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Er macht den Tag. Und die Nacht.

Am ersten Tag verliere ich mein Zeitgefühl, meine Würde und einen Backenzahn. Dafür habe ich jetzt zwei Kinder und eine Katze. Einen Mann habe ich auch. Er ist groß, hat kurzes, dunkles Haar und graue Augen. Unsere Fenster hat er mit Dämmplatten verschraubt. Er macht den Tag. Und die Nacht. Wie Gott.

 

Liebes Kind 

Autor: Romy Hausmann
Verlag: dtv
Erschienen: 02/2019
ISBN: 978-3423262293
Seitenzahl: 432 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die Geschichte um Lena, Hannah und Jonathan beginnt dort, wo andere enden: Eine junge Frau flüchtet aus dem Wald und läuft direkt in ein Auto. Bei ihr die 13jährige Hannah, die „Mama“ zu ihr sagt. Es stellt sich heraus, dass beide lange Zeit in einer Hütte im Wald festgehalten wurden, von einem Mann, der sie als ihre Familie ganz für sich haben wollte. Wer ist die Frau, woher kommt sie? Und wohin ist Lena Beck vor 14 Jahren verschwunden?

Zugegeben, das ist nicht viel für eine Buchbeschreibung, aber an dieser Stelle muss es reichen, denn jede Erklärung mehr würde zu viel verraten und einen großen Teil der Spannung dieses ungewöhnlichen Thrillers vorwegnehmen. Denn das ist er auf jeden Fall und auch thrillererfahrene Leser werden die eine oder andere Überraschung erleben.


Stil und Sprache
Romy Hausmann beginnt ihre Story mit einem Zeitungsartikel, in dem es um das Verschwinden der 23jährigen Lena Beck geht. Danach wechseln sich unterschiedliche Protagonisten mit dem Erzählen ab, etwa Lena selbst, ihre Tochter Hannah oder ihr Vater Matthias. Das sorgt für Spannung, aber auch für Verwirrung, denn es wird nichts erklärt. Jeder Erzähler berichtet über das, was ihn gerade bewegt und das ist nicht unbedingt das, was man als Leser dringend als Information erwartet. So muss man sich vieles selbst zusammenbasteln und versuchen, den Ablauf der Ereignisse irgendwie zu rekonstruieren. Dass man dabei immer wieder in die Irre läuft, versteht sich von selbst.

An diese Schreibweise muss man sich erst einmal gewöhnen, dann aber sorgt sie dafür, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen kann. Denn besonders in der zweiten Hälfte sorgt jedes neue Kapitel für spannende Enthüllungen und man MUSS einfach weiterlesen, ob man will oder nicht. Da fallen auch die (wenigen) ungelösten Enden und einige kleinere Logikfehler nicht so sehr ins Gewicht.


Figuren
Es ist nicht ganz einfach auszumachen, wer genau hier im Mittelpunkt steht, vom Erzählanteil her ist es eindeutig Hannah. Sie ist dreizehn und hat ihr ganzes Leben in der Hütte im Wald verbracht. Trotzdem weiß sie – theoretisch – alles über die Welt, hat viele Bücher gelesen und kann ihrem kleinen Bruder Jonathan so ziemlich alle menschlichen Regungen erklären. Dass sie dabei nicht immer den Kern der Sache trifft, liegt eben daran, dass sie viele Dinge nur aus Büchern kennt. Ihre Erzählweise ist ganz anders als die von Jasmin zum Beispiel, deren Identität ich an dieser Stelle nicht lüften kann, ohne zu viel zu verraten. Jasmin ist schwer traumatisiert und das merkt man ihrer Erzählweise auch an, sie hat öfter Flashbacks und jede Menge Ängste. Aber sie macht eine Entwicklung durch und es gibt ein erträgliches Ende für sie, was in diesem Thriller alles andere als selbstverständlich ist.

Es gibt außer diesen beiden noch etliche andere Beteiligte, die alle ihre eigene Geschichte haben und in vielerlei Hinsicht von den Ereignissen geprägt sind, teilweise bis hin zur Besessenheit. Sie alle werden von Romy Hausmann weitgehend lebensecht dargestellt, manchmal ist sie allerdings einen Tick „drüber“ bei den Reaktionen ihrer Figuren. Aber das hat auf jeden Fall Potential und ich freue mich schon auf ihren nächsten Thriller!


Aufmachung des Buches
Das großformatige Taschenbuch ist in Klappbroschur aufgemacht und fast ganz in verschiedenen Grautönen gehalten. Unter dem in kindlichen Druckbuchstaben geschriebenen Titel sieht man ein aus Draht gebasteltes Haus, das wie ein Käfig wirkt. Es symbolisiert perfekt einen großen Teil der Handlung und sorgt schon vor Beginn für die passende Atmosphäre. Innen gibt es unterschiedlich lange Kapitel, die mit dem Namen des jeweils Erzählenden überschrieben sind und am Ende einen kurzen Epilog.


Fazit
Ein Thriller der etwas anderen Art, auf seine Weise nervenzerfetzend spannend, allerdings mit ein paar kleinen Logik-Schwächen. Trotzdem ein besonderes Vergnügen!


4 5 Sterne


Hinweise
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