Smaller Default Larger

Der letzte Sommer der Unschuld

Ein Mädchen verliert die Sprache, ein Mann das Gedächtnis, drei Menschen ihr Leben. In einem glutheißen Bologneser August versucht Commissario Marra das unentwirrbare Knäuel ihrer Schicksale zu entflechten. Doch irgendjemand behindert seine Ermittlungen, begleitet ihn wie ein unsichtbarer Schatten, weiß, was er weiß – und sucht wie er die letzte Zeugin.

 

  Autor: Patrick Fogli
Verlag: Aufbau Verlag
Erschienen: 02/2009
ISBN: 978-3746624877
Seitenzahl: 645 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Alles beginnt damit, dass die Leiche eines seit Monaten vermissten kleinen Mädchens gefunden wird. Commissario Giovanni Marra nimmt die Ermittlungen auf und vermutet schnell, dass es irgendwie um Pädophilie geht, kann aber nichts beweisen. Dann stirbt eine junge Frau, ein Mann wacht nach monatelangem Koma ohne Erinnerung an sein früheres Leben auf, ein weiteres junges Mädchen spricht nach einer Entführung kein Wort mehr. Dass alle diese scheinbar ohne Zusammenhang stattfindenden Ereignisse irgendwie zusammenhängen, vermutet nicht nur Commissario Marra bald. Jedoch ist alles viel verwickelter und gefährlicher, als er es sich zunächst vorstellen kann, so dass weitere Menschen sterben müssen, bis er der Lösung endlich näher kommt.


Stil und Sprache
Auf der Buchrückseite wird dieser Krimi als „schnell, atemlos, wie ein Kinofilm“ beschrieben. Leider sollten Bücher eben nicht wie Kinofilme sein, sondern wie Bücher. Hier folgt eine kurze Szene auf die andere, Perspektiven werden schnell wie im Actionfilm gewechselt, dass man kaum hinterherkommt und oft, leider zu oft, weiß man als Leser gar nicht, wer gerade „dran“ ist. Mal ist es Commissario Marra, dann ein gewisser Nicola, der im Gegensatz zu allen anderen aus der Ich-Perspektive erzählt, dann wiederum tauchen namenlose Personen auf, die nur als „der Schwarzgekleidete“ oder „der Graue“ bezeichnet werden. Spätestens nach einem Drittel des Buches hat man dann als Leser völlig den Überblick verloren und muss dann durch eine (allerdings geschickt eingebaute) „Zusammenfassung“ der Ereignisse quasi wieder auf die Spur gebracht werden.

Der Fall an sich ist unglaublich komplex und durch die teilweise sehr lange Verschleierung der Personen weiß man bis zum Schluss nicht, wer schuldig oder unschuldig ist. Das hält einerseits die Spannung lange aufrecht, ist aber andererseits auf 645 Seiten auf Dauer auch ermüdend.

Sprachlich gibt es aber auch Gutes zu erwähnen, Patrik Fogli hat einen sehr schönen, bildhaften Schreibstil mit treffenden Metaphern und Beschreibungen. Dazu haben seine Charaktere allesamt noch die Marotte, sich in ihren Stimmungen von Musik beeinflussen zu lassen, immer wieder werden Lieder und Musikstücke erwähnt, die auch dem Leser so bekannt sind, dass er mit den gezogenen Vergleichen etwas anfangen kann. Diese kleinen Details machen eine Menge wett!


Figuren
Selten habe ich einen Roman gelesen, in dem so viele Personen maßgeblich an der Handlung beteiligt sind. Das geht leider ein bisschen auf Kosten der Charaktere, die bis zum Schluss etwas gesichtslos bleiben. Man erfährt als Leser allenfalls Bruchstücke ihrer Vergangenheit, wie zum Beispiel bei Commissario Marra, der seine Frau und sein Kind verloren hat oder bei Nicola, der gerade aus dem Irak zurückgekehrt ist und dessen Reise dorthin irgendetwas mit einer gescheiterten Beziehung zu tun hat, ohne dass man Näheres darüber erfährt. Bedingt durch die Neigung des Autors zu Andeutungen bleiben da einfach Lücken, die man auch im Verlauf der Handlung nicht vollständig auffüllen kann.

So richtig identifizieren kann man sich als Leser kaum mit jemandem, weil es eigentlich auch keine echte Hauptfigur gibt. Zwar ist diese Verteilung der Handlungsstränge auf viele Personen für den Fortgang der Handlung unabdingbar und sicher vom Autor so gewollt, aber sie macht eine Annäherung an einen „Helden“ eben unmöglich und lässt einen nicht wirklich mitfiebern.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt auf dem vorderen Cover eine italienische Straßenszene, man blickt durch einen Torbogen auf ein von der Sonne beschienenes Haus. Der Titel ist in weiß gedruckt und wirkt wie aus beschriebenem Papier ausgeschnitten. Rückseite und Buchrücken sind in kiwigrün gehalten. Die sehr langen Kapitel sind jeweils mit Wochentag und Datum überschrieben. Warum der Titel im Deutschen derart verändert wurde (Originaltitel: L’ultima estate di innocenza = Der letzte Sommer der Unschuld), erschließt sich mir nicht, das Original wäre in meinen Augen passender gewesen.


Fazit
Ein Buch für Menschen, die sehr komplexe Kriminalfälle mögen und sich nicht scheuen, auch verworrene Handlungsstränge nachzuvollziehen. Wer einen sympathischen Helden zum Mitfiebern und eine abschließende Auflösung braucht, für den ist dieses Buch eher unbefriedigend.


3 5 Sterne 


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo