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Kategorie: 1600 – 1750 Barock

Das riesige Berliner Stadtschloss, Inbegriff des luxuriösen Hoflebens, wird der preußischen Prinzessin Wilhelmine zum Gefängnis, deren Vater »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm seine Tochter gegen ihren Willen verheiraten will. Um den Bruder, der nach einem Fluchtversuch eingekerkert wurde, aus der Festungshaft zu befreien, gibt die Prinzessin schließlich nach und heiratet den Prinzen von Bayreuth-Brandenburg. Was die trotz aller Entbehrungen verwöhnte Königstochter hier vorfindet, verschlägt ihr die Sprache. Aber da ist ja der charmante Gatte, und vor allem die Musik …

 

Scherben des Gluecks 

 
Autor: Cornelia Naumann
Verlag: Gmeiner Verlag 
Erschienen: 12. Juni 2019
Epub: 1967 KB (entspricht 672 Seiten)
ISBN: 978-3-8392-6152-1

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Die Grundidee der Handlung
Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth-Brandenburg, geb. Prinzessin von Preußen (1709 – 1758) war die erste Tochter und das älteste überlebende Kind des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen und seiner Gemahlin Sophie Dorothea von Hannover. Von ihren 13 Geschwistern erreichten neun das Erwachsenenalter, darunter der spätere Friedrich II. - „Der Große“ - dem sie zeitlebens sehr innig verbunden war. Beide trugen schwer an den unterschiedlichen Erwartungen, die ihre Eltern an sie stellten. Die Königin - Tochter und Schwester der zwei ersten englischen Herrscher aus dem Haus Hannover – setzte ihren Ehrgeiz daran, Wilhelmine und Friedrich mit den Kindern ihres Bruders zu verheiraten und intrigierte dementsprechend unablässig gegen den ausdrücklichen Willen ihres Gatten. Dieser stand dem  Projekt ablehnend gegenüber, da er seinen Schwager schon von Kindheit an nicht mochte und zudem das gute Verhältnis zum Deutschen Kaiser nicht trüben wollte. Wilhelmine konnte diesem Konflikt nicht entkommen. Gehorchte sie dem Vater, verärgerte sie die Mutter .. und umgekehrt. Der König griff tatsächlich zu körperlicher Züchtigung,  Nahrungsentzug und sogar Androhung von Festungshaft im Falle von Ungehorsam, während die Königin versuchte, Wilhelmine mit psychischem Terror, wie öffentlicher Beschimpfung oder permanenter Nichtbeachtung, ihren Wünschen gefügig zu machen. Zermürbt von den jahrelangen Quälereien und aus Angst um das Leben ihres Bruders – dessen Fluchtversuch nach England gescheitert war – beugte sie sich schließlich dem Gebot ihres Vaters und heiratete den Prinzen von Bayreuth-Brandenburg.
Cornelia Naumann lässt die Markgräfin an ihrem Todestag auf ihre bewegte Vergangenheit zurück schauen und gibt dem Leser dabei spannend und historisch genau einen tiefen Einblick in das – gar nicht so märchenhafte – Leben einer Königstochter in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Stil und Sprache
„Spiegelscherben“ nennt die Autorin die – inclusive Prolog und Epilog – zehn Zwischenkapitel, die ihre Erzählung über die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth-Brandenburg sporadisch unterbrechen. Alle spielen sich in ihrer Todesnacht – zum 14. Oktober 1758 – ab. In schneller Folge erlebt die Kranke noch einmal Höhen und Tiefen ihres Lebens, begegnet Menschen, die sie geliebt oder enttäuscht haben und versucht, sich zu erinnern, manchmal auch zu rechtfertigen, wobei sie selbst des Öfteren genau so verwirrt ist wie möglicherweise die Leser – zumindest jene, die noch nichts über Wilhelmine wissen – da sich ihnen die Bedeutung dieser Episoden erst mit dem Ende des Buches wirklich erschließt.
Aber dann passen sie sehr gut in die Geschichte und geben vor allem Aufschluss über die Wahl des Buchtitels, den ich wirklich sehr treffend finde. 

