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Kategorie: Thriller

Wenn jemand dich so gut kennt, dass er jede deiner Reaktionen vorhersehen kann – dann ist das Liebe. Oder der Anfang von etwas Grauenvollem. Delia bekommt immer, was sie will. Sie bringt dich dazu, an allem zu zweifeln, was dir wichtig ist. Bis du deine große Liebe für einen elenden Lügner hältst. Und jeden anderen für einen Mörder.

 

Schoene Maedchen brennen nicht 

Originaltitel: Suicide Notes from beautiful Girls
Autor: Lynn Weingarten
Übersetzer: Leo H. Strohm
Verlag: Fischer Sauerländer
Erschienen: 03/2016
ISBN: 978-3-7373-5383-0
Seitenzahl: 380 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
June trauert um ihre Freundin Delia. Deren Tod zum Jahreswechsel bringt nicht nur ihren Alltag durcheinander, sondern wirbelt auch jede Menge Fragen auf. Und als June erfährt, dass ihre einst beste Freundin bei einem Brand ums Leben kam, ist für sie klar: Das war auf keinen Fall ein Selbstmord. Denn Delia hatte panische Angst vor Feuer. Und so macht sich June auf die Suche nach Antworten und sticht damit ungewollt in ein Wespennest.

Ohne Schnörkel, einfach und mit einem großen Mangel an Respekt hat Lynn Weingarten diesen Thriller zu Papier gebracht.


Stil und Sprache
In Schöne Mädchen brennen nicht gibt es zwei unterschiedliche Erzählperspektiven. Zu Beginn erlebt der Leser die Handlung durch die Ich-Perspektive von June sehr intensiv und unglaublich spannend. Die Handlung springt ab und an mal über ein Jahr zurück, dann mal fast fünf Jahre und in diesen Teilen des Buches wechselt die Perspektive zum personalen Erzählstil. Ab da geht es hin und her. Mal ist der Leser in der Handlungsgegenwart, dann urplötzlich wieder mehrere Jahre in der Vergangenheit von June und Delia. Auf diese Weise baut die Autorin nicht nur eine gute Spannung auf, sie zeigt auch, wie verrückt die Beziehung zwischen den beiden Teenagern war. Denn eines ist klar: Delia und June stammen beide aus zerrütteten Verhältnissen, wobei aber auch deutlich gesagt werden muss, dass Junes Zuhause wesentlich stabiler ist – trotz der alkoholkranken Mutter und auch trotz der Tatsache, dass Delia nach der zweiten Heirat ihrer Mutter nun in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebt.

Ab der Hälfte des Thrillers schlägt die Autorin eine andere Tonart an, wechselt ständig die Perspektive und es wird geschmacklos, krank und abstoßend. In ihrer Sprache bleibt sie geschliffen und sehr gut, keine Frage, und dafür muss auch ein Lob ausgesprochen werden. Aber die Tatsache, dass sie sich über das Thema Suizid, und was dies für verzweifelte, trauernde Hinterbliebene bedeutet, lustig macht, sogar noch genüsslich in dieser nie ganz heilenden Wunde herumstochert, das ist genau der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Delia und June wechseln sich in der zweiten Hälfte im Erzählen ab. Dabei kommt ein kranker Mensch zum Vorschein, der eiskalt über Leichen geht, keine Grenzen kennt und Suizid als grausamen Vorwand benutzt, um Rache zu nehmen und am Ende sogar einen kaltblütigen Mord zu begehen. Und genau da hören mein Verständnis und die bis dahin angehaltene Lesefreude auf. Denn die Autorin bietet in diesem Buch nicht nur eine 1A Anleitung, wie man einen Mord durchführt - und das ganz ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen -, sie präsentiert das auch so, als ob das absolut in Ordnung wäre. Dass am anderen Ende in fast allen Fällen trauernde, verzweifelte Angehörige zurückbleiben, die auf ihre Frage nach dem warum niemals eine Antwort bekommen werden und sich mit der grausamen Lücke und dem unschönen Stempel des Suizid irgendwie arrangieren müssen, das lässt Lynn Weingarten nicht nur völlig außer Acht, nein, sie lässt auch jegliches Feingefühl gegenüber diesem sensiblen Thema missen.

