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Kategorie: Krimis

Spätnachts wird ein hochtalentierter Assistenzarzt auf dem Heimweg hinterrücks niedergestochen, nur wenige Tage später ein Krankenpfleger. Der Täter scheint Kenntnisse in Anatomie zu haben und weiß mit einem Skalpell umzugehen. Die Angst unter dem Klinikpersonal ist groß: Arbeitet er mitten unter ihnen?

 

  Autor: John Harvey
Verlag: dtv
Erschienen: 06/2009
ISBN: 978-3-423-21146-8
Seitenzahl: 365 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Als Tim Fletcher mitten in der Nacht die Klinik verlässt, hat er 21 Stunden Dienst hinter sich. Nur der Gedanke an seine zu Hause wartende Freundin hält ihn noch wach. Kein Wunder also, dass er die leisen Schritte hinter sich nicht hört. Viel zu spät sieht er im Schein der Straßenlaterne die scharfe Klinge aufblitzen.
Der junge Assistenzarzt ist nur das erste Opfer einer Serie brutaler Überfälle auf das Personal des städtischen Krankenhauses von Nottingham. Die Panik unter Ärzten und Schwestern wächst. Ist der Angreifer einer von ihnen? Er hat umfassende Kenntnisse in Anatomie und Physiologie, weiß mit einem Skalpell umzugehen. Detective Inspector Charlie Resnick und sein Team arbeiten gegen die Zeit: Der Täter hat bereits sein nächstes Opfer im Visier.


Stil und Sprache
John Harvey schubst den Leser direkt in die Handlung hinein. Es gibt kein langes Vorgeplänkel. Schon auf den ersten Seiten geschieht die erste Bluttat. Genau so zügig sollte ein Krimi beginnen. Interessanterweise geht es in erster Linie nicht um Mord. 
Leider kann die Spannung nicht gehalten werden. Was dann folgt, ist ein zäher Brei aus verschiedenen Polizeibeamten mit unterschiedlichen Dienstgraden, die an den unterschiedlichsten Fällen arbeiten, und, wer hätte es gedacht, einige arbeiten auch an dem Fall Tim Fletcher.
Die Suche nach dem Täter vermag den Leser über weite Strecken nicht wirklich zu fesseln, weil einfach zuviel nebenbei geschieht, das allerdings auch nicht wirklich spannend ist. Fast jeder involvierte Beamte hat ein mehr oder weniger großes privates Problem, das jeweils einen ziemlich großen Raum einnimmt. Da geht der Fall Fletcher einfach unter, selbst, als es noch einen zweiten Überfall gibt. Zumal immer noch ausführlich über die anderen Fälle berichtet wird. Mir ist schon klar, dass diese Art der Ermittlung, eine Gruppe von Beamten und mehrere Fälle laufen nebeneinander, die Realität trifft. Aber so wie der Autor es hier darstellt, ist es unnötig verwirrend und hemmt den Lesefluss ungemein. Darunter leidet auch die Spannung, die gar nicht so richtig aufkommen will.
Zu Beginn des letzten Drittels taucht ein Lösungsansatz in Form eines einzelnen medizinischen Begriffes auf. Wie der ermittelnde Detective Inspector Resnick auf dieses mögliche Motiv kommt, wird leider nicht näher erläutert. Auf einmal ist er da, wird auch für Nicht-Mediziner gut erklärt – ich hatte diesen Begriff noch nie gehört - und nun kommt die Geschichte in Fahrt. Plötzlich macht es Spaß, dieses Buch zu lesen. Die Lösung, die der Autor gefunden hat, ist genial und zum Schluss noch mal richtig überraschend.

Die Geschichte wird in der 3. Person erzählt. Als Leser begleiten wir die einzelnen Figuren und können ihnen über die Schulter schauen. Bei jedem Wechsel der Perspektive ist ein kleiner Absatz. Es gibt allerdings sehr häufig Wechsel, an manchen Stellen alle zwei Sätze. Da muss man als Leser schon aufpassen, um nicht den Überblick zu verlieren.


Figuren
Der leitende Ermittlungsbeamte ist der polnisch-britische Detective Inspector Charlie Resnick. Er ist mit einem ausführlichen Lebenslauf ausgestattet und sehr facettenreich dargestellt. Es gibt ziemlich viele Informationen über ihn, die für den Fortgang der Geschichte nicht unbedingt relevant sind und den Leser eher verwirren. Dazu zählen z.B. seine ersten Erfahrungen mit klassischen Konzerten.
Sein Sergeant ist Graham Millington. Er ist mehr mit der Aufklärung eines LKW-Diebstahles beschäftigt, als mit dem Fall Tim Fletcher.
Es gibt noch einige andere Polizeibeamte, Vorgesetzte und Untergebene von Resnick, die alle irgendwie mit diesem oder mit anderen Fällen beschäftigt sind. Sie alle haben private Probleme, die häufiger im Mittelpunkt stehen, als die polizeilichen Ermittlungen. Es fiel mir schwer, mich mit diesen vielen Personen zu identifizieren. Ich bin nicht so richtig warm geworden mit ihnen.
Die Motive des Täters sind gut herausgearbeitet und nachvollziehbar. Er gefiel mir als Figur am besten. Diese Figur ist ausreichend motiviert und dreidimensional, aber nicht so übertrieben ausführlich wie manch andere.


Aufmachung des Buches
„Tiefer Schnitt“ ist als Taschenbuch erschienen. Das dominierende Element ist neben dem Namen des Autoren in silbernen, glänzenden Buchstaben ein blitzendes Skalpell. Der Titel steht in roten Buchstaben darunter. Der Hintergrund des Covers ist mattschwarz. Cover und Titel sind passend zum Inhalt des Buches.
Als Service für den zukünftigen Leser gibt es auf der Vorderseite den Hinweis, dass es sich um einen Fall für Charlie Resnick handelt.
Die Rückseite ist ebenfalls mattschwarz und zeigt eine kurze Inhaltsangabe. Auf der 2. Seite sind eine ausführlichere Beschreibung und einige Informationen über den Autor abgedruckt.

Der Text ist in 44 Kapitel eingeteilt. Wechsel in der Erzählperspektive sind durch Absätze gekennzeichnet.


Fazit
Dieses Buch ist an vielen Stellen mehr eine Milieustudie als ein Kriminalroman. Wer jedoch bereit ist, sich hierauf einzulassen, erlebt ein interessantes Tätermotiv und ein spannendes Ende, mit einer überraschenden Wendung auf den letzten Seiten. Für alle Fans des englischen Kriminalromans ist dieses Buch durchaus empfehlenswert.


3 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Verführung zum Tod
Band 2: Spezialbehandlung