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Kategorie: Thriller

So historisch bedeutsam wie brennend aktuell – ein Geheimdienst, der außer jegliche Kontrolle gerät
Paris 1894: Alfred Dreyfus soll ein Spion sein und wird wegen Landesverrat zu lebenslanger Haft verurteilt und verbannt. Geheimdienstchef Picquart hegt Zweifel und rollt den Fall neu auf. In den Wirren der Dreyfus-Affäre, die ganz Europa erschüttert, wird der Jäger schließlich selbst zum Gejagten. Die Parallelen zur Gegenwart liegen auf der Hand: ein Geheimdienst, der nicht zu bändigen ist; eine korrupte Justiz, die alles im Namen der nationalen Sicherheit rechtfertigt; eine parteiische Presse, die ein Kesseltreiben gegen eine Minderheit veranstaltet; der angeborene Instinkt aller Mächtigen, ihre Verbrechen erfolgreich zu vertuschen ...

 

Intrige 

Originaltitel: An Officer and a Spy
Autor: Robert Harris
Übersetzer: Wolfgang Müller
Verlag: Heyne Verlag
Format: E-Book
Erschienen: Oktober 2013
ISBN: 978-3453268784
Seitenzahl der Printausgabe: 624 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Intrigen und Gegenintrigen, Manipulation von Beweisen, Aufhetzung des Volkes durch Militär und Regierung, die Verurteilung eines Unschuldigen. Alles im Namen der nationalen Sicherheit. Es drängen sich Vergleiche zur Gegenwart auf, die nicht von der Hand zu weisen sind. Derartige Machenschaften gibt es seit Menschenegedenken und sie haben nichts an Aktualität oder Brisanz verloren. Der vorliegende Roman spielt Ende des 19. Jahrhunderts, vor dem Blick der Weltausstellung in Paris und handelt von nichts Geringerem als der Dreyfus-Affäre.

Dem jüdisch-elsässischen Hauptmann Alfred Dreyfus wird unterstellt, Militärgeheimnisse an die Deutschen verraten zu haben und er wird, ungeachtet fehlender Beweise, zu lebenslanger Haft verurteilt. Der damals schon vorherrschende Antisemitismus, befeuert durch die Presse, eskaliert und ergreift auch Oberstleutnant Marie-George Picquart, Chef der Spionageabteilung in der Armee. Zunächst von Dreyfus' Schuld überzeugt, erfährt Picquart Dinge, die ihn dazu bewegen, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Nur hat er nicht mit Gegenwind von allerhöchster Stelle gerechnet, der sich bis zu seinen Mitarbeitern durchzieht. Mit seinem Alleingang setzt er nicht nur seine berufliche Karriere aufs Spiel, auch sein Leben ist in Gefahr.


Stil und Sprache
Schnörkellos und konsequent erzählt Harris aus der Persprektive Picquarts entlang der Fakten die sich über Jahre hinziehenden Geschehnisse. Er rollt den ganzen Dreyfus-Fall noch einmal auf, mit all seinen Intrigen und Machenschaften innerhalb des Militärs und packt ihn in einen spannenden Thriller.
Harris hat für seinen Roman das historische Präsens gewählt, sodass der Leser nicht nur direkt am Geschehen beteiligt ist, er ist auch bei den geschichtlichen Ereignissen dabei, die tatsächlich so, bis auf ein paar literarische Freiheiten, stattgefunden haben. Der Leser nimmt teil bei Ministerkonferenzen, Gerichtsverhandlungen, geheimen Operationen, aber auch am Zwischenmenschlichen, wie Picquarts Privat- und Liebesleben oder den verpönten gleichgeschlechtlichen Beziehungen in Offiziers- und Diplomatenkreisen. Harris stützt sich dabei auf umfangreiche Quellen.

Vor diesem Hintergrund erleben wir die Atmosphäre des Fin de Siecle hautnah, mit Pferdedroschken und Schnauzbärten, dem Gestank aus den Abflüssen, der in alle Poren kriecht und dem Missmut der Franzosen, Elsass-Lothringen im letzten Krieg an die Deutschen verloren zu haben.


Figuren
Harris entführt uns in ein Paris Ende des 19. Jahrhunderts und setzt sich mit dem politischen Skandal, der die Menschen einst in ihren Bann zog, auseinander. Picquart, Oberstleutnant und Antisemit, nahm das Urteil gegen Dreyfus gelassen hin, schließlich sei dieser ja „nur ein Jude“. Auch der blasse und leicht überheblich dargestellte Dreyfus nimmt das Urteil stoisch auf. Erst als er erfährt, dass man ihn auf die Todesinsel bringen will, fängt er an, sich zu wehren und versucht mit Hilfe von Freunden, seine Unschuld zu beweisen.

Im Unterschied zu Dreyfus ist Picquart ein friedfertiger und eloquenter Mann, der komplexe Situationen schnell erfasst und bei seinen Mitarbeitern durch seine Geradlinigkeit, mir der er sich für die Unschuld Dreyfus einsetzt, nicht sehr beliebt ist. Im Lauf seiner Untersuchungen erfährt Picquart von Ungereimtheiten und ist im Zwiespalt seiner Verantwortung dem Staat gegenüber und dem Eintreten für die Gerechtigkeit. Als gestandener Mann entscheidet er sich für die Wahrheit und damit gegen das Militär und die Justiz. Dabei stößt er auf vehementen Widerstand seitens seiner Vorgesetzten und dem Kriegsminister. Er setzt willentlich seine Karriere aufs Spiel, um einen Unschuldigen zu rehabilitieren. Seine Gegenspieler setzen alles daran, ihn davon abzuhalten, die Wahrheit herauszufinden. Das Militär würde niemals einen Justizirrtum zugeben, eher würde es Unschuldige sterben lassen. Und auch Picquart ist seines Lebens nicht mehr sicher.

Harris Roman kommt ohne fein gezeichnete Charaktere aus, ohne eine magische Wirkung der Sprache und ist dennoch eine so mitreißende Geschichte, die einen von Anfang bis Ende in Atem hält.


Aufmachung des Buches
Das Cover des E-Books zeigt eine Szene aus dem gleichnamigen Film von Roman Polanski. Der Roman ist in in zwei Teile aufgeteilt, die sich in ingesamt 25 Kapitel gliedern. Die Printausgabe ist einfacher gehalten mit rot-leuchtender Schrift auf schwarzem Grund.


Fazit
Harris' Romane haben immer einen Bezug zur Realität und gehen oft aktuellen Fragen nach. In diesem Fall liegt sein Augenmerk auf den Geheimdiensten, die oftmals ein Eigenleben enwickeln und dabei außer Kontrolle geraten. Der damalige französische Geheimdienst weist dieselben Symptome auf und mischt sich in die angespannte Lage zwischen der französischen Republik und dem kaiserlichen Deutschland ein. Harris gelingt mit diesem Thriller eine meisterliche Schilderung der Fakten, angereichert mit fiktionalen Begebenheiten, die so oder ähnlich tatsächlich hätten stattfinden können.


5 Sterne


Hinweise
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