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Kategorie: 1800 – 1900 Romantik, Biedermeier, Gründerzeit usw

Ende 1815, Zeit der Restauration: Die junge Witwe Henriette wird nachts aus dem Schlaf gerissen und muss laut Polizeierlass binnen einer Stunde Preußen verlassen. Ihre Schilderungen des Kriegsleides und Herrscherversagens vor, während und nach der Völkerschlacht haben in allerhöchsten Kreisen Missfallen geweckt. Der Oheim Friedrich Gerlach, Verleger und Buchhändler im sächsischen Freiberg, nimmt sie auf. Doch rasch merkt sie, dass sich auch hier die Zeiten geändert haben: verschärfte Zensur, die Rückkehr zum Korsett und der gesellschaftliche Druck, sich wieder zu vermählen, setzen ihr zu. Mit der Rückkehr des wie sie traumatisierten Kriegsfreiwilligen Felix Zeidler trifft sie einen Freund und Vertrauten wieder. Doch erst nach einer drohenden Katastrophe wird ihr klar, dass er ihr mehr als nur ein Freund ist. Gemeinsam stellen sich Felix und Henriette gegen den aufziehenden Geist, in dem Bücherverbrennungen und Attentate als Heldentaten gefeiert werden.
Ein großer historischer Roman, wie ihn nur eine Sabine Ebert schreiben kann - perfekt recherchiert, hochemotional und von erstaunlicher Aktualität.

 

Die zerbrochene Feder 

Autor: Sabine Ebert
Verlag: Knaur Ebook
Erschienen: 2. November 2021
ISBN: 978-3-426-45737-5
Seitenzahl: 471 Seiten der Printausgabe

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Die Grundidee der Handlung
1815 sind die jahrelangen, blutigen und verlustreichen Kriege gegen Napoleon Bonaparte beendet und Europa sollte eigentlich zur Ruhe kommen.
Aber die Wunden sind tief und das Misstrauen groß.
Das muss auch die junge Offizierswitwe Henriette erfahren, die ihre traumatischen Erlebnisse als Pflegerin auf den verschiedenen Schlachtfeldern in einem Buch zu verarbeiten suchte und sich damit bei der Obrigkeit verdächtig gemacht hat.
Sabine Ebert erzählt die Geschichte der – fiktiven – Hauptperson aus ihren Romanen „1813 – Kriegsfeuer“ und „1815 – Blutfrieden“ weiter und bietet dabei ihren Lesern einen tiefen Einblick in die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dieser Zeit.


Stil und Sprache
Die Autorin hat mit „1813" und "1815“ zwei großartige Romane über die letzten und entscheidenden Schlachten – bei Leipzig und bei Waterloo – gegen Napoleon geschrieben. Band 1 erschien zum 200. Gedenken an den Jahrestag der „Völkerschlacht“ und könnte schon beinahe als „Sachbuch“ bezeichnet werden, wenn Sabine Ebert nicht mit der fiktiven Figur der Henriette einen gewissen Ausgleich zu einer „trockenen“ Aufzählung der einzelnen Kämpfe und des Kriegsgeschehens geschaffen hätte. Deren Schicksal und ihre bedrückenden Erfahrungen als Lazarettpflegerin haben ihrem Publikum die tatsächlichen historischen Ereignisse erst wirklich nahe gebracht. Daher war es nur folgerichtig – und wohl auch von vielen Lesern erhofft – dass Henriettes Leben hier eine Fortsetzung findet. Man muss die beiden anderen Bücher nicht unbedingt gelesen haben, aber es wäre natürlich wünschenswert, um alles Geschilderte richtig zu verstehen. Allerdings bietet dieses Buch einige Rückblicke, die es erleichtern, die gesamte Handlung ohne die Vorgänger nachzuvollziehen.
Die Zeit unmittelbar nach dem Kriegsende 1815 ist sehr eindrücklich und authentisch wiedergegeben. Sachsen, dessen König Friedrich August I. bis zuletzt an der Seite der Franzosen stand, zahlte dafür einen hohen Preis, indem große Teile des Landes an Preußen fielen, was auch den Argwohn und die Bespitzelungen zwischen den beiden Staaten – und gegenüber den Hauptfiguren des Romans, von denen einige tatsächlich historisch sind – erklärt.
Dieses Buch unterscheidet sich sehr von „1813" und "1815“, weil es nicht nur sachlich die belegten Tatsachen der verschiedenen Kriegshandlungen aufzählt, sondern Menschen und ihre Schicksale in den Mittelpunkt stellt, die wirklich so gehandelt haben und gewesen sein könnten.
Die Autorin beschreibt das Geschehen sehr glaubwürdig, leicht und flüssig lesbar und mit großer historischer Genauigkeit. Die ausdrucksstarke Sprache im Kontext der geschilderten Zeit tut ein Übriges, um die Handlung für den Leser spannend und interessant zu machen.


