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Kategorie: Interviews mit Autoren

Saskia Berwein

 

Saskia Berweins erster Thriller erschien 2013 im Egmont LYX-Verlag. Dieses Jahr ist der fünfte Band ihrer Reihe erschienen – und zwar im selbst gegründeten Verlag! Da musste die Leser-Welt natürlich nachfragen, wie es dazu gekommen ist und was wir künftig erwarten dürfen.


Liebe Saskia, ich freue mich, dass ich dich nach so vielen Jahren erneut mit meinen Fragen löchern darf. Im Juni ist der fünfte Fall des Ermittlerduos Leitner und Grohmann erschienen – fast vier Jahre nach dem letzten Band, der noch im Egmont LYX-Verlag das Licht der Buchwelt entdeckt hat. Für die Fortsetzung hast du einen eigenen Verlag gegründeten, den Kuneli-Verlag. Wie ist es dazu gekommen?

Nachdem Bastei Lübbe die Reihe eingestellt hatte, war ich lange hin und her gerissen. Es gab eine Zeit, in der ich nicht in der Lage war, zu schreiben und eher daran dachte, hinzuwerfen und die Reihe einzustampfen – und überhaupt wieder nur noch für mich selbst zu schreiben. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich für die Leser und auch für mich selbst die Reihe beenden wollte. Es gab eine Geschichte zu Ende zu erzählen und ich wollte mein Werk nicht einfach unvollendet lassen. Geschrieben habe ich Band 5, ohne zu wissen, wie die Veröffentlichung aussehen würde. Die Idee, einen eigenen Verlag zu gründen und somit alle Zügel selbst in der Hand zu behalten, kam spontan und nahm mit der Zeit immer mehr Kontur an.


Welche Hindernisse gab es auf dem Weg zum eigenen Verlag zu überwinden?

Es gab einige Hürden zu überwinden. Es gibt so viele Überlegungen anzustellen und Entscheidungen zu treffen. Ein Unternehmen in Deutschland zu gründen ist mit sehr vielen Formalien verbunden und vieles geht nicht so schnell voran, wie man es gerne hätte. Ich habe mich in viele Themen eingelesen, bevor ich den ersten Schritt machte, die Überraschungen blieben trotzdem nicht aus.


Hast du manchmal daran gezweifelt, ob dies der richtige Schritt ist?

Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Berg Vorarbeit überhaupt nicht abzutragen sei. Ich habe den Verlag neben meinem Hauptjob aufgezogen und bin auch jetzt noch Alleinkämpfer. Das Leben grätscht des Öfteren dann einfach mal dazwischen. Aber ich bin froh, dass ich den Schritt gegangen bin. Ich bin um so viele Erfahrungen reicher und die Arbeit macht (meistens) sehr viel Spaß.


Was bedeutet der Verlagsname?

Kuneli ist eine Abwandlung vom griechischen Wort Kouneli, was Kaninchen bedeutet. Kaninchen haben in meinem Leben eine besondere und große Bedeutung. Auf die Idee kam allerdings mein Lebensgefährte, denn einen Verlagsnamen zu finden, war gar nicht so einfach.


Was ist das für ein Gefühl, nun komplett dein eigener Herr zu sein – also keinen Verlag zu haben, der dir mit Abgabefristen und ähnlichem im Nacken sitzt?

Mit Fristen im Nacken zu sitzen vermisse ich nicht wirklich. Mit einem festen Termin bin zumindest ich persönlich disziplinierter. Aber beim Schreiben hatte ich das Gefühl einer gewissen Freiheit. Nach vier Lektoraten weiß ich als Autorin ja, wo die Erwartungen liegen und habe das im Hinterkopf. Meiner kreativen Arbeit hat es definitiv gut getan, dass dieser Druck bei Band 5 nicht bestand.


Das – um es mit deinen Worten zu sagen: surreale - Gefühl des ersten gedruckten Buches in der Hand hast du bereits vor Jahren erlebt. Nun ist es das erste gedruckte Buch im eigenen Verlag. Ist das nochmal was anderes?

Es war nicht mehr so vollkommen surreal wie beim ersten eigenen Buch. Aber der Gedanke, dass das nun alles aus meiner eigenen Hände Arbeit entstanden ist, das war doch noch mal ein tolles Gefühl. Ich war einfach nur unglaublich stolz, es überhaupt soweit geschafft zu haben.


Hast du bei der Verlagsarbeit tatkräftige Unterstützung?

Zwei wunderbare Menschen haben mich mit Lektorat und Korrektorat unterstützt. Alles andere mache ich derzeit in Eigenregie – Homepage, Satz, Cover, Social Media, Buchhaltung, Versand ... Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, so viel neues zu lernen.


Wird es künftig auch Bücher von anderen Autoren im Kuneli-Verlag geben oder ist dieser deinen eigenen Werken vorbehalten?

Gegründet hatte ich den Verlag auf Hinblick meiner eigenen Werke, aber schon bald kamen Ideen auf. Ich kann mir gut vorstellen, anderen Reihen, die bei den großen Verlagen frühzeitig beendet wurden, eine Heimat zu geben. Außerdem aus den Programmen genommene „Schätze“, die es verdient haben, auch weiterhin gelesen zu werden. Das ist aber beides noch Zukunftsmusik, von konkreten Plänen bin ich leider allein aus Zeitgründen weit entfernt.


Apropos: Demnächst werden auch die vorangegangenen Fälle des Ermittlerduos in deinem Verlag erscheinen. War es problematisch, die entsprechenden Rechte (zurück) zu bekommen?

Bastei Lübbe hatte die gedruckten Titel bereits aus dem Programm genommen, damit beginnt vertraglich ein Automatismus, der nach einem Jahr zum Rechterückfall führt. Ich hätte die Rechte gerne früher und alle auf einmal gehabt, weil klar war, dass es nicht weitergehen würde. Vertrag ist aber Vertrag und so musste ich mich in Geduld üben.


