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„Revyns Herz schlug im gleichen Takt wie das des Drachen. Er schmiegte sich an das mächtige Tier, als könne er in ihm versinken, bis sie eins waren und er selbst nicht mehr existierte. ‚Danke, dass Du bei mir bist‘, flüsterte er in Gedanken. Und ihm war, als kehrten die Worte von diesem fremden und doch so vertrauten Geschöpf zu ihm zurück.“

Seit uralten Zeiten zwingen die Menschen die Drachen zu Gehorsam und setzen sie in ihren blutigen Schlachten ein. Doch ein unheilvoller Zauber hat von den Tieren Besitz ergriffen – immer mehr lösen sich in Nebeltoren auf oder stürzen sich in den Tod. Nur Revyn kann sie retten: der Junge mit dem Herz eines Drachen. Gemeinsam mit der Elfe Yelanah kämpft er darum, den Untergang der magischen Wesen aufzuhalten…

 

Autor: Jenny Mai-Nuyen
Verlag: cbt
Erschienen: 02.04.2007
ISBN: 978-3-570-30597-3
Seitenzahl: 576 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Nach einer gewaltigen Schlacht zwischen Haradon und Myrdhan ziehen mordende Haradonen durch die myrdhanischen Lande und töten alle, die ihnen begegnen. Als einer der wenigen kann sich Alasar in die geheimen Grotten retten. Dort schart er nach und nach Anhänger um sich und gründet das Höhlenvolk, mit dem er auf den Zeitpunkt der Rache wartet.
Revyn ist ein Waise. Als andere Kinder das Grab seiner Mutter schänden, tötet er sie und flieht zusammen mit dem Drachen Palagrin aus seinem haradonischen Heimatdorf. Bald schon schließt er sich der Armee an und wird ein Drachenreiter. Doch ihm ist eine außergewöhnliche Gabe gegeben, die zu seinem vorherbestimmten Schicksal wird. Als Verbündeter der von den Menschen versklavten Drachen kämpft er für ihre Befreiung – und gegen ihren Untergang…


Stil und Sprache
Jenny-Mai Nuyen nutzt eine einfache und unkomplizierte Sprache, um ihre Geschichte zu erzählen. Passend für das empfohlene Lesealter von 12 Jahren ist der Text jederzeit verständlich, auf Fremdworte wird völlig verzichtet. Dabei ist ihr die Sprachwahl so bildhaft gelungen, dass die Geschichte wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft.

Der Roman wird mit einem Prolog eröffnet, in dem von einer gewaltigen Schlacht zweier Heere berichtet wird. Diese Einleitung macht den Leser sofort neugierig und zieht ihn ins Buch hinein, zudem erzeugt die Autorin direkt Spannung. Dieser Spannungsbogen bleibt im Laufe des Buches nicht konstant, sondern zieht immer wieder mal an, lässt dem Leser aber auch Atempausen. Die Dynamik der Story ist indes durchweg hoch. Geschickt nutzt Nuyen mehrere Handlungsstränge, um dem Leser das Geschehen an verschiedenen Orten zu zeigen.

So gut die Geschichte einerseits unterhält, so verwirrend ist sie. Auch deutlich nach der Hälfte des Buches ist noch immer nicht klar, wohin die Fahrt geht und was das Ganze überhaupt soll. Die am Anfang erwähnte Figur Alasars, dem Führer der Höhlenkinder, taucht nach einer langen Pause erst spät wieder auf, und auch nach zwei Dritteln des Buches zeichnete sich immer noch kein klares Bild ab, was genau eigentlich seine Ziele sind. Der Leser hat zwar eine gewisse Ahnung, die jedoch angesichts dessen, dass ein unterirdisches Reich nicht so unbegrenzt ausgebaut werden kann, dass dessen Krieger gegen eine königliche Armee bestehen können, zu unwahrscheinlich erscheint. Es mag zwar nicht verkehrt erscheinen, den Leser eines Romans etwas zappeln zu lassen, bis klar wird, wohin sich die Ereignisse entwickeln – in diesem Fall hat es mir allerdings zu lang gedauert, bis man den Sinn des Ganzen erkennen konnte.

