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Sie hat einen Menschen erschossen. Im Dienst und aus Notwehr, das hat sie schwarz auf weiß. Doch Chefinspektorin Sigrid Ødegård kommt über den Vorfall nicht hinweg. Denn in Norwegen schießt die Polizei nun mal keine Leute tot. Oslo ist nicht Amerika.
In Amerika sehen Polizisten anders aus. Manche, wie Sheriff Irv Wylie, tragen sogar Cowboyhut und Stiefel. Irv ist auf der Suche nach einem Mann, der seine Freundin umgebracht haben soll. Ein Europäer. Aus Norwegen. Und plötzlich hat Irv die Schwester des Flüchtigen am Hals. Will die Inspektorin aus Oslo Amtshilfe leisten? Oder Fluchthilfe?

 

Sigrid Odegards Reise 

Originaltitel: American by Day
Autor: Derek B. Miller
Übersetzer: Jan Schönherr
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Erschienen: 21.08. 2018
ISBN: 978-3-499-27428-2
Seitenzahl: 416 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Nachdem Chefinspektorin Sigrid Ødegård bei einem Einsatz aus Notwehr einen Menschen erschossen hat, nimmt sie sich eine Auszeit. Zuhause hofft sie, wieder zu sich selbst zu finden. Daheim angekommen, erfährt sie durch ihren Vater, dass ihr Bruder Marcus, der in Amerika lebt und arbeitet, verschwunden ist. Natürlich setzt sich Sigrid in das nächste Flugzeug, um an Ort und Stelle herauszufinden, was geschehen ist. In Amerika angekommen erfährt sie bald, dass Marcus verdächtigt wird seine Freundin ermordet zu haben und von den Behörden gesucht wird.  
Doch Sigrid merkt sehr schnell: Die Art und Weise der Polizeiarbeit in Amerika ist nicht zu vergleichen mit der in Oslo und der zuständige Sheriff Irv Wylie mit seiner Truppe ist so ganz anders als ihre Kollegen in Norwegen. Es dauert auch nicht lange bis sie vor der Entscheidung steht, entweder mit Wylie zusammenzuarbeiten oder auf eigene Faust loszuziehen. Allerdings hat der Sheriff dabei auch noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.


Stil und Sprache
Dieser kurzweilige Roman, in dem der Leser sich einiges über die unterschiedlichen europäische und amerikanische Sitten bzw. Ansichten erliest, ist in der dritten Person geschrieben. Der manchmal etwas distanziert wirkende Schreibstil hebt sich auch durch die - teilweise etwas umständlich wirkende - Ausdrucksweise von anderen Romanen ab. Zudem trumpft der Autor besonders zu Beginn mit übermäßig vielen kreativen Vergleichen auf, etwas, das allerdings im Lauf der Geschichte nachlässt, wodurch man den Eindruck hat, dass sich der Autor langsam einschreibt. Trotzdem gelingt es dadurch nicht ganz so leicht, in die Geschichte hineinzurutschen.

Die Protagonisten Sheriff Irv Wylie und die norwegische Chefinspektorin Sigrid Ødegård beanspruchen den meisten Platz im Roman, da sich viele Szenen hauptsächlich zwischen den Beiden abspielen. Allerdings bekommen in einigen Kapiteln auch Sigrids Vater, Irvs Mitarbeiterin Melinda und Sigrids Bruder Marcus volle Aufmerksamkeit. Kurze Rückblenden der Norweger, die als Erinnerungen in den Text eingearbeitet sind, sollen dem Leser einen besseren Einblick in Vorhergegangenes geben.

Besonders die unterschiedlichen Ansichten und Wertvorstellungen von Sigrid und Irv wurden in den einzelnen Szenen sehr gut herausgearbeitet und es kristallisieren sich bald die verschiedene Herangehensweisen der ungleichen Gesetzeshüter heraus. Auch die Einmischung und Einflussnahme der Politiker in die Ermittlungen des Sheriffs werden gut gezeigt. Und so prallen hier mit Sigrid und Irv zwei Kulturen aufeinander, die zwar ein ähnliches Ziel verfolgen, deren Wahl der Mittel sich teilweise aber komplett unterscheiden.
Alle Handlungsorte wurden gut bildhaft und plastisch beschrieben, sodass man sich die Umgebung - sei es in Sigrids Heimat Norwegen oder in Amerika - gut vorstellen kann.      