Nun möchte ich gerne noch auf das Schreiben an sich und dein aktuelles Buch im Speziellen eingehen. Als 2013 der erste Band deiner Thriller-Reihe erschienen ist, hattest du eine grobe Rahmenhandlung im Kopf und eine Ahnung, in wie vielen Bänden diese erzählt wird. Hat sich daran im Laufe der Jahre etwas geändert?

Eine gewisse Rahmenhandlung besteht immer noch, sie hat mit der Zeit Änderungen erfahren, weil neue Ideen hinzukamen oder auch andere Ideen, die ich als Fragmente im Kopf hatte, einfach keinen richtigen Platz gefunden haben. Dass Charlie inzwischen schon fast ein fester Charakter ist, ist den Lesern zu verdanken. Ich liebe Charlie ebenfalls, aber sie jetzt auch wieder in Band 5 auftreten zu lassen, ist eindeutig auch ihrer persönlichen Fangemeinde geschuldet.


Hat sich an deiner Art zu schreiben – beispielsweise an deinen Schreibritualen – im Laufe der Jahre etwas geändert?

Nach dem ersten Band habe ich parallel nicht kontinuierlich gearbeitet, gerade die letzten Jahre waren privat etwas turbulent und auch die Schreibpause hat ihre Spuren hinterlassen. Derzeit habe ich keine festen Schreibrituale. Es kommt darauf an, ob mich gerade die Schreibwut packt und wie viel Zeit ich habe. Mich beispielsweise an bestimmten Abenden an den Rechner zu setzen, das schaffe ich nicht. Aber ich hatte schon immer Phasen mit Schreib-Flow und Schreib-Flaute.


Deine Figuren kommen alle unglaublich authentisch daher. Fällt es dir manchmal schwer, zwischen so unterschiedlichen – und teils alles andere als sympathischen – Figuren hin und her zu wechseln und dich dabei voll und ganz auf deren Charakter einzulassen?

Besonders schwer fällt es mir nicht. Es kommt vor, dass ich persönlich gerade nicht in der Stimmung bin, mich auf eine bestimmte Figur einzulassen oder einfach gerade Szenen einer Figur im Kopf habe. Dann schreibe ich schon mal zeitlich nicht kontinuierlich und bleibe eine Weile bei einer Person. Aber das switchen ist gewöhnlich kein Problem.


Jennifer bekommt die geballte Ladung ab, aus allen Richtungen strömen diverse Dinge auf sie ein. Hand aufs Herz: Macht dir das Spaß?

Es war eine Herausforderung, Jennifers Grenzen auszutesten und ihre Mauern zum Einsturz zu bringen. In Band 1 bis 4 erlebt man sie ja überwiegend als äußerst starke Person, sie authentisch und nachvollziehbar in Angst zu versetzen, hat mich gereizt. Auch wenn sie mir leidtat, war es für mich persönlich eine positive Erfahrung, sie als Charakter so weit zu treiben. Ab und zu habe ich wohl tatsächlich ein wenig Freude daran gehabt, sie zu quälen.


Kristina ist eine Figur dieses fünften Falls und lebt in ständiger Angst. Ihre Situation ist wahrlich grauenvoll! Wie gelingt es dir, dich dermaßen gut in ihre Situation hineinzuversetzen?

Ich habe mich über die Jahre hinweg viel mit den Themen Angst, Angststörungen und auch Stalking rein interessehalber beschäftigt. Fallgeschichten helfen dabei, die Perspektive von Menschen zu verstehen, die ähnliches durchgemacht haben. Im Kopf versetze ich mich beim Schreiben dann tief in Person und Situation hinein. Manchmal ist das nicht einfach und auch aufwühlend. Glücklicherweise habe ich ähnliches selbst nie erlebt.


Wie recherchierst du für deine Thriller, beispielsweise im Fall Kristina: nimmst du Kontakt zu Betroffenen und/oder Experten auf diesem Gebiet auf?

Mit Psychologie, Psychopathologie und Psychiatrie und diese auch in Bezug auf kriminelles Verhalten beschäftige ich mich schon seit langem. Es gibt also einen gewissen Grundstock an Vorwissen, den ich dann aber auch gerne im Speziellen nochmals vertiefe, wenn ich ein bestimmtes Thema verarbeite. Ich lese viel und war für Kristinas Fall wegen eines Aspekts auch mit einer Expertin in Kontakt. Mit Betroffenen nehme ich selbst direkt keinen Kontakt für die Recherche auf, ich hatte aber in der Vergangenheit durchaus Berührungspunkte.


Dürfen sich deine Fans auf weitere Bände der Reihe freuen? Steht vielleicht schon ein Erscheinungstermin fest?

Band 6 ist im Kopf schon sehr weit fortgeschritten und wartet darauf, geschrieben zu werden. Die Veröffentlichung ist für Juni 2020 geplant.


In unserem Interview vor sechs Jahren hast du mir verraten, dass weitere Manuskripte auf deiner Festplatte schlummern, die nicht dem Thriller-Genre zuzuordnen sind. Wirst du diese nun entstauben und ebenfalls im Kuneli-Verlag veröffentlichen?

Für das Fantasy-Epos ist dies fest eingeplant, nach Band 6 um Jennifer und Oliver. Was noch auf der Festplatte schlummert … Mal sehen.


Ich danke dir für das Interview und wünsche dir viel Erfolg mit deinem Verlag und natürlich weiteren Fällen für Leitner und Grohmann.

 

Die Homepage der Autorin: www.saskia-berwein.de
Die Verlags-Homepage: www.kuneli-verlag.de
Interview 2013: Klick