Auch ließ mich der Eindruck nicht los, dass es sich Nuyen mit Alasar und seinen Plänen ein wenig zu einfach gemacht hat. Als von den Drachen in Haradons Hauptstadt die Rede ist, beschreibt sie die gewaltige Logistik, welche die Haltung der Drachen erfordert, so z.B. die tägliche Entsorgung enormer Dungmengen, die diese Tiere produzieren. Als es Alasar hingegen gelingt, 200 Drachen einzufangen, ist von der Versorgung der Drachen und später auch seiner Truppen keine Rede mehr. Und so fragt sich der Leser nicht ohne Grund, wie es Alasar gelungen sein mag, die Probleme der Ver- und Entsorgung zu lösen.

Alles in allem eine recht gut umgesetzte Idee, die jedoch die eine oder andere Schwäche aufweist.


Figuren
Die Figuren, die in diesem Buch die Bühne betreten und wieder verlassen, sind durchweg gut bis sehr gut ausgearbeitet. Sie alle haben eigene Vorstellungen vom Leben, individuelle Sorgen und Ängste, aber auch eigene Motive und Ziele. So kann man sich mit den Figuren so gut identifizieren, als hätten sie wirklich alle existiert.

Das Hauptaugenmerk liegt auf Revyn, der sich am Tod seiner Mutter die Schuld gibt. Als er ihr Grab vor der Schändung schützt und zwei Jungen tötet, kämpft er mit innerer Zerrissenheit und hält sich für einen Mörder. Nach der Flucht aus seiner Heimat schließt er sich der haradonischen Armee an und steigt zum Drachenkrieger auf. Doch er entdeckt eine einzigartige Gabe: er kann mit Drachen kommunizieren und gefangene Tiere zähmen, und so verdient er sich schnell Respekt. Er ist wohl derjenige, der sich im Laufe der Geschichte am meisten entwickelt, doch soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden, um nicht zu viel zu verraten.

Sehr gelungen ist auch sein Gegenspieler Alasar. Nach einem traumatischen Erlebnis in seiner Kindheit flüchtet er mit einigen anderen in die Höhlen Myrdhans. Nach und nach schart er andere Waisenkinder um sich, gründet das Reich der Höhlenkinder und stellt sich bereits mit 11 Jahren als echte Führernatur heraus. Doch Hass, Machtgier und der Gedanke an Rache zerfressen seine Seele und treiben ihn zu unglaublichen Leistungen an. Alasar ist jedoch kein echter Antagonist, vielmehr schwankt der Leser zwischen Mitleid und Abscheu.


Aufmachung des Buches
Mir liegt „Das Drachentor“ als gebundene Ausgabe des Bertelsmann Clubs vor, die eine andere Gestaltung hat als die Ausgabe aus dem Hause cbt. Das Buch ist in dunklen Rottönen gehalten, das Cover dominiert durch ein Drachenauge, in dem sich rote Flammen spiegeln. Darüber setzt sich in silberner Farbe der Name der Autorin, darunter der grünmarmorierte Titel des Buches ab.

Zu Beginn des Buches findet der Leser eine grobe Karte der haradonischen und myrdanischen Provinzen, die beim Lesen des Romans ungemein hilft, die Orientierung zu behalten. Zu Beginn jedes der vier Teile findet sich eine schöne Strichzeichnung, die einen der Orte zeigt, die in die folgenden Handlungen spielen. Die Buchteile sind wiederum in nicht zu lange Kapitel untergliedert.

Zum Abschluss wurde noch ein Nachwort der Autorin mit aufgenommen.


Fazit
Mit „Das Drachentor“ hat Jenny-Mai Nuyen ein in weiten Teilen spannendes Jugendbuch im High-Fantasy-Bereich geschrieben, das den Leser zwar zu fesseln vermag, ihn aber sehr lange im Unklaren lässt und daher nicht selten verwirrend erscheint. Insgesamt eine gute Idee, die sich in der Umsetzung die eine oder andere Schwäche erlaubt.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de
Anmerkung: Die Ausgabe bei amazon.de hat eine andere Optik als das hier beschriebene und abgebildete Buch.

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