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England 1904: Vor zwei Jahren raubte ein schreckliches Unglück Captain Archie Curtis seine Zukunft beim Militär. War es ein Unfall oder Sabotage? Fest entschlossen, die Hintergründe aufzudecken, nimmt er eine Einladung auf ein abgelegenes Anwesen an. Ebenfalls zu Gast ist Daniel da Silva – dekadent, exotisch und kultiviert. Der Poet verkörpert alles, was der geradlinige Offizier fürchtet, und übt doch eine ungeahnte Anziehungskraft auf Curtis aus. Und während die elegante Fassade der Gesellschaft zu bröckeln beginnt und darunter Verrat, Erpressung und Mord zum Vorschein kommen, stellt Curtis fest, dass er den faszinierenden Daniel braucht wie keinen Menschen zuvor …

 

Begegnung um Mitternacht 

Originaltitel: Think of England
Autor: KJ Charles
Übersetzer: Ursula Prawitz
Verlag: Egmont Lyx
Erschienen: April 2016
ISBN: 978-3-7363-0221-1
Seitenzahl: 256 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Exsoldat Archie Curtis ist Gast auf einem Landhaus, dessen Besitzer er verdächtigt, Sabotage begangen zu haben. Durch einen Unfall an Hand und Knie verletzt, ist es sein Bestreben für sein Land und seine geschundene Seele Gewissheit zu bekommen. Als er auf dem Landgut auf Daniel da Silva trifft, ist er zunächst von dem exzentrischen Poeten irritiert, schnell schlägt das aber in Faszination um. Beide Männer fühlen sich wider Erwarten und trotz aller Unterschiede zueinander hingezogen.
Doch Curtis zweifelt, ob er seiner Leidenschaft nachkommen darf und auch der einfach geglaubte Aufenthalt auf dem Landgut entpuppt sich zu einer gefährlichen Reise.

Mit Begegnung um Mitternacht kommt das erste Buch der homoerotischen Autorin KJ Charles auf deutsch heraus. Eingebettet in ein historisches Setting weiß die Autorin meisterhaft den Leser in ein England um 1900 zu entführen.


Stil und Sprache
KJ Charles' Stil zeichnet sich durch eine authentische Schilderung historischer Ereignisse und Darstellungen aus. Man fühlt sich sogleich, was Sprache, Ton und Verhalten der Figuren angeht, in die Zeit nach England um 1900 versetzt. Umgebungen werden geschildert, ohne dabei zu ausschweifend oder langweilig zu werden, es werden die Szenen passend ausgeschmückt, die Unterhaltungen zwischen den Figuren höflich-distanziert, wie es für die Zeit üblich war. Zugleich mischen sich keinerlei moderne Begriffe mit in die Beschreibung, ein Umstand, den andere historisch angehauchte Romane häufig missen lassen. Zugleich weiß die Autorin auch durch ein geschicktes Spiel aus homoerotischer Beziehung zwischen den Figuren, inklusive des damit schwingenden Tabus, Verrat, Spionage und anderen Lasterheiten den Leser zu fesseln. Sie schafft es auf weniger als 300 Seiten eine Geschichte aufzubauen, die nicht nur einen Spannungsbogen hat. Es wird eine Geschichte aufgerollt, dessen losen Enden zufriedenstellend gelöst und ansprechend dargestellt werden.

Neben den wortgewandten Gesprächen zwischen Curtis und da Silva überzeugen im Roman insbesondere die agierenden Nebenfiguren, dazu später mehr.
Es ist sehr authentisch dargestellt, wie die obere Schicht ihre Zeit auf einem Landsitz verbringt. Zugleich wird durch den Aspekt der Spionage eine Art Krimi daraus. Dass Curtis und da Silva im Laufe des Buches zu Partnern werden, macht die Spannung des Buches aus, nicht nur, was ihr Arbeiten angeht, auch auf persönlicher Ebene kommen sich beide Männer näher. Diese sich anbahnende Beziehung der beiden wird zwar langsam und bedacht aufgebaut, dabei wird aber die nötige Spannung beibehalten und man ist als Leser dran, die „Auflösung“ zu erfahren. Die Anziehungskraft der Figuren ist mehr als spürbar, zugleich aber auch das Zögern Curtis'.

Die Geschichte ist in der dritten Person Präteritum geschrieben, der Roman hat also die gängige Erzählzeit, um Distanz und Nähe in Balance zu halten. Dennoch liegt der Fokus ganz eindeutig auf Curtis, von da Silva bekommt man meist nur durch Curtis' Augen oder neutrale Beschreibungen etwas mit. Das macht die Figur geheimnissvoller - ein Aspekt, der gut zu der Rolle da Silvas passt.

