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Kategorie: Geschichte

Die Herzöge und Prinzessinnen von Leuchtenberg sind heute beinahe in Vergessenheit geraten, obwohl sie nach dem Haus Wittelsbach das zweitwichtigste Adelsgeschlecht im Königreich Bayern waren. Ohne die Hochzeit der Stammeltern, dem italienischen Vizekönig Eugène de Beauharnais, ein Adoptivsohn Kaiser Napoléons I., mit der Wittelsbacher Prinzessin Auguste Amalie, hätte die Erhöhung Bayerns zum Königreich durch Kaiser Napoléon I. nicht stattgefunden. Mit dem Schicksal der Leuchtenberger ist eine überaus packende und zugleich dramatische Geschichte verbunden, die weit über Bayern und auch über Europas Grenzen hinausweist. Zahlreiche Quellentexte und größtenteils nichtpublizierte Abbildungen verdeutlichen in diesem Prachtband ihren Aufstieg, ihre künstlerische Begabung und ihren höfischen Glanz in den europäischen Monarchien des 19. Jahrhunderts, ebensowie ihren Untergang infolge von Krankheit, Russischer Revolution und Weltwirtschaftskrise.
Ein prachtvolles Standardwerk zur bayerischen und europäischen Geschichte!

 

Napoleons Erben 


Autor: Bernhard Graf
Verlag: Allitera Verlag
Erschienen: 19. Oktober 2021
ISBN: 978-3-96233-211-2
Seitenzahl: 268 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Bayern 1806: Napoleon Bonaparte - Kaiser der Franzosen – hoffte, die Anerkennung und Legitimierung seiner Herrschaft bei den vornehmen alten Dynastien zu erreichen, indem er zwischen ihnen und seiner engsten Verwandschaft  Verbindungen durch mehrere Heiratsprojekte knüpfte. Prinzessin Auguste Amalie v. Bayern hatte er seinem Stiefsohn Eugène de Beauharnais zugedacht. Diese Ehe machte er nicht nur zur Bedingung für die Standeserhöhung des Kurfürsten Maximilian Joseph zum König, sondern drohte ihm auch, im Falle einer Weigerung, Bayern einem seiner eigenen Brüder zu übergeben – wie er es bereits mit Neapel und Holland plante. Prinzessin Auguste – als Wittelsbacherin Angehörige eines der ältesten deutschen Herrscherhäuser – brachte ihrer Familie und ihrem Land das Opfer, einen völlig Fremden, der ihr nicht ebenbürtig war, zu heiraten - und wurde sehr glücklich mit ihm.

Bernhard Graf schildert in diesem großartigen Sachbuch die Geschichte des Ehepaares – vormals Vizekönig und Vizekönigin von Italien und Napoleons Gnaden – nach dessen Sturz dann in Bayern von Augustes Vater zu Herzögen von Leuchtenberg und Fürsten von Eichstätt erhoben. Ihre Kinder heirateten in die Kaiser- und Königshäuser von Brasilien, Portugal, Schweden und Russland und deutsche Adelshäuser ein, und sie und ihre Nachkommen sind heute noch in den Ahnentafeln der skandinavischen Dynastien, sowie der Regenten von Belgien und Luxemburg zu finden. Auch deren Werdegang kann der interessierte und begeisterte Leser hier sehr intensiv miterleben. Der Bogen spannt sich von 1805 bis in das Jahr 2021, als der fast 90jährige Herzog Nikolaus von Leuchtenberg – der dem russischen Zweig der Familie entstammt – das Vorwort zu diesem Bildband verfasste.

