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„Nachdem wir Ellen an der Straße zurückgelassen hatten, fuhren wir schweigend den Berg hinauf. Ich sah mir an, wie das Scheinwerferlicht des Wagens auf die Bäume traf, wenn wir um eine Kurve bogen. Jedes Mal, wenn unsere Mutter runterschaltete und langsamer wurde, hoffte ich, sie würde sich besinnen, wenden, zurückfahren und Ellen von der Straße holen, und keiner von uns würde mehr wütend sein, weil wir alle so dankbar wären, sie wieder sicher bei uns im Auto zu haben. Aber wir fuhren weiter.“

 

Licht zwischen den Baeumen 

Originaltitel: A Crooked Tree
Autor: Una Mannion
Übersetzer: Tanja Handels
Verlag: Steidl
Erschienen: 08/2021
ISBN: 978-3958299733
Seitenzahl: 344 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Am liebsten würde die vierzehnjährige Libby den Sommer wie immer mit ihrer Freundin Sage verbringen. In ihrem heimlichen Königreich im Wald lauwarmes Bier trinken, reden und Menthol-Zigaretten rauchen. Doch diese Ferien fangen gar nicht gut an. Auf der Fahrt von der Schule nach Hause herrscht im Auto dicke Luft. Die fünf Geschwister liegen sich in den Haaren, und Libbys kleinere Schwester Ellen bringt die Mutter zur Weißglut. So sehr, dass sie am Straßenrand anhält und ihre Tochter auffordert, auszusteigen. Ellen kommt zwar irgendwann nach Hause, doch was sie erlebt hat, löst eine Kette von Ereignissen aus, die Libbys Leben vollkommen verändern.

Una Mannion hat ihre Geschichte zu Beginn der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts angesiedelt, was zunächst etwas fremd wirkt, aber im Nachhinein betrachtet das perfekte Setting ist für das, was sie erzählen möchte. Allerdings kann ich etwas nicht finden, was auf der Buchrückseite von einem Rezensenten erwähnt wird: Das gruselige Finale ist mir verborgen geblieben. Dafür bekommt man ein zeitweise beängstigendes Psychogramm einer zerstörten Familie und die Geschichte des Endes einer Kindheit.


Stil und Sprache
Libby erzählt die komplette Geschichte aus ihrer Sicht und in der Ich-Perspektive. Dadurch kommt man ihr sehr nahe, muss sich aber erst daran gewöhnen, dass sie ja erst vierzehn ist. Ihr Blick ist geprägt von Erinnerungen an ihren verstorbenen Vater, das Verhältnis zu ihrer Mutter ist eher distanziert, woran aber die Mutter nicht ganz unschuldig ist.

Es gibt immer wieder Rückblenden, die aus eben diesen Erinnerungen Libbys entstehen, so entsteht nach und nach vor dem inneren Auge des Lesers das Bild einer fast dysfunktionalen Familie, die sich förmlich durchs Leben kämpft. Und mittendrin Libby, die versucht, alles richtig zu machen und die doch scheitert. Das liest sich teilweise spannend (wenn es um die aktuelle Geschichte geht) und teilweise fühlt man mit diesen vernachlässigten Kindern, von denen jedes eigene Wege findet, mit dem Verlust des Vaters und irgendwie auch der Mutter umzugehen. Vor allem letzteres versteht Una Mannion sehr sensibel darzustellen und schafft so eine ganz besondere Atmosphäre, die die ganze Geschichte durchzieht. Da macht es nur wenig aus, dass sie immer wieder sehr weit von der eigentlichen Handlung abschweift.


Figuren
Libby steht natürlich im Mittelpunkt der Geschichte, sie ist ein typischer Teenager und weiß noch nicht, was sie vom Leben erwartet und was auch das Leben von ihr erwartet. Sie probiert sich aus, tut, was sie für richtig hält und gerät doch immer wieder in Situationen, die sie nicht kontrollieren kann.

Die anderen Geschwister haben unterschiedlich große Bedeutung für die Handlung. Marie als Älteste zieht an ihrem achtzehnten Geburtstag aus und hat danach nur kleine Auftritte. Ellen hat zwar eine größere Rolle inne, bleibt aber dennoch irgendwie rätselhaft, genau wie Thomas, der einzige Junge. Beatrice ist die Kleinste und wird von der Mutter als einzige umsorgt. Die Mutter der fünf Geschwister bleibt mir ein Rätsel, sie lässt ihre Kinder oft allein, hat offenkundig mehr als ein Geheimnis und bis auf Beatrice scheinen ihr ihre Kinder gleichgültig zu sein. Dass eine Mutter so sein kann, das ist der wirkliche Grusel dieser Geschichte.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch zeigt auf dem Cover eine dunkle Landschaft mit einem einsamen Auto von oben. Die Lichtkegel der Scheinwerfer bilden fast ein Herz, in dem der Titel des Buches zu lesen ist. Innen gibt es 28 nummerierte Kapitel und sonst keine Besonderheiten.


Fazit
Eine nicht ganz einfach zu durchschauende Geschichte, die aber viel mehr bereithält, als es die Inhaltsangabe erwarten lässt.

 

4 Sterne


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