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Weißenburg im Elsass im Jahr 1870: Die junge Waise Irene kommt als Dienstmädchen in das Herrenhaus des reichen Weinhändlers Wilhelm Gerban. Dessen Sohn Franz glaubt an die Ideale der französischen Revolution, wofür sein Vater wenig Verständnis hat. Als Irene auf Franz trifft, verlieben die beiden sich leidenschaftlich ineinander. Doch nicht nur Standesschranken und familiäre Intrigen stehen ihrer Beziehung im Wege. Auch am europäischen Horizont ziehen dunkle Wolken auf: Ein furchtbarer Krieg bricht aus. Gegen alle Widerstände kämpfen die beiden jungen Leute um ihr Glück. Bis das Schicksal unbarmherzig zuschlägt ...

  

In stuermischen Zeiten 


Autor: Marie Lacrosse
Verlag: Goldmann
Erschienen: 23. Juli 2018
ISBN: 978-3442205547
Seitenzahl: 672 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die Familie des deutschen Weinhändlers Wilhelm Gerban lebt in Weißenburg, das im Jahre 1870 zu Frankreich gehört. Er hat sein heruntergekommenes Gut – das nur wenige Kilometer entfernt, aber bereits in Deutschland liegt - vor 20 Jahren mit der Mitgift seiner Frau saniert, musste sich aber dafür dem Wunsch seines Schwiegervaters beugen, dass sein Sohn französischer Staatsbüger wurde. Als der Krieg mit Preußen ausbricht, steht Franz also auf der Seite des Feindes.
Aber nicht nur das entzweit Wilhelm und seinen Sohn. Auch privat ist ihr Verhältnis alles andere als herzlich, denn Franz hat sich weit unter seinem Stand verliebt und zwar in das Hausmädchen Irene, das – ohne es zu wissen - ein Geheimnis mit seinem Dienstherren teilt.


Stil und Sprache
Der Leser erlebt die Handlung – bis auf wenige Ausnahmen – aus der Sicht von Irene und Franz und ist daher immer nah am Ort des Geschehens. Dazu tragen auch die Überschriften der einzelnen Kapitel bei, an denen man sich jederzeit orientieren kann. Marie Lacrosse – die schon unter dem Namen Marita Spang mehrere großartige historische Romane veröffentlichte – hat auch diesmal wieder umfassend und akribisch zu ihrem Thema recherchiert.
Von daher sind ihre Schilderungen der ersten Schlachten des deutsch/französischen Krieges von 1870/71 beklemmend authentisch und  eindringlich. Wie sie selbst in ihrem Nachwort schreibt, musste sie manche Passagen „entschärfen“, um sie ihrem Publikum überhaupt zumuten zu können. Tatsächlich ist es – selbst über den Zeitraum von fast 150 Jahren hinweg -  noch sehr schwer, sich diese Szenen vorzustellen. Aber leider waren sie damals bittere Realität. Neben dem Hauptthema – dem Krieg zwischen Preußen und Frankreich – spielen die Lebensumstände der „kleinen Leute“ - des Hauspersonals und der Arbeiter auf dem Weingut – eine große Rolle. Sie mussten von früh bis spät schuften für geringen Lohn und waren jederzeit der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgeliefert. Auch ihre traurige Situation stellt die Autorin mit viel Einfühlungsvermögen und großer historischer Genauigkeit dar. Man glaubt, die verfallenenen Hütten, die hungrigen Kinder und die verzweifelten Mütter wirklich vor sich zu sehen und kann nicht anders, als mit ihnen zu leiden und zu hoffen, dass sich durch das Eingreifen von Franz Gerban wirklich etwas zum Besseren wendet. Die eindrucksvolle, bildhafte Sprache ist der beschriebenen Zeit angepasst, ein Glossar mit Erklärung veralteter oder französischer Ausdrücke findet sich im Anhang.


