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Kategorie: 1450 – 1600 Renaissance

Frankreich 1498: Anne de Bretagne, Herzogin der Bretagne und Königin von Frankreich, hat bereits zwei Ehen hinter sich: König Maximilian I. hat sie nie kennengelernt, da die Ehe per procurationem geschlossen wurde. Ihr zweiter Mann König Karl VIII. kam unter mysteriösen Umständen ums Leben, all ihre sechs Kinder sind ebenfalls tot. Als sie die Hoffnung auf die wahre Liebe bereits aufgegeben hat, lernt sie Jean de Thyberon kennen, einen Ritter des Michaelsordens - und sieht sich plötzlich ihrem Seelenpartner gegenüberstehen. Nach einigen wunderschönen Monaten mit diesem gebildeten und humorvollen Mann müssen sich ihre Wege wieder trennen, denn das Protokoll befiehlt, dass Anne König Ludwig XII. zu heiraten hat. Ich darf dich nicht lieben - so der Imperativ, der gleich einem Damoklesschwert über der Romanze der beiden schwebt. 

 

Verbotene Versprechen 

Autorinnen: Valeska Réon und Charlotte H. Schwarz 
Verlag: Pinguletta Verlag
Erschienen: 30. Dezember 2022
ISBN: 978-3-948063-41-2 
Format: eBook 7893 KB
Seitenzahl: 325 Seiten der Printausgabe

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Die Grundidee der Handlung
Anne de Bretagne (1477-1514) war die letzte aus eigenem Recht regierende Herzogin der Bretagne, da dort nicht - wie im Königreich Frankreich – das Salische Gesetz galt, das nur männliche Thronerben zuließ. Ihr Vater Franz II. erzog sie schon sehr früh zu seiner Nachfolgerin und Anne erhielt eine umfassende Bildung, lernte mehrere Sprachen und wurde von ihm auch in die Regierungsgeschäfte eingeführt. Als er 1488 starb war seine Tochter 11 Jahre alt und wurde 1489 als Zwölfjährige zur Herzogin gekrönt. Für uns ist das heute kaum fassbar, aber im 15. Jahrhundert galt man in diesem Alter schon als erwachsen und - was das weibliche Geschlecht betraf – als heiratsfähig. Annes Erbe erweckte Begehrlichkeiten, vor allem die ihres unmittelbaren Nachbarn, des französischen Königs. War doch der Besitz ihres Landes ein wichtiger Schutz gegen die immer noch bestehende Gefahr einer Invasion der englischen Könige, die sich seit Edward III. auch als Herrscher Frankreichs bezeichneten.
Daher war es nur folgerichtig, dass Anne mit allen Mitteln zu einer Ehe mit König Karl VIII. von Frankreich gebracht werden sollte. Auf ihre eigenen Wünsche und Gefühle wurde dabei keine Rücksicht genommen. Aber Anne war trotz ihres jugendlichen Alters nicht das willfährige „Spielzeug“, das ihre Widersacher in ihr sahen.
Ihr Leben und ihren Kampf um ihr persönliches Glück schildern die beiden Autorinnen mit viel Einfühlungsvermögen und Glaubwürdigkeit. Dabei wird der Hintergrund der tatsächlichen historischen Ereignisse sehr authentisch und nachvollziehbar wiedergegeben.


Stil und Sprache
Dieser Roman ist von zwei Autorinnen geschrieben worden. Außer im Prolog und im 10. - dem letzten - Kapitel fungieren beide abwechselnd als Ich-Erzähler(in), wobei jede von ihnen dauerhaft einen Part übernommen hat - und zwar sehr stimmig und ohne Brüche - Valeska Réon den der Anne und Charlotte H. Schwarz den von Jean de Thyberon.
Während Valeska Réon sich bei ihren Recherchen auf die bekannten Quellen über Anne stützen konnte, musste Charlotte Schwarz für Jean ein fiktives Leben „erfinden“, das zu ihm und in die geschilderte Zeit passt. Von seinem Werdegang lässt sie „ihn selbst“ in Rückblicken berichten, kurz bevor er Anne 1498 zum ersten Mal persönlich begegnet.
Anne dagegen beginnt ihre Schilderung 1490 am Tage ihrer Hochzeit mit dem deutschen König Maximilian, den sie allerdings nur „per procurationem“ - also mit einem Stellvertreter - heiratet, wodurch diese Ehe nicht wirklich „vollzogen“ wird, was entscheidenden Einfluss auf ihr weiteres Schicksal hat. Aber auch sie erinnert sich in kurzen Szenen an ihre Kindheit, ihre Ausbildung, vor allem aber an ihr inniges Verhältnis zu ihrem Vater.
Durch diese Erzählweise ist man immer sehr nah am Geschehen, kann sich gut in beide Figuren hineinversetzen, und ihre Gedanken und Gefühle jederzeit nachvollziehen.

