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Kategorie: 1450 – 1600 Renaissance

1549: Seit dem Ableben Heinrichs VIII. steht Matthew Shardlake als Rechtsanwalt in Diensten von dessen jüngerer Tochter Elizabeth, der späteren Königin Englands. Als eine Verwandte, Edith Boleyn, brutal ermordet wird, entsendet Elizabeth Shardlake nach Norwich.
John Boleyn, Ediths Ehemann, wird beschuldigt, seine Frau getötet zu haben. Viele Rätsel ranken sich um Ediths Tod, doch Matthew Shardlake glaubt an die Unschuld seines Mandanten. Noch ehe er die Sache abschließen kann, kommt es zum blutigen Aufstand in Norwich – der junge Rebell Robert Kett befehligt eine Armee von Aufständischen und führt sie gegen die Stadt. Als die königlichen Truppen aufmarschieren, entdeckt Shardlake Indizien, die ihn direkt in das Camp der Rebellen wie auch in die besseren Kreise der Stadt selbst führen.

 

Die Graeber der Verdammten 

Originaltitel: Tombland
Autor: C. J. Sansom
Übersetzer: Irmengard Gabler
Verlag: Fischer Taschenbuch
Erschienen: 23. September 2020
ISBN: 978-3-596-70494-1
Seitenzahl: 992 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Zwei Jahre nach dem Tod Heinrichs VIII. dient Matthew Shardlake dessen Tochter Prinzessin Elizabeth als Anwalt und Berater. Als John Boleyn - ihr entfernter Verwandter - des Mordes an seiner Frau angeklagt wird, beauftragt sie Shardlake, den Prozess zu beobachten und auf ein gerechtes Verfahren zu achten. Sein Weg führt ihn nach Norwich in Norfolk, wo genau zu dieser Zeit die Bauern sich gegen die Machenschaften der reichen Landbesitzer erheben. Shardlake und seine Begleiter geraten zwischen die Parteien und damit in höchste Gefahr.
Christopher J. Sansom schildert die englischen Bauernaufstände Mitte des 16. Jahrhunderts sehr authentisch und genau und bringt dem Leser damit ein Ereignis nah, über das bisher in deutschsprachigen Romanen nur sehr wenig bekannt ist.


Stil und Sprache
Dieses Buch ist Band 7 der Reihe um den Anwalt Matthew Shardlake. Es ist nicht unbedingt notwendig, die anderen Bücher auch zu kennen, aber es wäre von Vorteil, da des Öfteren auf frühere Geschehnisse Bezug genommen wird.
England 1549: Heinrich VIII. ist seit zwei Jahren tot. Sein Nachfolger Edward VI. ist erst 11 Jahre alt und steht unter der Vormundschaft seines Onkels – des Lordprotektors und Herzogs von Somerset – der den vom alten König eingesetzten Thronrat weitgehend ausgeschaltet hat und selbstständig regiert. Die Kassen sind leer und der Krieg mit Schottland kostet Unsummen. Dafür müssen – wie meistens – die unteren Schichten zahlen, in diesem Fall die Bauern, die schon die Abgaben an ihre Grundherren kaum aufbringen können. Da diese ihnen immer mehr Gemeindeland wegnehmen, um es für die lukrative Schafzucht einzuzäunen, sodass sie ihr Vieh nicht mehr dort weiden lassen dürfen, schließen die Bauern sich zusammen, um sich gemeinsam gegen dieses Vorgehen zu wehren.

C. J. Sansom lässt seinen Protagonisten diese Ereignisse in Norfolk unmittelbar mit erleben und schildert sie sehr detailliert und ausführlich. Leider meines Erachtens nach zu ausführlich, sodass doch recht viele Längen in der Erzählung entstehen. Dieser Band hat 992 Seite und damit über 220 mehr, als der bisher umfangreichste Teil der Reihe (Die Schrift des Todes). Dem Lesefluss hätten ein paar Seiten weniger gut getan.
Shardlake befindet sich im Lager der Rebellen oberhalb von Norwich und begibt sich mehrmals von dort zu seinem Mandanten John Boleyn ins Gefängnis der Burg und zu weiteren Orten. Dabei wird beinahe jeder Schritt der Pferde, jeder Stein und Busch unterwegs und jede Stufe, die zu dessen Verlies führt immer wieder so eingehend beschrieben, dass es den Leser beinahe dazu verleitet, die nächsten Passagen quer zu lesen. Das wäre aber nicht zielführend, denn irgendwo in diesen langatmigen Erklärungen taucht dann doch ein wichtiger Satz auf, der sich wirklich auf den Mord an Edith Boleyn bezieht und den möchte man ja nicht verpassen.
Der Autor hat mit Sicherheit sehr viel recherchiert. In der Ebook-Fassung dieses Romans gibt es einen Anhang mit 30 Kapiteln, die sich sehr intensiv mit dem Thema der Bauernkriege und ihrer Auswirkungen beschäftigen. Leider sind sie in der gedruckten Ausgabe nicht vorhanden, aber wahrscheinlich hätte die Seitenzahl sonst den Rahmen gesprengt.
Auf jeden Fall kennt sich Christopher J. Sansom in dieser Zeit sehr gut aus und vermag die historischen Ereignisse interessant zu vermitteln. Der fiktive Kriminalfall kommt dabei allerdings ziemlich zu kurz.