Figuren
Henriette ist – wie bereits erwähnt – eine fiktive Person, aber es gelingt Sabine Ebert ganz hervorragend, sie mit den echten historischen Figuren und Begebenheiten in Einklang zu bringen.
Als gebürtige Sächsin, die bei ihren Schwiegereltern in Berlin – also Preußen – lebt, prangert Henriette in einem Buch schonungslos das Leiden der Soldaten, aber auch der Zivilbevölkerung an und muss erleben, dass ihr Werk der strengen Zensur zum Opfer fällt, sie selbst ausgewiesen wird und auch in Freiberg/Sachsen bei ihren Verwandten unter Beobachtung steht. Sie wird zerrissen zwischen ihrem Drang, zu schreiben und der Angst, sich und ihre Angehörigen ins Unglück zu stürzen, da die Behörden sich nicht scheuen, ganze Familien in "Sippenhaft" zu nehmen. Zudem ist sie als Witwe und Mutter eines kleinen Sohnes, in dieser – von Männern bestimmten – Zeit gesellschaftlichen Zwängen unterworfen, denen sie sich nicht immer entziehen kann.
Aber auch die jungen Männer - Studenten, Gesellen und heimgekehrte Kriegsteilnehmer - müssen erkennen, das die „Befreiungskriege“ ihnen durchaus nicht die Freiheit gebracht haben, die sie sich erhofften und das - von ihnen ersehnte - vereinigte Deutschland vorerst noch in weiter Ferne liegt. Henriettes Bruder und ihr Cousin werden das sehr schmerzlich erfahren und dürfen froh sein, dass das Eingreifen von Felix ihnen ein – wahrscheinlich – schlimmes Schicksal erspart.
Im Personenverzeichnis gibt es sehr viele bekannte Vertreter dieser Epoche – Herrscher, Politiker, Verleger, Schauspieler u.a. – die Sabine Ebert glaubwürdig und nachvollziehbar mit Henriettes und Felix´ Schicksal verknüpft.
Alle ihre Akteure – ob fiktiv, oder historisch – charakterisiert sie sehr überzeugend und mit großem Einfühlungsvermögen. Man kann ihre Freuden und Sorgen mitempfinden, sich in sie hineinversetzen und Interesse und Anteilnahme für sie entwickeln.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Ebooks zeigt eine junge Frau, die – in einem Buch lesend - an einem kleinen Tisch sitzt, auf dem eine Teetasse steht und noch zwei weitere Bücher liegen. Ihre Frisur, sowie die Möbel und die gerafften Gardinen im Hintergrund passen in die geschilderte Zeit des beginnenden Biedermeier (1815-1848)
Nach der Inhaltsübersicht und einer Karte des Deutschen Bundes um 1815 gliedert sich die Handlung in 4 Hauptabschnitte, die jeweils in mehrere Kapitel mit aussagekräftigen Überschriften oder Ortsnamen unterteilt sind und den Zeitraum von November 1815 bis Herbst 1819 umfassen.
In Epilog I. kommt Henriettes Geschichte zum Abschluss, während Epilog II. Bemerkungen zu wichtigen historischen Figuren und Ereignissen enthält.
Auf Nachwort und Danksagung der Autorin folgen ein Personenverzeichnis, ein Glossar und ein Stadtplan von Freiberg/Sachsen


Fazit
Über Napoleon und seine Zeit habe ich schon sehr viel gelesen, aber ich muss gestehen, dass ich von den Jahren unmittelbar nach seinem Sturz nur wenig wusste. Die „Karlsbader Beschlüsse“ und das Attentat an August von Kotzebue waren mir zwar bekannt, aber die tatsächlichen Zusammenhänge sind erst durch dieses Buch für mich klar geworden. Insofern hat Sabine Ebert mit „Die zerbrochene Feder“ eine Bildungslücke bei mir geschlossen.
Ich freue mich immer sehr, wenn mich ein historischer Roman nicht nur gut unterhält, sondern ich auch noch etwas Neues aus ihm lernen kann.
Daher gibt es von mir eine klare Leseempfehlung.


5 Sterne


Hinweise
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