Sprachlich ist der Roman ein absoluter Lesegenuss – sowohl passend für die beschriebene Epoche, als auch durch einige ganz besonders hervorzuhebende Zugaben:
Alle 10 Kapitel enden mit einem „Sinnspruch“ - einer Art "moralischen Erkenntnis" - die nicht nur sehr gut die Handlung und die Situation der beiden Hauptpersonen zusammenfasst, sondern auch heute noch für manchen Leser persönlich eine tiefere Bedeutung haben könnte.
Zwei Zitate als Beispiele:

»Als Kind denkst du,
du würdest immer beschützt und umsorgt.
Doch dann, eines Tages, öffnest du die Augen
und dir wird klar, was du wirklich durchmachen musst.«

"Selbst der Tod kann die wahre Liebe nicht aufhalten -
er vermag sie höchstens für eine Weile aufzuschieben"

Diese Verse stammen von Valeska Reón selbst, wie ich auf Nachfrage bezüglich der Quellen von ihr erfuhr.
Ich finde sie sehr berührend, da sie zeitlos sind und zeigen, dass die meisten Menschen – von welchem Stand und aus welchem Jahrhundert auch immer – sich nach Wärme, Empathie und Liebe sehn(t)en.


Figuren
Anne de Bretagne – regierende Herzogin und zweifach gekrönte Königin – ist eine historisch sehr wichtige Person, denn durch sie wurde die Bretagne endgültig mit Frankreich vereinigt.
Trotzdem ist sie heute relativ unbekannt, was in erster Linie daran liegt, dass sie eine Frau war, und damit für ihre beiden königlichen Gatten nur im Hinblick auf ihr Herzogtum – das für immer an Frankreich fallen sollte – und ihre Fähigkeit, einen männlichen Thronerben zu gebären, überhaupt akzeptabel. Dass Anne – im Gegensatz zu Karl und Ludwig – sehr gebildet und bei ihren Landsleuten außerordentlich beliebt war, spielte keine Rolle, denn als „gehorsame Ehefrau“ hatte sie keinerlei Rechte mehr, selbst gegenüber ihren eigenen Untertanen.
Aus ihren 11 Schwangerschaften in zwei Ehen überlebten nur die beiden Töchter mit Ludwig XII., was nicht nur die französische Thronfolge änderte, sondern auch ihr größtes Leid war.
Karl VIII. und Ludwig XII. sind in diesem Roman so dargestellt, wie die geschichtlichen Fakten ihr Leben und ihre Handlungen wiedergeben.
Die meisten der weiteren Personen sind ebenfalls historisch, sei es Anne de Beaujou - die für ihren minderjährigen Bruder Karl jahrelang die Regenschaft führte, oder Jeanne de Laval, die zweite Frau König Renés von Anjou, vor allem aber Annes Kanzler und Berater Philippe de Montauban – sie alle agieren so, wie es von ihnen aus den verschiedenen Quellen bekannt ist.
Jean de Thyberon ist eine fiktive Figur, aber es ist durchaus möglich, dass er stellvertretend für einen Mann steht, bei dem Anne in der kurzen Zeit zwischen ihren beiden Heiraten – die sie nicht gewollt, sondern einzig zum Wohle ihres Herzogstums geschlossen hat – echte Liebe und ein heimliches Glück fand. Es wird sich heute nicht mehr feststellen lassen, aber für mich persönlich ist der Maßstab für einen guten historischen Roman: „Es könnte so gewesen sein“, und ich würde es ihr wirklich von Herzen gönnen, dass es so war.


Aufmachung des Buches
Das Cover zeigt auf grauem Hintergrund eine junge Frau, deren Aufmachung nicht unbedingt in die Zeit der Renaissance passt, vor allem, was die Frisur und das Make Up – das man eher heutzutage verwendet – betrifft. Ich habe das eBook rezensiert, beschreibe aber die Abbildung des Prints.
Das eBook beginnt mit dem Ausblick auf die Handlung – also mit dem Klappentext der Printausgabe – und einem Inhaltsverzeichnis.
Auf den Prolog vom 9. Januar 1514 folgen 10 Kapitel, deren letztes mit dem 15. Februar 1514 – dem Tag von Annes Beisetzung – endet. Jedes dieser Kapitel hat ein Vorsatzblatt, das datiert, mit Ortsnamen versehen und mit einer Grafik ausgeschmückt worden ist.
Der Epilog könnte auch als „Nachwort“ bezeichnet werden, denn er enthält einen Ausblick auf die weiteren Geschehnisse bezüglich einiger historischer Personen. Dass/ob Jean de Thyberon eine fiktive Figur ist, wird bewusst offen gelassen.
Dem Dank folgen Informationen über die beiden Autorinnen, das Impressum, sowie eine Büchervorschau auf weitere Veröffentlichungen des Pinguletta Verlages.


Fazit
Seit ich vor über zwanzig Jahren in „Die französischen Königinnen“ von Gerd Treffer Näheres über Anne von Bretagne – die zweimalige Königin von Frankreich, die bis dahin immer nur eine Randfigur für mich war – gelesen habe, wartete ich sehnsüchtig auf ein Buch in deutscher Sprache über diese bemerkenswerte historische Frauengestalt.
Valeska Réon und Charlotte H. Schwarz haben mir nicht nur diesen Wunsch endlich erfüllt, sondern auch die Herzogin-Königin durch ihren fesselnden und sehr authentischen Roman nach mehr als 600 Jahren zum Leben erweckt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht.
Ein großartiges Werk, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.


5 Sterne


Hinweise
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