Figuren
Der Anwalt Matthew Shardlake ist bereits in 6 Büchern - und seit nunmehr 13 Jahren - als Ich-Erzähler die Hauptperson dieser Reihe. Dass er ein ganz normaler, oft ängstlicher und zweifelnder Mann ist, macht ihn sympatisch und sein Rückenleiden - ein „Buckel“ - lässt ihn oft auf Hilfe angewiesen sein und verhindert, dass er so abgehoben, allwissend und tapfer ist, wie so mancher andere „Romanheld“. Seine Stärken liegen nicht auf körperlichem Gebiet, sondern er ist klug, auf seine Art mutig und ein loyaler Freund und Arbeitgeber, der sich um das Befinden seiner Mitmenschen sorgt und kümmert. Dazu gehören in erster Linie Jack Barak und Nicholas Overton, die schon früher in seinen Diensten standen. In Norwich trifft er seine ehemalige Haushälterin Josephine wieder, die mittlerweile verheiratet ist und eine kleine Tochter hat. Er fühlt sich für sie alle verantwortlich und tut sein Bestes, um sie zu versorgen und zu schützen.
Obwohl der Kindkönig Edward VI. immer wieder erwähnt wird, tritt er – genau wie sein Vomund, der Herzog von Somerset – nicht persönlich auf. Seine beiden Halbschwestern – die 16jährige Elizabeth und die mittlerweile 33jährige Maria – haben dagegen einige kurze Begegnungen mit Matthew und Elizabeth als seine Auftraggeberin führt einen regen Briefwechsel mit ihm.
Weitere bekannte Personen der englischen Geschichte sind die Earls von Northampton und von Warrick, die von Somerset beauftragt wurden, den Bauernaufstand niederzuschlagen.
Das Schicksal Robert Ketts – der entgegen dem Klappentext bereits Mitte 50 war – und seines Bruders William, den Anführern der Rebellen, wird historisch sehr authentisch geschildert.
Da über beide – außer ihrer Rolle in diesen dramatischen Ereignissen – nicht viel bekannt ist, blieb es dem Autor überlassen, ihre Figuren mit Leben zu erfüllen und ihre Motive und Handlungen so stimmig wie möglich aus den vorhandenen Quellen nachzuvollziehen, was ihm recht gut gelungen ist.


Aufmachung des Buches
Der Deckel des Buches zeigt eine alte, scheinbar sehr stabile Holztür, die aus 4 Feldern besteht und im oberen linken ein Metallemblem aufweist. Quer darüber prangt in großen silbernen Lettern der Titel, am oberen Rand - etwas kleiner - der Name des Autors.
Auf eine Vorbemerkung zu den englischen Bauernaufständen folgt ein Inhaltsverzeichnis, dem zu entnehmen ist, das die Handlung aus Prolog, 6 Hauptteilen und Epilog besteht und mit einer kurzen Danksagung endet.


Fazit
Über die nur 6 Jahre währende Regierungszeit Edwards VI. (1547-1553) gibt es – meines Wissens nach – keine Romane in deutscher Sprache. Von daher ist dieser Band der Shardlake Reihe historisch sehr interessant. Leider verliert die Geschichte viel an Spannung durch die doch sehr erheblichen Längen und weil der eigentliche Kriminalfall dabei zeitweise beinahe vergessen und praktisch nur am Rande gelöst wird.


4 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Pforte der Verdammnis
Band 2: Feuer der Vergeltung
Band 3: Der Anwalt des Königs
Band 4: Das Buch des Teufels
Band 5: Pfeil der Rache 
Band 6: Die Schrift des Todes