Die Action hält sich in Grenzen, da das Hauptaugenmerk auf die Persönlichkeiten und Interaktionen der Figuren untereinander und die kulturellen Unterschiede gelegt wurde. Das lädt dazu ein, sich selbst Gedanken über persönliche Werte und über die tatsächliche Sinnhaftigkeit von gesellschaftlichen Normen und „vorgekauten“ Werten zu machen. Im Roman findet sich der Leser daher manchmal zwischen den unterschiedlichen Ansichten der Protagonisten wieder und es werden auch etliche bekannte Klischees hervorgekramt, die sich jedoch bald als Voreingenommenheit der Figuren entpuppen. Individualität, die Definition von Freiheit, Trauer und Schuldgefühle wurden ebenso in die Geschichte eingeflochten wie die Probleme und Unterschiede, die es in der USA nach wie vor zwischen der weißen und der schwarzen Bevölkerung gibt.

Alle Leser, die einen Roman - der durchaus realistische Szenen zeigt, unbequeme Fragen stellt und sich auch durch seinen Sprach- und Schreibstil etwas von den üblichen Spannungsromanen abhebt - zu schätzen wissen, werden mit diesem Buch bestimmt viel Spaß haben.


Figuren
Die norwegische Chefinspektorin Sigrid Ødegård hadert sehr damit, dass sie im Einsatz einen Menschen getötet hat. Da ist die Suche nach ihrem verschwunden Bruder eine willkommene Ablenkung. Allerdings nur solange, bis sie entdeckt, dass Marcus des Mordes an seiner Freundin verdächtigt und gesucht wird. In Amerika lernt sie einiges dazu und muss sich auch von einigen ihrer Vorurteile verabschieden.  
Marcus Ødegård leidet selbst im Erwachsenenalter noch unter dem frühen Tod seiner Mutter. Eine falsch interpretierte Erinnerung und drückende Schuldgefühle wirken sich auf sein Erwachsenenleben aus und sorgen dafür, dass er nach dem Tod seiner Freundin untertaucht.
Sheriff Irv Wylie ist ein kluger Kopf, der das aber nicht „heraushängen“ lässt. Oft wirkt er durch seine ruhige und bauernschlau-harmlose Art ein bisschen wie „Inspector Columbo“ und man unterschätzt ihn daher leicht. Er ist definitiv kein „Rambo“, sondern setzt auf Verhandlungen und Deeskalation.
Officer Melinda Powell ist nicht sonderlich intellektuell, aber sie ist eine nette und warmherzige Frau, der man ebenfalls weniger zutraut, als sie zu leisten vermag.  
Professor Lydia Jones ist schwarz. Das ist eines der Hauptprobleme der Geschichte, da im Buch auch die Unterschiede zwischen der weißen und schwarzen Bevölkerung gezeigt werden.

Die Hauptfiguren wurden gut ausgearbeitet und sind mit Wünschen, Bedürfnissen und „Altlasten“ bzw. einer Vergangenheit ausgestattet. Durch die unterschiedlichen Ansichten, Vorgehensweisen und Situationsbewertungen zwischen Sigrid und Irv sind Konflikte vorprogrammiert. Gleichzeitig haben die Protagonisten aber auch genug Platz, damit sie sich weiterentwickeln können. Die Nebenfiguren sind, je nach Wichtigkeit, mehr oder weniger genau charakterisiert und spielen meistens eine eher untergeordnete Rolle.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Klappenbroschurbuches ist in verschiedenen Rottönen, Orange und Violett gehalten. Mit der stilisierten Cowboy- und Frauenfigur, wie auch dem Sheriffauto hebt sich die Covergestaltung in seiner Einfachheit von vielen anderen Romanen ab. Titel und Autorenname auf dem Buchdeckel sind mit glänzender Farbe gestaltet und fühlbar etwas erhoben. Auf der vorderen Innenklappe findet man eine Szenen aus den Anfangsseiten den Buches. Im Innenteil des Einbandes ist eine Karte mit der Flugroute von Oslo nach Watertown zu finden.

Die Vita des Autors ist auf der hinteren Innenklappe des Einbandes untergebracht, auf dessen Innenseite auch gleich das vorgehende Werk des Autors „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ zu finden ist. Die Geschichte selbst verteilt sich nach der kurzen Widmung auf 412 Seiten, die sich in 44 kurze, mit zusammenfassenden Überschriften versehene Kapitel gliedern. Eine Danksagung des Autors auf Seite 413 schließt das Buch ab.  


Fazit
Ein interessanter Roman, bei dem man die unterschiedlichen Ansichten und Vorgehensweisen der beiden Hauptfiguren im Fall des verschwundenen Marcus Ødegård gut verfolgen kann. Zusätzlich wurden in die Handlung viele unterschiedliche Themen - von gesellschaftlichen Normen und Werten bis hin zu der persönlichen Definition von Freiheit - eingeflochten. Die kurzweilige Geschichte lässt sich definitiv nicht in den 0-8-15-Topf stecken.

Ich würde auf jeden Fall empfehlen die Leseprobe zu nutzen oder einen Blick ins Buch zu werfen, man könnte sehr angenehm überrascht werden!


4 Sterne


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