Waren bereits die Stammeltern der Dynastie bemerkenswert gutausehende, künstlerisch begabte und dabei doch sehr bescheidene Menschen, findet man das alles in ihren Kindern und Enkeln wieder. Die wunderschönen Familienbilder zeigen durchweg sehr sympathische, attraktive Persönlichkeiten, die beim Betrachter Interesse und Bewunderung erwecken. Viele der Illustrationen sind Zeichnungen und Aquarelle der jungen Prinzen und Prinzessinnen, die Aufschluss darüber geben, wie sie selbst ihre Umgebung wahrnahmen und ihre Zeit verbrachten. Andere – sowohl Gemälde, als auch Fotografien - bieten mit Ansichen der verschiedenen Wohnsitze, der repräsentativen, sakralen und privaten Räumlichkeiten, Gartenanlagen, aber auch Darstellungen von Kurorten und anderen Reisezielen, einen tiefen Einblick in ihr offizielles und familiäres Leben.
Besonders beeindrucken die Bilder der kostbaren Schmuckstücke. Das Diadem der Kaiserin Joséphine gehört jetzt zum schwedischen Kronschatz und wurde von Königin Silvia und ihrer Tochter Viktoria zur Hochzeit getragen. Durch ihre Enkelin Joséphine von Leuchtenberg - Gattin König Oskars I. - kam es in den Besitz des bis heute regierenden Hauses Bernadotte.
Dieser Bildband ist ein Sachbuch, aber er liest sich durchaus nicht trocken, sondern leicht und flüssig. Bernhard Graf erzählt die Geschichte der Leuchtenberger sehr interessant und authentisch. Auszüge aus vielen Originalbriefen der Familie machen sie zu etwas ganz besonderem.
Die Beschreibung der täglichen Erlebnisse, der Schlachten, die Eugène mitgemacht hat, der Ängste, die seine Frau um ihn ausstand und der Liebe und Wertschätzung, die beide füreinander empfanden und immer wieder ausdrückten – zur damaligen Zeit nicht eben selbstverständlich – berühren selbst heute noch, ebenso wie die weniger bekannten Lebensgeschichten ihrer Kinder und Enkel.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist mit den Maßen von 30x25cm und 1,6 Kilo Gewicht schon äußerlich sehr aufwendig und das Innere hält, was es verspricht. Es ist in weißes Leinen gebunden, in schwarzer Schrift sind Titel und Verlag aufgedruckt, auf dem Rücken noch zusätzlich der Name des Autors. Der Schutzumschlag zeigt vorn Vizekönigin Auguste Amalie von Italien mit ihren Töchtern Joséphine und Eugénie auf einem Gemälde von Andrea Appiani (1809) und auf der Rückseite über dem Klappentext das Wappen der Herzöge von Leuchtenberg und Fürsten von Eichstätt. Auf dem inneren Vorsatzblatt befindet sich das Gemälde von François-Guillaume Ménageot, von der Ziviltrauung der Prinzessin Auguste von Bayern mit Eugène de Beauharnais am 13. Januar 1806 in der Grünen Galerie der Müncher Residenz.

Auf drei Geleitworte der Herzöge Max Emanuel in Bayern und Nikolaus von Leuchtenberg, sowie dem Vorsitzenden des „Freundeskreises Leuchtenberg e.V.e.“ folgt ein Prolog, der sich mit der – kaum vorhandenen – Erwähnung des Prinzen Eugène de Beauharnais in den verschiedensten Verfilmungen zum Thema „Napoleon Bonaparte“ seit den Anfängen des Kinos befasst. Siebzehn große Abschnitte sind den einzelnen Mitgliedern der Familie gewidmet und – entsprechend ihrer Bedeutung, bzw. ihrer Lebensdaten – in mehr oder weniger zahlreiche Unterkapitel mit aussagekräftigen Überschriften eingeteilt. Eine Vielzahl von – oft ganzseitigen, meist noch nie veröffentlichten – Abbildungen machen das Buch zu einem ganz ungewöhnlichen Prachtstück.

Dem Nachwort und den Anmerkungen zu den Fußnoten schließt sich der Anhang mit einem Überblick über die Archive, das Literaturverzeichnis und den Bildnachweis an. Der Dank des Autors und ein Grußwort des Bügermeisters der Gemeinde Markt Leuchtenberg in der Oberpfalz beschließen das Buch. Die lose eingelegte Genealogie der Herzöge von Leuchtenberg ermöglicht es, die jeweiligen Familienangehörigen auch während des Lesens zuzuordnen, ohne dafür blättern zu müssen. Ein Lesebändchen vervollständigt die hervorragende Ausstattung.


Fazit
Die Herzöge von Leuchtenberg und Fürsten von Eichstätt waren im 19. Jahrhundert tatsächlich – nach den regierenden Wittelsbachern – die vornehmste Familie im Königreich Bayern. Dass aus der praktisch von Napoleon erzwungenen Heirat von Eugène und Auguste eine echte Liebesbeziehung werden würde, hätte wohl niemand zu hoffen gewagt, am wenigsten die vorher sehr unglückliche Braut. Durch die vielen, wunderschönen Fotos und die detaillierten und einfühlsamen Beschreibungen des Autors  kommen dem Leser die Personen, ihr Leben und ihr Umfeld sehr nah. Ein wirklich bemerkenswertes Buch, das dieser – zu Unrecht – fast vergessenen Dynastie ein würdiges Denkmal setzt.


5 Sterne


Hinweise
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