Mutterschaft ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt. Rachel Cusk seziert diese Erfahrung am eigenen Leib – und das auf eine so ehrliche und unsentimentale Weise, dass sie damit zur „meistgehassten Schriftstellerin Großbritanniens“ (The Guardian) geworden ist.
Originaltitel: A Life’s Work: On Becoming a Mother |
Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Als 2015 die Studie von Orna Donath über „Regretting Motherhood“ erschien, ging ein Aufschrei der Empörung durch unser Land. Als 2001 in Großbritannien „Lebenswerk: Über das Mutterwerden“ erschien, avancierte das Buch ob seiner ungeschönten Darstellung der größten Zäsur im Leben einer Frau zu dem Skandalbuch in der Geschichte des Königreichs schlechthin. Mutterschaft ist für Rachel Cusk nicht das glücklich machende Allheilmittel, im Gegenteil, sie überfällt eine Vielzahl an Emotionen von Wut über Trauer bis hin zu Freude. Wut darüber, nicht mehr über sich selbst bestimmen zu können, das eigene Leben der Schwangerschaft und der Tyrannei der Kinder unterzuordnen; Trauer, weil die Gesellschaft weder über das Trauma Schwangerschaft spricht, noch, dass ihr zugestanden wird, unsicher zu sein, ob sie Kinder überhaupt möchte; Freude über die unvorhergesehenen Veränderungen in ihrem Leben, die das Leben als Eltern mit sich bringen.
Kaum sechs Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes ist Cusk wieder schwanger. Sie schwört sich, die irritierenden Gefühle von Schwangerschaft und Geburt, die sie nach der ersten Geburt recht schnell vergessen hat, niederzuschreiben. Ihre offene und in aller Schärfe formulierte Darstellung über das Mutter-Ich, das nicht immer mit Glück und Harmonie einhergeht, hat ihr jede Menge Kritiken eingebracht. Sie verpönt die Tradition der ungefilterten Mutterliebe, echauffiert sich über extreme Mutteritis und sie versteht nicht, warum Mütter lieber Ratgeber lesen, die die ganze schräge heile-Mutti-Welt-Ideologie behandeln, als sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.
Nach der Geburt ihrer Tochter tauscht sie das pulsierende London gegen ein Provinznest mit auf Rädern patrouillierenden Hausfrauen ein. Der Virus der „guten Mutter“ hat sie infiziert. Und dennoch verzweifelt sie an ihrer Transformation von einer lebensfrohen und engagierten Großstädterin zu einer grübelnden, verwirrten, zu Selbstverleugnung neigenden Aufpasserin ihrer Tochter, die soeben die Dimension des Laufens entdeckt hat.
Rachel Cusk erzählt die Geschichte ihrer Mutterschaft, lange bevor Feministinnen dieses Thema für sich entdeckten, in einem ehrlichen und liebevollen Ton, aber auch in einer zynischen Radikalität, die keinesfalls diametral dazu steht, welch weitreichende Folgen dies auf ihr Leben hat. Und dabei geht es nicht nur darum, das Ich-Sein nach hinten zu verlagern und das Gute in den durchwachten Nächten zu sehen. Cusk bemängelt ebenso die ständige Verantwortung, die Überforderung, mangelnde Unterstützung, den Verlust von Selbstbestimmung und Freiheit und auch die zum Teil irreversiblen Veränderungen am eigenen Körper. „Lebenswerk: Über das Muttersein“ ist ihr Versuch, aus den Dogmen der vorgegebenen Rolle als Mutter auszubrechen und merkt dabei, wie sehr sie das Muttersein ebenso braucht, wie ihre Töchter die Mutterliebe.
Aufmachung des Buches
Auf dem Cover des gebundenen Buches sind zwei verschiedenfarbige, miteinander verschlungene Gummis zu sehen, die einander Halt geben. Nach einer Einleitung ist das Buch in zwölf mit Überschriften versehenen Kapitel unterteilt.
Fazit
Ein intelligenter Essay über das Mutterwerden, das mit dem Mythos einer ewig glücklichen Mutter aufräumt.
Hinweise
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