Keine Frage, ihre Sprache, ihre Wortwahl und der psychologische Aspekt sind in diesem Thriller sehr gut ausgedrückt, und in der ersten Hälfte ist der Spannungsaufbau nicht zu überbieten. Doch danach lässt die Autorin jeglichen Anstand buchstäblich in den Wind schießen und zerstört alles, was sie sich an Lesebegeisterung beim Leser aufgebaut und verdient hatte. Wer so unsensibel und rücksichtslos mit einem brisanten Thema umgeht, der sollte die Finger davon lassen.


Figuren
Ein manipulatives Miststück, das ein perfides Spiel spielt und offensichtlich im wahrsten Wortsinn krank ist, ein Mädchen, das eine alkoholkranke Mutter hat, die Sehnsucht nach einem Wir-Gefühl, und ein reicher Schönling, der nur die Sonnenseite des Lebens kennt. Lynn Weingarten macht vor nichts halt, was ihre Charaktere betrifft. Für den Leser ist es nicht immer einfach, die Figuren zu durchschauen. Aber man ahnt ab einem gewissen Punkt, dass sich da noch etwas Unerfreuliches im Busch befinden muss, denn alles andere würde keinen Sinn machen.

Delia ist eine Lügnerin, eiskalt und das was man allgemein als durchgeknallt bezeichnet. Regeln gibt es für andere, aber nicht für sie. Anfangs hat man als Leser noch das Gefühl, okay, die kommt mit der neuen Situation daheim nicht zurecht, und biegt sich die Welt so zurecht, wie sie sie am liebsten hat. Doch dann kommen Drogen und Alkohol ins Spiel und sie wird zum absolut unberechenbaren Faktor. Gegen Ende wird klar, dass sie etwas getan hat, einfach nur, weil ihr der Sinn danach stand, aber nicht, weil sie wirklich einen Grund dafür hatte. Denn sie hat ihrer geliebten June eine Lüge aufgetischt, die fatale und tödliche Folgen hat.

June ist einerseits naiv, andererseits hat sie aber auch schon Dinge erlebt, die kein Teenager ihres Alters überhaupt erlebt haben sollte. Durch die Sucht ihrer Mutter weiß sie gewisse Anzeichen zu erkennen, zu deuten und entsprechend zu handeln. Als sie Delia kennenlernt, scheint diese die Antwort auf all ihre Gebete zu sein, bis June merkt, dass einiges einfach nicht zusammenpasst. Doch June ignoriert die Warnzeichen, ignoriert das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt und das nur, weil sie endlich eine Familie haben will, in der sie Teil des Ganzen ist. In der sie akzeptiert wird, wie sie ist. Als sie Stück für Stück sieht, was ihre einst beste Freundin mit den Leben anderer gemacht hat und sie zu ahnen beginnt, dass diese Art von Liebe keine gute ist sondern eine kranke Form, da ist es zu spät. Sie hat sich mitschuldig gemacht und nur noch einen Ausweg.


Aufmachung des Buches
Diese Klappenbroschur ist optisch nicht wirklich ansprechend. Flammen und ein leicht verzerrt wirkender Buchtitel wirken vor dem dunklen Hintergrund nicht unbedingt einladend. Ein einleitender Text zum Thriller selbst steht auf der Buchrückseite vor dem gleichen Flammenbild, nur dass dieses hier seitenverkehrt ist.


Fazit
Würde in diesem Thriller ein hochsensibles Thema nicht der Lächerlichkeit preisgegeben (und damit umgegangen wie der sprichwörtliche Elefant sich im Porzellanladen verhält) und unverfroren eine glasklare Mordanleitung als Teil der Handlung dargestellt, wäre Schöne Mädchen brennen nicht ein absolut gelungenes Buch. So erregt es nur Unverständnis. Ich kann hier leider keine Leseempfehlung aussprechen. Eine ganz klare Warnung muss aber ausgesprochen werden: Wer mit dem Thema Suizid – im Besonderen und generell – seine Empfindlichkeiten hat, der sollte von diesem Buch die Finger lassen.


1 5 Sterne


Hinweise
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