Wilhelmines persönliches Schicksal beschreibt Cornelia Naumann mit schöner, ausdrucksvoller Sprache sehr berührend und weckt damit bei ihrem Publikum Interesse und Anteilnahme.
Die Kleidung, die Ausstattung der verschiedenen Schlösser, die gesellschaftlichen Gepflogenheiten, die Umgebung der Königin und die ganz anders - viel spartanischer – geartetete des Königs, sind so bildhaft und farbig dargestellt, dass man sich beim Lesen sehr gut an den Hof Friedrich Wilhelms I. von Preußen – und später den der Markgrafen von Bayreuth - versetzen kann. Die vielen Dialoge entsprechen dem Stil der Zeit und sind daher authentisch und stimmig.

Figuren
Alle wichtigen Figuren in diesem Roman sind historisch und haben tatsächlich so - oder ähnlich - gelebt und gehandelt, wie die Autorin sie hier sehr lebendig und überzeugend charakterisiert. Friedrich Wilhelm I. war ein strenger König, der aber durch große Refomen viel für sein Land getan hat. Er war fleißig und sparsam und verabscheute den Luxus, den sein Vater vor ihm betrieben hatte. Die Liebe seiner beiden ältesten Kinder zu Büchern und Musik war ihm ein Dorn im Auge. Um sie – vor allem den Kronprinzen – in seinem Sinne zu erziehen und die Tochter unter seinen Willen zu zwingen, verbot er ihnen beides. In Schloss Monbijou, dem Wohnsitz der Königin – die selbst musisch interessiert war – betrieben sie ihre Liebhabereien heimlich, stets in Angst, vom König dabei überrascht zu werden und seine harten Strafen fürchtend.

Friedrich blieb immer der Liebling seiner Mutter, während diese Wilhelmine zunehmend verachtete und sogar von ihrer Erzieherin bespitzeln und misshandeln liess, weil die Tochter es nicht wagte, sich dem Vater offen zu widersetzen. Ich habe die Memoiren der Markgräfin von Bayreuth gelesen  und war  wirklich schockiert über die unglaublich rohe Behandlung, der Wilhelmine von Kindheit an seitens beider Elternteile ausgesetzt war. Die ihr – gegen den ausdrücklichen Wunsch ihrer Mutter – vom Vater aufgezwungene Heirat mit dem Prinzen von Bayreuth-Brandenburg brachte ihr zunächst einmal etwas Ruhe und Frieden, auch wenn sie sich ihre neue Heimat sicher nicht so abgelegen und arm vorgestellt hatte. Wenigstens war ihr Gatte freundlich und liebevoll und gestattete ihr - im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten – sich der geliebten Musik zu widmen, mit der „Eremitage“ ein Refugium zu schaffen und später das berühmte Bayreuther Opernhaus – das seit 2012 zum UNESCO-Welterbe gehört – zu bauen. Die Markgräfin war künstlerisch sehr begabt. Sie spielte hervorragend Cembalo, komponierte selbst und schrieb sogar eine Oper. Diesen Aspekt hebt Cornelia Naumann besonders hervor, da er einen großen Teil von Wilhelmines Zeit in Anspruch nahm und ihr sehr wichtig war.


Aufmachung des Buches
Das Cover des E-Books zeigt die junge Wilhelmine auf einem Gemälde des preußischen Hofmalers Antoine Pesne, das leider nicht datiert ist. Zwischen Prolog und Epilog – beide mit „Spiegelscherbe“ betitelt – liegen drei Hauptteile mit 56 Kapiteln. Unterbrochen werden sie in unregelmässigen Abständen durch acht weitere – diesmal numerierte - „Spiegelscherben“. Das Nachwort der Sängerin und Musikpädagogin Christel Nies legt den Schwerpunkt auf das künstlerische und kulturelle Wirken der Margräfin in Bayreuth, gefolgt von einer kurzen Danksagung der Autorin.


Fazit
Cornelia Naumann erinnert mit diesem schönen Roman  an eine wirklich beeindruckende Frau, deren Leben sich ohne die Tyrannei ihres Vaters wahrscheinlich ganz anders abgespielt hätte. Aber Markgräfin Wilhelmine machte aus ihrer Situation das Beste und hat als Förderin der Kunst, Komponistin und Opernintendantin doch noch Erfüllung gefunden und das kulturelle Leben der Stadt Bayreuth bis heute maßgeblich beeinflusst.


4 5 Sterne


Hinweise
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