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Kategorie: Krimis

Samstagabend auf dem Campo Santa Margherita. Nach einem Drink lassen sich zwei Touristinnen von ein paar Einheimischen zu einer Spritztour in die Lagune verführen. In der Dunkelheit rammt das Boot einen Pfahl, und die Amerikanerinnen enden bewusstlos auf dem Steg des Ospedale. Warum alarmierten ihre Begleiter nicht die Notaufnahme, wenn alles nur ein Unfall war? Je hartnäckiger Brunetti ermittelt, desto näher kommt er einem Monstrum, vor dem sich selbst die Mafia fürchtet.

 

Fluechtiges Begehren 

Originaltitel: Transient Desires
Autor: Donna Leon
Übersetzer: Werner Schmitz
Verlag: Diogenes
Erschienen: 26. Mai 2021
ISBN: 978-3257071207
Seitenzahl: 320 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Seit 30 Jahren legt Donna Leons Commissario seinen Finger in die Wunden Venedigs. Politische Korruption, illegale Einwanderungen, sich schlecht benehmende Touristen, bürokratische Trägheit, Vetternwirtschaft. Auch wenn Leon sich manchmal auf dem soliden Fundament ausruhte und die Qualität der Bücher schwankte, verzaubert haben ihre Bücher gleichwohl.

Mit dem neuen Band „Flüchtiges Begehren“ findet Leon zu alter Hochform zurück. Langsam und unaufgeregt beginnt die Story mit zwei jungen Venezianern, die einfach nur am Wochenende mit ein paar Mädchen feiern wollen. Sie überreden zwei Amerikanerinnen, mit ihnen eine Spritztour durch die Lagune zu unternehmen, wobei es zu einem schweren Unfall kommt und die Frauen schwer verletzt werden. Verängstigt fahren sie zurück und legen die Schwerverletzten an einem Seiteneingang zum Krankenhaus auf dem Steg ab und flüchten. Durch Überwachungskameras sind die beiden schnell ermittelt und auch das Motiv scheint schnell klar zu sein.


Stil und Sprache
Der Herbst kündigt sich an, der Nebel verschleiert den Blick und acqua alta klopft an die Mauern der Lagunenstadt. Sind Brunettis Ermittlungen immer ein erfrischender Spaziergang durch die Straßen Venedigs, lässt sich dieses Mal eine gewisse Melancholie Brunettis nicht verleugnen. Behäbig kämpft sich Brunetti aus dem Bett und trifft verspätet in der Questura ein. Er sinniert öfter als in den vorherigen Büchern über den Sinn des Lebens nach, vergräbt sich in Tacitus oder offenbart seiner Familie, er würde gern auf dem Land leben und ein Feld bestellen.

Der neue Fall erweist sich zunächst als relativ harmlos - unterlassene Hilfeleistung. Dennoch ist Brunettis Interesse geweckt, vielleicht, weil die beiden Beschuldigten im Alter seines Sohnes sind, vielleicht, weil er spürt, dahinter steckt mehr. Subtil legt Leon ihre Spuren aus und auch der Leser spürt schnell, so einfach lässt sich der Fall der verdächtigen Bootsfahrt nicht ad acta legen. Langsam entfaltet sich die Kriminalgeschichte und scheint dem bewährten Muster zu folgen, bis Brunettis Kollegin Griffoni erscheint und mit ihm zusammen den Fall übernimmt. So wechseln sich Brunettis feinfühlige Art mit der forschen Griffonis ab.

Und dennoch ist nichts, wie es scheint. Sieht es anfänglich nach einer Routineuntersuchung aus, zieht der Fall weite Kreise und die Küstenwache und auch die Carabinieri sind involviert, von der Mafia, die überall in der Lagune ihre Finger im Spiel hat, ist nichts zu sehen. Hier spielen nicht nur toxische Familienverhältnisse eine Rolle, die menschliche Gier nach Geld und Macht sind weitere Triebkräfte einer Tragödie.

Bisher hat es Donna Leon immer vermieden, direkte zeitliche oder politische Zusammenhänge herzustellen, aber Corona lässt sich in Venedig nicht leugnen, wenn Brunetti durch vereinsamte Straßen läuft.


Figuren
Donna Leons Krimis machen immer wieder Spaß. Das immer gleichbleibende Figurenensemble mit seinem Vice-Questore Patta, dem Brunetti mehr als einmal geschickt aus dem Weg geht, die inzwischen zu einer Hackerin mutierte Assistentin Elettra, die ihm oft mit digital versiegelten Akten weiterhilft, seine ihn mit klugen Gedanken unterstützende Familie.

Der Commissario selbst ist von Beginn an ein sympathischer Zeitgenosse, ohne Drogen- oder Familienprobleme, er neigt nicht zu verbalen oder physischen Entgleisungen, er ist gebildet, hat gute Umgangsformen und pflegt zu seinen Mitarbeitern ein gutes Verhältnis. Allein, die Mühen des Alters gehen auch an Brunetti nicht spurlos vorüber und machen ihn so liebenswert. Im neuen Band neigt er zu ausgeprägter Melancholie und lässt sich kaum aufheitern. Elettra und Patta treten in Nebenrollen auf, gutes Essen und der geliebte Feierabendwein muntern ihn nicht auf und auch seine Familie kann ihn dieses Mal nicht von seinen Sorgen ablenken.

Die beiden verdächtigen jungen Männer, Duso und Vio, bleiben leider eindimensional und tragen zur Entwicklung des Plots nicht viel bei. Lichtblick ist Commissaria Claudia Griffoni, die durch Frauenpower, gepaart mit neapolitanischem Humor den Fall vorantreibt und den Leser von der melancholischen Grundstimmung ablenkt.


Aufmachung des Buches
Bei dem E-Book handelt es sich um ein Diogenes-typisches Buch. Weißes Cover mit einem Foto von einem der unendlichen vielen Kanäle Venedigs.
Der Roman gliedert sich in 28 Kapitel.


Fazit
Lesen! Die Melange aus venezianischem Flair, sanfter Ironie und dem Wiedersehen alter Bekannter lässt die Niedergeschlagenheit vergessen.


5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort

Backlist:
Band 25: Ewige Jugend
Band 26: Stille Wasser
Band 27: Heimliche Versuchung
Band 28: Ein Sohn ist uns gegeben
Band 29: Geheime Quellen