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Gerade erst war Julie nach Kopenhagen gezogen, um Literatur zu studieren. Warum musste sie so jung sterben? Erstochen und von Schnitten gezeichnet?
Es ist ein schockierender Fall, in dem Jeppe Kørner und Anette Werner ermitteln. Als bei Julies Vermieterin ein Manuskript auftaucht, in dem ein ähnlicher Mord geschildert wird, glauben die beiden, der Aufklärung nahe zu sein. Aber der Täter spielt weiter.

 

Krokodilwaechter 

Originaltitel: Krokodillevogteren
Autor: Katrine Engberg
Übersetzer: Ulrich Sonnenberg
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: März 2018
ISBN: 978-3257070286
Seitenzahl: 512 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Wenn frau der Dörflichkeit in die Hauptstadt entfliehen will, kann das in einem Kriminalroman nicht gut ausgehen. Julie zieht von ihrem Heimatdorf zu ihrer Freundin nach Kopenhagen, will dort Literaturwissenschaften studieren und das großstädtische Leben genießen. Ein paar Monate später ist sie tot. Ermordet. Ihre Freundin ist verschwunden und ihre Vermieterin, die emeritierte Professorin Ester de Laurenti, hat einen Kriminalroman geschrieben, in dem sie als Rollenvorbild dient. Der Mord ist ein Abziehbild ihrer Vorlage.

Die beiden Kommissare Kørner und Werner wissen von alldem nichts und stehen beim Anblick der Toten vor einem Rätsel. In ihrem Gesicht hat der Mörder mit einem Messer ein Muster geritzt. Eine Botschaft? Lange tappen die beiden im Dunkeln, bis de Laurenti ihnen ihr Manuskript vorlegt. Ohne das Wissen der Polizei lässt sie sich mit dem Täter auf ein riskantes Spiel ein. „Krokodilwächter“ ist der Auftakt zu einer als Serie angelegten Thriller-Reihe mit Lokalkolorit.


Stil und Sprache
Die Autorin Katrine Engberg ist in Dänemark als Choreografin und Regisseurin bekannt. Sie versteht ihr Handwerk und hat einen ordentlichen Thriller geschrieben. Obwohl die Sprache weder fesselnd noch spannend ist, gefällt der Roman als solide Krimikonstruktion. Der Roman lässt sich, obwohl es sich hier um einen brutalen Mord handelt, eher in Richtung Donna Leon und Martin Walker, beides Autoren, die ebenfalls im Diogenes Verlag veröffentlichen, verorten. Mit einem Hauch Noir und einer Prise Whodunit wird dieser Roman seine Anhänger finden.

Der Einstieg in das Geschehen ist sehr gefühlvoll. Obwohl er mit dem Mord beginnt, lernen wir zunächst den alten Greger kennen, einen Nachbarn Julies. Liebevoll beschreibt sie seine Gebrechlichkeit. Er ist es, der die Leiche in der Wohnung findet und dabei einen Herzinfarkt erleidet. Engberg kann diesen gefühlvollen Stil leider nicht halten, auch ist ein durchgängiger eigener Stil noch nicht erkennbar.

Beide Erzählstränge bringen lange keine großen Erkenntnisse. Der eine begleitet die Vermieterin und Professorin Ester de Laurenti, die ihren eigenen Kopf hat und die Polizisten immer wieder vor neue Aufgaben stellt. Der andere Strang wird von Jeppe Kørner, einer der Polizisten des Ermittlerduos, erzählt und ist der schwächere Teil des Plots. Als Held weiterer Teile der Serie ist er zu distanziert, ihm fehlt es an Sympathie.

Eher untypisch für einen Thriller wird die Ermittlungsarbeit bis ins kleinste Detail beschrieben. Darin zeigt sich Engberg als genaue Beobachterin. Bis fast zum Schluss verläuft der Roman geradlinig, überraschende Wendungen hat sie sich für das Ende aufgehoben. Auch wird der Tropus des Krokodilwächters zu spät erklärt, sodass der Leser lange rätseln muss, worum es sich bei dem in Deutschland doch unbekannten Krokodilwächter handelt.

Figuren
Die Protagonisten der Serie sind das Ermittlerduo Jeppe Kørner und Anette Werner. Jeppe bedient die typischen Stereotypen eines skandinavischen Krimis vom einsamen und vor kurzem von seiner Frau verlassenen Mann. Er ist dauermüde, pumpt sich mit Schmerzmitteln voll, verliert im Dienst zweimal das Bewusstsein, träumt von seiner Exfrau und hat Angst, impotent zu sein. Ab der Hälfte des Buches erlebt der Leser, dass Kørner keineswegs impotent ist. Engberg beschreibt sein Ach und Weh sehr ausführlich, aber leider so emotionslos, dass sich kein Mitgefühl einstellt.

Anette, seine Partnerin, die sich in diesem Buch noch zurückhält, ist das Gegenteil von Jeppe. Sie ist quirlig, denkt schnell, ist glücklich verheiratet. So weit, so Klischee. Die Querelen, die sich bei einer solchen Konstellation unweigerlich einstellen, bleiben erfreulicherweise aus. Die beiden verstehen sich und arbeiten gut zusammen.

Die ehemalige Literaturprofessorin Esther de Laurenti und Besitzerin des Mehrfamilienhauses, in dem Julie ermordet wurde, schreibt in ihrem stillen Kämmerlein einen Krimi. Das Manuskript kennt niemand weiter und doch wurde ihre Julie in ihrer Wohnung exakt nach ihrer Vorlage ermordet. De Laurenti ist als eine sehr sympathische Figur angelegt. Sie besucht Greger im Krankenhaus und kümmert sich um die Belange ihrer Mieter. Auch wenn sie das eine oder andere der Polizei verschweigt, ihr Eigensinn sie beinahe das Leben kostet und sie ein Alkoholproblem hat, ist sie die menschlichste Figur in dem Roman.

Dennoch wirken alle Figuren sehr schablonenhaft. Man gewinnt den Eindruck, sie sind in einem Schreibseminar entstanden, die die immer wiederkehrenden Charaktereigenschaften kopieren, ohne den Figuren eine entsprechende Tiefe zu verleihen. Zu sehr hat sich Engberg auf die Ermittlungsarbeit konzentriert und dabei ihre Figuren und die Story aus den Augen verloren. Diese tritt manchmal auf der Stelle und die Figuren bleiben ein wenig blutleer. Trotzdem hat sie ein Figurensemble geschaffen, aus dem wirklich alle als Täter infrage kommen. Neben dem Vater, der sich des Mordes für schuldig bekennt, von der Polizei aber als unschuldig angesehen wird, kommen die Stiefmutter, ein Ex-Liebhaber, ein Schriftsteller und weitere in Betracht. Das Ende des Romans wartet zwar mit einer verblüffendenen Wendung auf, wirkt aber aufgrund der holzschnittartigen Figuren nicht ganz glaubwürdig.

Aufmachung des Buches
Das Cover ist grandios. Es zeigt zunächst das diogenestypische Format. Anstatt eines Bildes sind Schlitze in dem Umschlag, darunter der blutrote Einband, der durch die Schlitze schimmert. Dieser enorm starke Verweis auf die Handlung ist ein Husarenstück schlechthin.


Fazit
Der als Thriller angekündigte Roman ist eher ein Krimi. Wer klassische Krimis mag, wird hier gut bedient. Die Story selbst ist eine alte Bekannte in neuer Besetzung und Kopenhagener Gewand.


3 5 Sterne


Hinweise
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