reigen an schillernden Nebenfiguren, die allesamt ganz bestimmt ihre Vorbilder in der Wirklichkeit haben, solche Gestalten kann man sich sicher nicht ausdenken!


Aufmachung des Buches
Das mir vorliegende Taschenbuch zeigt den Blick von unten auf die sogenannte „Goldelse“, die Siegessäule in Berlin, zu sehen sind der Saum des Gewandes und ein Teil des Flügels der Victoria-Figur. Titel und Autorin sind in eckiger, sehr schlichter Schrift in grün bzw. weiß gedruckt.


Fazit

Ein schöner Serienstart mit einer interessanten Hintergrundgeschichte, tollem Personal und gut ausgedachter Story. Nicht der ganz große Wurf, aber durchaus lesenswert!


3 5 Sterne


Hinweise
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