Die erotischen Szenen sind dem historischen Kontext angepasst, es knistern und es kommt zu eindeutigen, ausgeschmückten Szenen, dennoch bleiben Gefühle und Zärtlichkeiten nicht aus. Die Mischung trifft KJ Charles gut. Das Ende des Bandes lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Spielraum, um aus dem Einzelband eine Reihe zu machen, wäre da.


Figuren
Archie Curtis, Exsoldat und in seiner Freizeit ehemaliger Boxer, ist der Held der Geschichte. Trotz seiner Verletzung an der rechten Hand, dessen Zeigefinger und Daumen unversehrt blieben und einer am Knie ist er ein stattlicher und ansehlicher Mann hochgewachsener Statur und mit breiten Schultern sowie markanten Gesichtszügen, von da Silva als "Wikinger" bezeichnet.

Daniel da Silva sticht als olivgebräunter Ausländer nicht nur durch seine exzentrische Art hervor, auch sein äußeres Erscheinungsbild lässt die Anwesenden verächtlich die Gesichter verziehen. Sich als Poet vorstellend ist er keineswegs ein Mann, der als kräftig oder gar gefährlich zu bezeichnen ist. Er ist sowohl, was das Optische angeht als auch vom Verhalten das genaue Gegenteil von Curtis. Doch trotz dessen, dass beide Männer so unterschiedlich sind, wie sie nur sein können, ist die Anziehung  beider deutlich spürbar. Durch den Fokus auf Curtis' Gedanken bleibt Daniel weitestgehens verborgen und seine Beweggründe werden nur durch seine Gespräche mit Curtis offenbart. Diese geheimnissvolle Aura, die ihn stets umgibt, macht ihn zu einer interessanten Figur, zugleich ist aber auch Curtis trotz seiner einfacheren Art sehr sympathisch und man schließt ihn ebenso schnell ins Herz.
Beide Männer treibt Unterschiedliches an, bei Curtis ist es die Loyalität zum Vaterland, ein Aspekt, den da Silva weniger teitl bzw. dazu seine eigenen Ansichten hat.

Die Unterschiede in der Herkunft beider Männer und was ihre Stände angeht wurden plausibel problematisiert, ohne dabei unangenehm ins Zentrum gestellt zu werden. Zugleich ist das Hadern Curtis mit seinen Gefühlen und seiner Lust für Daniel, einem Mann, absolut passend wie spannend aufgezogen. K.J. Charles weiß es, den Leser auf Trab zu halten.

Auch die Nebenfiguren haben hier im Buch eine eher aktive Haltung, allen voran die Gäste auf dem Landgut. Besonders die dezent eingebaute Liebesgeschichte zwischen den beiden jungen Frauen ist ein Aspekt, den man bezüglich der Thematik mit einem doppelten Augenzwinkern bedenkt. Daneben  zeigt sich mit den Gästen des Landgutes in einer Nussschale präsentiert das Lasterhafte, sei es dargestellt durch Verrat, Erpressung oder auch inzestuöse Beziehungen. Das viele der Aspekte nebenher laufen und wenig dramatisch, dafür passend und wirksam eingesetzt werden, macht den Roman mit seinen handelnden Figuren zu einer guten Unterhaltung. 


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch in Softcoverbroschur zeigt einen Mann, dessen obere Gesichtspartie nicht zu sehen ist. Im Hintergrund ist ein Landhaus zu sehen. Durch die grünlich-graue Gestaltung hat es eine passend ländliche wie ansprechende Darstellung, die Farben wirken weder kalt noch übermäßig warm, sind aber angenehm anzuschauen. Der Schriftzug ist so platziert, dass er durch die Umrandung ins Auge fällt, aber nicht störend wahrgenommen wird. Die Titelwahl selbst ist gut getroffen, wenngleich der englische Orginaltitel ein wenig zum Schmunzeln anregt, bringt man ihn mit einem umgangsprachlichen englischen Ausdruck in Verbindung.


Fazit
Mit ihrem ersten homoerotischen Roman auf deutsch überzeugt nicht nur KJ Charles, auch die Übersetzerin hat einen tollen Job gemacht. Die Story um Curtis und Daniel ist spannend, erotisch und aufregend. Besonders Fans homoerotischer Geschichten mit historisch gut recherchiertem Hintergrund dürften hier ihre Freude haben. Man kann auf eine Fortsetzung nur hoffen, Pozenzial hat das Buch, wenngleich es angenehm rund endet und keine offenen Fragen zurücklässt.


5 Sterne


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