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Europa hat die Grenzen geschlossen. Millionen Flüchtlinge sitzen in Afrika fest. Ohne Zukunft, ohne Hoffnung. Mit so viel Zeit, dass man eigentlich auch zu Fuß nach Deutschland gehen könnte, wäre da nicht die Sahara …

Aber wenn ein Engel käme, der einen beschützt? Wenn der Engel nicht nur einen Flüchtling mitnähme, sondern 150.000? Und wenn dieser Engel nicht vom Himmel käme, sondern vom Fernsehen?

Wie weit könnte man dann kommen? Wie würde Deutschland reagieren?

 

Die Hungrigen und die Satten HB 

Autor: Timur Vermes
Sprecher: Christoph Maria Herbst
Verlag: Luebbe Audio
Erschienen: August 2018
ISBN: 978-3-7857-5800-7
Spieldauer: 555 Minuten, 8 CDs; ungekürzte Fassung

Hier geht's zur Hörprobe


Die Grundidee der Handlung
Timur Vermes verarbeitet topaktuelle Themen und setzt sie in einen sowohl brisanten, als auch gesellschafts- und polit-satirischen Kontext: die Flucht von Millionen Menschen als größtes Gesellschaftsproblem unserer Zeit, das Erstarken und Aufbegehren der rechten Szene in Deutschland, die Wohlstandsansprüche unserer Gesellschaft und die Macht der Medien, insbesondere des Fernsehens. Ein Sonderreihe der Reallity TV Show „Engel im Elend“ wird zum nicht mehr kontrollierbaren Selbstläufer und nimmt für Europa – allen vorweg für Deutschland – politisch wie gesellschaftlich ungeahnte, wenngleich sehr realistische Ausmaße an.

Wo der Großteil der Story einer Mischung aus teils sehr ernsten Hintergründen und amüsanter Satire entspricht, ist das Finale – Vorsicht, Spoiler-Gefahr – schlicht entsetzlich und lässt unbefriedigt zurück, von der Satire ist schließlich nichts mehr übrig geblieben. Hier hat Vermes es meiner Meinung nach unnötig übertrieben, auch wenn er zuvor die Folgen gesellschaftspolitischen Widerstands deutlich vor Augen führt.


Darstellung des Hörbuchs
Christoph Maria Herbst, bekannt als Hauptfigur der Fernsehreihe „Stromberg“, liest mit Begeisterung, einer gewissen Portion Sardonismus und einem verschmitzten Augenzwinkern, das zu den Handlungen dieser Gesellschaftssatire passt. Er füllt sowohl die Geschichte mit ausdrucksstarker Betonung, als auch die Figuren mit ihren individuellen Gesinnungen und Wesenszügen mit Leben. Bundesinnenminister Leubl verfügt über einen sehr ausgeprägten, bayerischen Akzent, spricht oft aber – verglichen beispielsweise mit seiner Enkelin – deutlich leiser als andere Figuren, so dass er teils schwer zu verstehen ist, hört man beispielsweise beim Autofahren zu. Wundervoll hat der Sprecher den herausstechenden Charakter der deutschen Starmoderatorin Nadeche Hackenbusch eingefangen und umgesetzt: humorvoll ist ihr geradezu absurdes Englisch mit einer schrecklich deutschen Grammatik, während ihre tussihaft naive Art und die oberflächliche Bildung mal amüsieren, mal erschrecken. Ganz anders „der Flüchtling“, dessen wahren Namen man bis zuletzt nicht erfährt und der hier Lionel genannt wird – er hat eine auffallend raue, tiefe Stimme, fast schon heiser, dabei aber angenehm. Bei den Mitarbeitern des Senders fallen besonders „die meistens zuverlässige Anke“ mit nuschelndem Klang und einem Akzent, den ich mit der Pfalz verbinde, dem zielstrebigen und selbstbewussten Tonfall von Sensenbrink oder die überzogene, selbst verherrlichende Art von Astrid von Roëll heraus.

Doch nicht immer gelingt es Christoph Maria Herbst, die Charaktere klanglich gekonnt voneinander zu trennen. Bei einem Gespräch zwischen einem Spiegel-Korrespondenten und Sensenbrink, aber auch bei einem Diskurs zwischen dem ehrgeizigen Staatssekretär und einer anderen Randfigur sind die Stimmen derart eng beieinander, dass man kaum nachvollzieht, wer gerade spricht – dies ist höchstens durch die Inhalte der Aussagen noch zu erahnen.

Kurze Musikeinspielungen trennen die jeweiligen Kapitel. Szenenwechsel innerhalb eines Kapitels folgen hingegen praktisch nahtlos aufeinander und sind kaum zu erkennen – nicht selten wurde mir ein solch abrupter Wechsel erst nach zwei oder gar drei, zum Vorherigen nicht mehr passenden, Sätzen bewusst. Hier hätte ich mir ausgeprägtere Pausen zwischen den einzelnen Sequenzen gewünscht.


Aufmachung des Hörbuches
Ein aufklappbarer Pappschuber, dessen Gestaltung sich eng an der Buchausgabe orientiert, bietet sicheren Halt für die acht passend bedruckten CDs, aber auch ausreichend Platz für Kurzinformationen zu Timur Vermes und Christoph Maria Herbst, für bibliographische Angaben, Zitate und Hinweise zum Erstlingswerk „Er ist wieder da“.


Fazit
Mit teils amüsanter, teils bissiger Satire in einer erschreckend realistischen Szenerie führt Timur Vermes dem Hörer die gegenwärtige gesellschaftliche wie politische Entwicklung in Deutschland und eine denkbare, nicht allzu ferne Zukunft vor Augen. Über viele Stunden köstliche Unterhaltung, die zum Nachdenken anregt. Nur das Ende ist schockierend und final unnötig überzogen – schade.


3 5 Sterne


Hinweise
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