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Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen von Irland geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Cal gerät in eine Suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt.

 

 Der Sucher

Originaltitel: The Searcher
Autor: Tana French
Übersetzer: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag: Fischer Scherz Verlag
Erschienen: 29. September 2021
ISBN: 978-3651025677
Seitenzahl: 496 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Vom hektischen Polizistenleben in Chicago in die vermeintlich romantische Provinz Irlands. Cal Hooper, Ende vierzig und frisch geschieden, hängt seinen aufreibenden Job an den Nagel und zieht in die irische Einsamkeit ins fiktive Ardnakelty. Er kauft ein heruntergekommenes Haus, legt liebevoll Hand an, fügt sich in die Dorfgemeinschaft ein und ist zufrieden, keiner kräftezehrenden Polizeiarbeit mehr nachgehen zu müssen.

Nach vier Monaten aber ist es wieder da: das Brennen im Nacken. Nach fünfundzwanzig Jahren Polizistendasein hat er ein untrügliches Gespür dafür, wenn Gefahr in Verzug ist. Die Gefahr stellt sich als ein dreizehnjähriger Teenager heraus, der langsam in Cals Leben eindringt. Die Buschtrommeln im Dorf funktionieren hervorragend und Trey, verarmter Sprössling einer siebenköpfigen Familie, weiß von Cals früherem Leben als Polizist. Er bittet ihn eindringlich, nach seinem verschwundenen neunzehnjährigen Bruder Brendan zu suchen. Cal verspürt dazu wenig Lust, aber Trey lässt nicht nach und hilft dem ehemaligen Polizisten bei der Sanierung des Hauses.

Widerwillig stimmt Cal zu, sich der Sache anzunehmen. Aber nicht nur die Suche nach Brendan beunruhigt ihn, auch die grausam verstümmelten Schafe auf den umliegenden Weiden sind alarmierend. Irgendetwas stimmt mit diesem Dorf nicht und Cal lässt sich immer weiter in die zwielichtigen Geschehnisse hineinziehen.


Stil und Sprache
Obgleich der Einstieg in die Handlung eher gemächlich ist, ist sie gleich da, die Atmosphäre. Mit Hingabe entwirft die Halbirin Tana French Szenen, in denen die Geschichte innehält, der Leser verschnaufen kann und sich dennoch der Plot nach und nach aufbaut. Es knistert zwischen den Zeilen, die harmlosen Dorfbewohner werden sukzessiv wie eine Zwiebel gehäutet und die erstarrte Struktur des Sozialgefüges aufgeblättert. French porträtiert das abgelegene Dorf mit seinen Wetterkapriolen ebenso wie ihre zum Teil schrulligen, zum Teil listigen Dorfbewohner, die ihr dunkles Geheimnis hüten wie einen Schatz.

Der Roman wird von Frenchs ruhiger Erzählweise geprägt, ohne dabei langweilig zu wirken. Sie lässt sich Zeit, ihren spröden Protagonisten Cal zu entwickeln, aus dessen Sicht wir das abgelegene Dorf und die Befindlichkeiten der Dorfbewohner miterleben. Kurze Begegnungen mit seinem Nachbarn Mart, knappe Gespräche im Tante-Emma-Laden, das Ritual der scheinbaren Aufnahme in die Dorfgemeinschaft im Pub zeichnen ein feines Psychogramm von Ardnakelty und dessen Bewohner.

French vermeidet die handlungsgetriebenen Whodunits. Sie setzt auf eine atmosphärisch dichte Western-Erzählstruktur, in der der einsame Cowboy nach anfänglichem Widerwillen sich der Gerechtigkeit annimmt.


Figuren
Cal wundert sich, warum es niemanden im Dorf interessiert, dass ein Junge seit einigen Monaten verschwunden ist. Nachdem er Freundschaft mit Trey schließt, erfährt er, dass die Familie als Problemfamilie gilt und man deretwegen nicht die Finger schmutzig machen sollte und er vermutlich einfach nur abgehauen ist.

Cals Rolle als Fremder ermöglicht es ihm, Fragen zu stellen. Zunächst nehmen sie den Fremden in ihre skurrile Dorfgemeinschaft freundlich auf. Er schließt Freundschaft mit seinem geschwätzigen Nachbarn Mart, entgeht den Verkupplungsversuchen Noreens, die den Tante-Emma-Laden in dem Dorf führt, mit deren Schwester Lena, und geht sogar ins Sean Og, einen heruntergekommenen Pub und beobachtet das seltsame Treiben. Der Farmer Bobby glaubt an Aliens, Donie macht auf wichtig, weil er mit Kriminellen aus Dublin rumhängt und Malachy bringt selbstgebrannten Schnaps in den Pub. Cal fügt sich in diese Dorfgemeinschaft ein, gewöhnt sich an, die Dinge laufen zu lassen, nichts zu hinterfragen. Denn schnell kann sich das Blatt wenden und er zum Außenseiter werden. Die Alten im Dorf akzeptieren ihn als kuriosen Ausländer, den es ausgerechnet in die hinterste Provinz Irlands verschlagen hat.

Aber mit der Zeit werden die Dorfbewohner durch Cals Fragerei unruhig und er spürt eine allgegenwärtige subtile Gefahr. Erst als sich herausstellt, dass Trey ein Mädchen ist, Cal hat sie bisher für einen Jungen gehalten, die aus sehr armen Verhältnissen stammt, gerät er selbst in Gefahr. Sein Nachbar Mart, der immer genau zu wissen scheint, was in Cals Haus vorgeht und der auf der Suche nach Treys Bruder Brendan ist, spricht rätselhafte Warnungen aus, die Cal anfänglich ignoriert. Erst als Trey zusammengeschlagen und schwer verletzt vor seiner Tür auftaucht, versteht er, seine Fragerei im Dorf behagt einigen Dorfbewohnern nicht. Cal kommt nicht umhin, jemanden aus dem Dorf um Hilfe zu bitten. Ausgerechnet Lena, mit der er verkuppelt werden soll, ist die Einzige zu der er Vertrauen hat.

French porträtiert ihr kurioses Figuerenarsenal liebevoll und zweideutig. Besonders Trey, ein Mädchen mit Ecken und Kanten und einem unerschütterlichen Dickkopf, ist wunderbar gelungen. Dennoch schießt sie manches Mal über das Ziel hinaus und so trieft es bei den Männern oft vor Testosteron und sie handeln klischeehaft.

Aufmachung des Buches
Das Hardcover-Buch ziert ein wunderbar düsteres Bild mit einer im Wind wehenden Graslandschaft und sich zusammenziehenden Gewitterwolken. Eine mit Bedacht gewählte Metapher für die gesamte Handlung.


Fazit
Tana French schreibt keine reinen Kriminalromane. Es sind die leisen Töne und die verschlungenen Pfade, die den Reiz des komplexen Romans ausmachen.


4 Sterne


Hinweise
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