Figuren
Die Liebesgeschichte zwischen Irene und Franz bildet nur den Rahmen für die eigentlichen Themen dieses Buches: Den deutsch-französischen Krieg und die gravierenden sozialen Unterschiede zwischen Großbürgertum und einfachem Volk.
Franz ist – im Gegensatz zu seinem Vater – Franzose und fühlt sich dem Leitbild der Revolution von 1789 – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – verpflichtet. Für ihn sind alle Menschen gleich viel wert und danach handelt er auch, indem er sich um die Not der Arbeiter auf dem Weingut kümmert. Auch in seiner Beziehung zu Irene setzt er sich über alle gesellschaftlichen Schranken hinweg und bekennt sich vor seiner Familie offen zu ihr. Während er bei seiner Mutter – die selbst ihre lieblose Ehe nur noch mit Laudanum erträgt – Verständnis findet, unternehmen sein Vater und seine Schwester Mathilde alles, diese Verbindung zu zerstören, allerdings aus völlig unterschiedlichen Motiven, die sich dem Leser erst nach und nach erschließen. Da Irene durch Franz' Teilnahme an den Kämpfen allein zurückbleibt, ist sie diesen Intrigen zunächst schutzlos ausgeliefert. Aber sie ist in den schweren Jahren im Waisenhaus durch eine harte Schule gegangen und hat gelernt, nicht aufzugeben. Auch hat sie durch ihre freundliche und fleißige Art unter den anderen Bediensteten Freunde gefunden, die ihr in höchster Not beistehen und ihr – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – helfen, ihren Peinigern zu entkommen.
Marie Lacrosse beschreibt alle ihre Figuren sehr anschaulich und lebendig, man kann sich jederzeit ein gutes Bild von ihnen machen und ihre Handlungen und Motive nachvollziehen, wenn auch nicht immer gutheißen. Lediglich Mathilde – die Schwester von Franz – ist mir ein wenig zu „schwarz“ dargestellt. Dass sie intrigant und bösartig ist, ihre privilegierte Stellung ausnutzt, um die Dienstboten zu schikanieren und Irene mit ihrem Hass geradezu verfolgt, ist durchaus glaubhaft, dass sie aber auch noch häßlich, fett und geschmacklos gekleidet ist – was bei jedem ihrer Auftritte aufs neue betont wird – erscheint mir doch etwas überzeichnet.


Aufmachung des Buches
Das Cover zeigt vorn ein herrschaftliches Gutshaus inmitten von Weingärten, die sich – über den Buchrücken hinweg – bis auf die Rückseite hinziehen. Unter dem Namen der Autorin ist der Titel in erhabenen schwarzen Lettern aufgeprägt. Beide Innendeckel lassen sich aufklappen und man schaut in einen lauschigen, grünen Laubengang.
2 Zitate des preußischen Generalfeldmarschalls v. Moltke und des schweizerischen Generals Dufour über den Krieg weisen bereits auf die Handlung hin. Es folgen 2 Karten des Elsass um 1870 und eine Liste der handelnden Personen, von denen die historischen mit einem * gekennzeichnet sind.
Zwischen dem Prolog von 1851 und dem Epilog von 1871 gliedert sich die Handlung in 6 Hauptteile, mit 29 Kapiteln und vielen Unterkapiteln, die alle datiert und mit Ortsnamen versehen sind.
Im Anhang finden sich ein Nachwort der Autorin zu „Wahrheit und Fiktion“, ein Glossar und ein Quellenverzeichnis. Eine Leseprobe der Fortsetzung „Das Weingut – Aufbruch in ein neues Leben“ beschließt das Buch.


Fazit
Marie Lacrosse entwickelt ihre Geschichte um "Das Weingut" der Familie Gerban detailreich und spannend vor dem sehr authentisch beleuchteten historischen Hintergrund im deutsch-französischen Grenzgebiet Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.


4 5 Sterne


Hinweise
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