1934, in Prag, bestaunt der fünfzehnjährige Rabbinersohn Mosche Goldenhirsch im Zirkus die Zauberkunststücke des legendären "Halbmondmanns" und seiner bezaubernden Assistentin - es ist um ihn geschehen, und zwar gleich doppelt. Er rennt von zu Hause weg und schließt sich dem Zirkus an, der nach Deutschland weiterzieht.
2007, in Los Angeles, klettert der zehnjährige Max Cohn aus dem Fenster seines Zimmers, um den großen Zabbatini zu finden, einen alten, abgehalfterten Zauberer. Der Junge ist überzeugt: Nur Magie kann seine Eltern, die vor der Scheidung stehen, wieder zusammenbringen. Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente überspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen.
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Autor: Emanuel Bergmann |
Die Grundidee der Handlung
Leibl Goldenhirsch ist Rabbiner mit Leib und Seele. Die Suche nach Erkenntnis und Wundern treibt ihn an. An all dem mag auch "die ein oder andere Diskrepanz zwischen der lichten Herrlichkeit der Schöpfung und dem verregneten, ärgerlichen Alltag durch den wir Menschen uns schleppen“ nichts ändern. Lediglich die Tatsache, dass er und seine Frau Rifka noch nicht mit einem Sohn gesegnet sind, macht ihn unglücklich. Doch dann - viel zu kurz nach Leibls Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg - geschieht das Wunder. Rifka ist mit einem Sohn schwanger. Mosche, wie sie den Sohn taufen, hat eine gute, aber stark vom Vater und seinem Glauben geprägte Kindheit. Der Vater beginnt zunehmend zu trinken, auch weil er immer wieder daran zweifelt, tatsächlich Vater zu sein und - kurz nach Rifkas Tod - geht Mosche mit dem Schlosser in den Zirkus. Dort erliegt er der Faszination der Magie. Als er nach dem Zirkusbesuch von seinem Vater gezüchtigt wird, beschließt Mosche, das Weite zu suchen. Leider ist der Zirkus schon weitergezogen. Von Prag ausgerechnet nach Deutschland, wo der jüdische Rabbinersohn Mosche Goldenhirsch sein Glück sucht.
Zwei Generationen später erlebt Max Cohen den Albtraum vieler Kinder. Seine Eltern wollen nicht mehr zusammen sein. Doch ausgerechnet im Plattenschrank seines Vaters findet er Hoffnung. Den Liebeszauber des großen Zabbatini. Max setzt alles daran, den Magier zu finden. Als es ihm auf verschlungenen Pfaden schließlich gelingt, reagiert der alte Herr schroff, schließlich hat der kleine Bengel gerade seinen Selbstmord verhindert und so jedenfalls indirekt dafür gesorgt, dass er aus dem Altenheim für Künstler fliegt. Aus Verzweiflung wendet sich nun der große Zabbatini an Max. Plötzlich steht er im Gartev von Max' Eltern. Mit List und Tücke gelingt Max ein Deal. Bis zu seinem in 10 Tagen anstehenden Geburtstag darf der Magier bei ihnen wohnen und Max bekommt eine Zaubershow zum Geburtstag.
Die Grundidee klingt erst unglaublich, wird dann aber wahrhaft magisch. Eine Geschichte, die zwei Generationen und mehrere Kontinente überspannt, der wunderbar naive Glaube eines Kindes, dass die Liebe seiner Eltern durch einen Zaubertrick wiederzubeleben ist und das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. All das verwebt Bergmann zu einer Geschichte, die mal neutral, mal rührend, oft auch beklemmend und manchmal traurig daherkommt, aber nie schwere Kost ist! Davor ziehe ich bereits jetzt den Hut. Das geling ihm für mein Empfinden dadurch, weil er nie die Empathie mit seinen Figuren verliert. Stets ist ein Funken Menschlichkeit und Anstand in der Nähe. Der ist immer genau so dosiert, dass der Schrecken nie verloren geht, aber immer erträglich bleibt. Die Figuren in diesem Buch sind wunderbar menschlich gezeichnet. Mit all ihren Stärken, Schwächen und Fehlern, aber die Elemente der Magie und der Liebe bilden ein großartiges Gleichgewicht zu all dem Grauen. Ein besonderer literarischer Schachzug ist, dass Weisheit, die man von Erwachsenen erhofft, in diesem Buch oft von Kindern kommt. So stellt ein Kind die Frage: "Wie kann es falsch sein, einfach nur zu sein?" Auch in seiner Sprache schafft der Autor es, kunstvoll zu agieren. Mit pointierten Beobachtungen, präziser Sprache, aber auch einer guten Portion Augenzwinkern und Wortwitz ist dieses (Hör-) Buch ein Geschenk für die Literatur. Großartig, wunderbar, magisch!
Darstellung des Hörbuchs
Die ungekürzte Lesung interpretiert Stefan Kaminski atemberaubend. Stets mit der perfekten Dosis und der ganzen Bandbreite der Gefühle. Liebe, Hass, Trauer, Wut, Leichtigkeit, all das wird in diesen fast 10 Stunden beängstigend greifbar. Stimmlich unterscheidet er die Personen großartig, auch Männer- und Frauenstimmen sind klar unterscheidbar. Kaminski pendelt mit geradezu spielerischer Leichtigkeit zwischen Berlinerisch Tschechisch und Jiddisch bzw. Deutsch mit entsprechendem Einschlag. Die Faszination der Magie nimmt man ihm jede Sekunde ab und auch den im Text so wunderbar vollzogenen Spagat zwischen Hoffnung, Liebe, Grauen und Menschlichkeit transportiert er herausragend. Kaminski stellt sich und seine Fähigkeiten nie in den Mittelpunkt, sondern immer in den Dienst der Geschichte und macht dieses Hörbuch gerade damit wahrhaft zu einem Gesamtkunstwerk.
Aufmachung des Hörbuchs
Das Cover des Hörbuches zeigt einen Ausschnitt aus einem Plakat von 1915. Auf ihm ist ein konzentriert wirkender Zauberer zu sehen, der von mehreren seltsam anmutenden Geschöpfen umgeben ist. Zwei wirken leicht unheimlich und weisen entfernte Ähnlichkeit mit Teufeln auf, von einem dritten erkennt man nur die Hand, die es in Richtung Nacken des Zauberers ausstreckt. Geliefert wird das Hörbuch verlagstypisch im Klappdeckelschuber, der auch ein Booklet enthält. Dieses enthält kurze Biografien von Autor und Sprecher, die unter Schwarzweißfotos platziert sind. Darüber hinaus ist auch eine Aufteilung der Kapitel auf die CDs zu finden sowie eine Danksagung. Die verlagstypischen CDs in Weiß mit schwarzer Schrift sind in Pappen verpackt, deren Gestaltung dem Cover entspricht.
Fazit
Braucht man noch eins nach dieser Besprechung? Phantastisch, wunderbar, bewegend, rührend, ehrlich. Dieses Hörbuch ist ein Muss, weil es Kunst ist. Es verzaubert mit einer guten Geschichte, aber auch, weil der Sprecher es versteht, die Besonderheiten dieses Mediums perfekt zur Geltung zu bringen. Dafür würde ich auch 10 Sterne geben, aber ich habe nur 5 zur Verfügung. Die gibt es aber auch mit großer Freude.
Hinweise
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