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Kategorie: Reise

Provinz? Provence? Pfalz!
Willkommen in der Pfalz. Der einzigen deutschen Region, die am Mittelmeer liegt – also zumindest ziemlich nah dran. Dem Land, in dem Pinien und Zypressen am Wegesrand stehen, Feigenbäume wachsen, Mandeln blühen und Wein aus Blumenvasen getrunken wird. Hier sind die Teller (meistens) noch voller als anderswo, die Winzer freigiebiger und die Menschen oft ein bisschen lauter, herzlich und gastfreundlich. Hier lässt es sich flanieren zwischen Weinfesten und Haute Cuisine, tiefem Wald und mediterranem Flair, zwischen Acker und Großem Gewächs, Donnersberg und Betzenberg, zwischen Oggersheim und Weltkulturerbe. Die Pfalz ist anders, oder auf pfälzisch: annerscht! 

Gebrauchsanweisung fuer die Pfalz 

Autor: Christian Habekost
Verlag: Piper Taschenbuch
Erschienen: 3. April 2018
ISBN: 978-3492276986
Seitenzahl: 224 Seiten

 
Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Christian Habekost ist ein Hansdampf in allen Gassen – Germanist, Comedian, Sänger und Krimiautor. Was lag da näher, als ihm ein Buch über die Pfalz anzuvertrauen. Gebürtiger Mannheimer, der er ist, versteht er zumindest schon mal die Sprache; das ist nicht eine, sondern die Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Gebrauchsanweisung für die Pfalz schreiben zu können. Darüber hinaus hat er seinen Wohnsitz ebenfalls über den Rhein in die Pfalz verlegt und so ist es kein Wunder, dass er vom "Pfalz-Virus" angesteckt wurde. Er liebt sie die Pfälzer und ihre Art zu leben. Er möchte dazu gehören, einer von ihnen sein und ist doch mit dem kleinen Makel der rechtsrheinischen Geburt behaftet. Aber für was gibt es denn die "alte Kurpfalz"? Darunter fallen dann auch Mannheim, Heidelberg und noch ein paar Örtchen, die der Pfälzer nicht zur eigentlichen Pfalz zählt; und so ist es auch kein Wunder, dass das Kapitel, das sich mit der Kurpfalz beschäftigt, wie ein Fremdkörper im Buch wirkt. Sowohl inhaltlich, als auch sprachlich. Im eher distanzierten Stil eines Reiseführers berichtet er von den Orten "iwwerm Rhoi" (über dem Rhein).

So ganz anders erzählt er dagegen von der Pfalz. Gelassen und tiefenentspannt, lässt er sich von einem Thema zum anderen treiben und erinnert mich damit an die vielen Weinfestbesucher, die auch von einem Stand zum anderen mäandern, immer auf der Suche nach der besten Schorle und der besten Unterhaltung und schließlich trunken vor Gemütlichkeit und Wein nur noch sagen können "Schä isses". Und so könnte auch der letzte Satz im Buch lauten...

Noch bin ich aber nicht beim letzten Satz angekommen. Man liest und lauscht dem Erzähler, von dem man meint, er säße neben einem. Da wird kein Weinstraßenklischee ausgelassen, der Wein und das deftige Essen über den grünen Klee gelobt und so nebenbei auch gleich Kritik geübt, weil die Gefahr besteht, dass diese "Weck, Worscht und Woi" – Seligkeit nur noch gespielt und nicht mehr gelebt wird, im Freizeitpark genannt Pfalz. Über die Gegensätze, die das Land auch ausmachen, schreibt er besonders gern: "Rübenwinzer" und Rebenwinzer, Rheinebene und Pfälzer Wald, Industrie und Gemüseäcker...und als alles verbindendes Element sieht er die Lebensart der Menschen an. Ihre Offenheit, ihre Neugier und Großherzigkeit haben es ihm angetan. Bei aller Liebe hält er ihnen dennoch den Spiegel vor und als Einheimische habe ich gerade an diesen Stellen am meisten gelacht. Auch andere kriegen ihr Fett weg, mal satirisch, mal ernst, mal recht emotional, aber immer mit Respekt, da wird niemand fertig gemacht. Und das, was er zu Helmut Kohl zu sagen hat, könnte dazu führen, dass sich dereinst die pfälzer Geister, die sich an ihm scheiden, „änonner widder guud sin“ (einander wieder gut sind). Ich hätte ihm gerne noch länger zugehört, aber irgendwann "is a de ledzschde (letzte) pelzer Schobbe (0,5 Liter) all" und man trollt sich nach Hause. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Habekost hin und wieder Worte und ganze Sätze in Pfälzer Mundart einfügt, die aber immer übersetzt werden; und da er als Zugabe auch noch einen kleinen Sprachkurs anbietet, sollte es keine Verständnisprobleme geben.

Ein großer Teil des Textes befasst sich mit der Weinstraßenromantik und dem Pfälzer Wald samt seinen Burgen, und wie der Autor selbst schon gemutmaßt hat, wird man ihm Auslassungen vorhalten, was ich an dieser Stelle nun tun werde. Ich hätte mich gefreut, wenn er sich der Kultur im allgemeinen mehr angenommen hätte. Als Beispiele seien hier angeführt das Straßentheaterfestival in Ludwigshafen, das vielfältige Mundarttheater (auch jenseits des Boulevards) und die sehr lebendige Kleinkunstszene. Trotzdem, seine Gebrauchsanweisung ist ihm gelungen, ja so "simmer" (sind wir). Und wer seine Tipps und Hinweise ernst nimmt und befolgt, wird sich als Tourist oder "Roigschlengerder" (Zugezogener) recht schnell hineinfinden in Landschaft und  Lebensart dieses "Strichs von Land" wie ihn Habekost nennt.

Aufmachung des Buches

Das Cover des Taschenbuches zeigt einen Weinberg mit der Wachtenburg im Hintergrund. Das ist zwar gut gewählt, hat aber den Nachteil, dass es nicht so wirklich auffällt. Immerhin wird der Blick gleich auf Titel und Name des Autors gelenkt. Das Buch hat einen flexiblen Einband und liegt deshalb gut in der Hand. Das griffige weiße Papier ist ganz leicht abgetönt und tut den Augen gut. Eine Karte gleich am Anfang umreißt das Gebiet zwar recht grob, hilft aber dennoch bei der Orientierung. Ein paar wenige Druckfehler haben sich eingeschlichen so wird z. B. aus Ludwig I., Ludwig II. (Seite 108) und niemandem ist aufgefallen, dass das Saarland nicht östlich der Pfalz liegt (Seite 188). Mit dem Quellenverzeichnis schließt das Buch.

Fazit
Eine wunderbare Liebeserklärung an das Land und seine Menschen.


4 Sterne


Hinweise
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