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Kategorie: Krimis

Breslau, 1923. In der Stadt treibt ein dämonischer Geheimbund sein Unwesen, die ‚Bruderschaft der Misanthropen’. Aufgenommen werden skrupellose Mörder, bestialische Verbrecher, Menschen mit eiserner Geduld und ohne Gewissen. Wer Mitglied werden will, muss zuvor jemanden umgebracht haben … Der Polizist Eberhard Mock hat noch nie von diesem Geheimbund gehört, als er eines Morgens völlig betrunken in einem Wald bei Deutsch Lissa erwacht, mit rosa Farbe beschmiert und ohne eine Ahnung, wie er hierhergekommen ist. Es werden in rascher Folge mehrere brutale Morde begangen, und bei jeder Leiche findet man Spuren, die auf Mock als Täter hindeuten. Er wird vom Jäger zum Gejagten …

 

 

Autor: Marek Krajewski
Verlag: dtv
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-423-24727-6
Seitenzahl: 271 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Eberhard Mock, ein gefallener und unbeliebter Sittenpolizist, ist in seinem Metier Zuhause. Er und seine Kollegen lassen sich von den Huren, Luden und Hoteliers mit Geld und Naturalien gefügig machen. Er liebt die Frauen und den Alkohol und möchte am liebsten heraus aus der schlecht angesehenen Sittenpolizei, zur Kriminalpolizei. Als er von Mülhaus, dem Chef der Kriminalpolizei Breslaus, um Hilfe bei der Aufklärung eines Mordes gebeten wird, sieht er seine Chance gekommen. Da er sich als Insider perfekt auskennt, soll er zwei ermordete Prostituierte identifizieren. Doch er hat, wie so oft, seine Gefühle nicht im Griff und rastet aus. Da er am Morgen vollkommen verkatert und nackt, mit rosa Farbe an den Händen, irgendwo bei Deutsch Lissa im Wald aufgewacht ist, war sein Nervenkostüm eh schon nicht das Beste. Durch den Fehltritt und die Tatsache, dass er die beiden übel zugerichteten Nutten nicht kannte, war für Mülhaus die Sache erledigt und Mock sah seine Fälle davonschwimmen. Der Versuch, auf eigene Faust den bestialischen Mörder dingfest zu machen, macht seine Situation noch schlimmer und als er erfährt, dass ein inhaftierter Freund von ihm, durch zwei Mitinsassen geschändet, Selbstmord begangen hat, beschließt er sich erneut zu betrinken. Er wacht in einer nach Exkrementen stinkenden Zelle auf, wieder völlig nackt. Seine Fingerabdrücke wurden auf dem Gürtel, mit dem die Nutten ermordet wurden sichergestellt und Mock wird wegen Doppelmordes angeklagt. Er kommt in dieselbe Zelle wie sein Freund und auch er soll geschändet werden. Doch die Rechnung wurde ohne Mock gemacht. Er tötet Dziallas, einen der beiden Gefangenen, und gilt ab da als ‚Atemloser’, einem, dem niemand etwas anhaben kann. Bei seiner Überführung nach Königsberg wird er von als Vogelwesen verkleideten Männern befreit und an einen geheimen Ort gebracht. Dort macht er Bekanntschaft mit den Misanthropen, einem Geheimbund, der Breslau vom Gesinde befreien will. Mock gilt durch seine Tat im Gefängnis als Anwärter für die Mitgliedschaft im Bund. Er nimmt die Mitgliedschaft an, um sich an seinen Peinigern zu rächen. Doch noch weiß er nicht wer hinter dem Verrat an ihm steckt.


Stil und Sprache
Wer einen guten Umgangston gewohnt ist und noch dazu schwache Nerven hat, sollte die Finger von Krajewski’s Roman lassen. Seine Sprache passt sich klar und deutlich dem Milieu und der Zeit, in der die Geschichte spielt, an. Der Text ist geprägt von harten, dreckigen Worten. Und genau das macht die Geschichte so authentisch. Hier wird nichts verschönt, Umstände und Szenen werden so beschrieben wie sie sind. Wenn es nach Scheiße und Urin stinkt, die Wanzen und Kakerlaken im Zimmer umher kriechen, wenn die Knochen mit einem feuchten Knacksen brechen, wird dem Leser die düstere Stimmung, die Angst, der Dreck allgegenwärtig. Man fühlt sich in die Zwischenkriegszeit versetzt, sieht die Personen, denen nicht selten Gewalt und Alkohol wichtiger sind als Körperhygiene. Auch die Sexszenen werden ohne Zurückhaltung dargestellt. Das Buch trieft nur so vor Schmutz und Gewalt.

Krajewski erzählt Mocks Geschichte und beginnt mit einer Begebenheit viele Jahre zuvor. Was für den Leser erst verwirrend ist, erschließt sich dann ganz am Schluss. Dort werden die Parallelen zum Anfang der Story ersichtlich und sorgen so für ein ‚Aha’-Erlebnis. Das springen zwischen den einzelnen Handlungsstränge wirkt auf den ersten Blick zwar durcheinander, doch nach nur kurzer Zeit offenbart sich dem Leser der Zusammenhang.


Figuren
Marek Krajewski hat nicht nur bei den Szenen-Details seiner Geschichte die sehr gute Recherche der Zeittypika gezeigt, auch bei der Ausarbeitung seiner Figuren merkt man den Hang zur Detailliebe und genauen Anlehnung an die Epoche. Die düstere Stimmung, die sein Roman versprüht, findet sich auch in den Personen wieder. Allesamt durchweg negative Charaktere, die trotzdem nicht überzeichnet wirken. Allen voran natürlich Eberhard Mock. Er wird oft als Anti-Held bezeichnet, was ich in seinem Fall nicht recht verstehen kann. Klar hat er auch seine Schattenseiten, die Liebe zu den Frauen, vor allem den Prostituierten, die Alkohol-Exzesse und die brutale Gewalt gegenüber seinen Feinden. Doch wenn man ehrlich ist, in der Zeit und dem Milieu, in dem er lebt, versucht er einfach das Beste aus seiner Situation zu machen. Er muss sich wehren und ihm bleibt oft nichts anderes übrig als zur Gewalt zu greifen. Für mich ist er ein klarer Held, denn nicht wenige würden an seinem Schicksal zerbrechen.

Die Personen sind sehr lebensnah gezeichnet und dem Leser fällt es dank der detailreichen Beschreibungen sehr leicht, sich die Leute vorzustellen. Dies sorgt noch zusätzlich zu den bereits sehr bildhaft beschriebenen Szenen für die dunkle, brutale Stimmung des Romans.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuches ziert ein Gemälde von Juarez Machado welches eine obszöne Partyszene aus den 20er - 30er Jahren zeigt. Anfänglich ist das derbe Bild etwas verwirrend, doch nach den ersten Zeilen zeigt sich schnell, dass das Gemälde optimal gewählt wurde. Am Ende des Buches befindet sich noch ein Glossar mit einer Auflistung der deutschen und polnischen Orte und Strassen.


Fazit
Ein fulminantes, sprachgewaltiges Werk, das durch seinen derben, brutalen Stil bereits an der Grenze zum Thriller ist. Nichts für ein ruhiges Krimivergnügen sondern Spannung von der ersten bis zur letzten Minute.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist
Fall 1: Tod in Breslau
Fall 2: Der Kalenderblattmörder
Fall 3: Gespenster in Breslau
Fall 4: Festung Breslau