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März 1991. Nach einer Party kehrt die 19-jährige Julia nicht nach Hause zurück. Die eher halbherzig geführten  Ermittlungen laufen ins Leere. Eine Leiche wird nie gefunden. Weder die Eltern noch die beiden Schwestern der Vermissten werden je mit dem Verlust fertig. Vierundzwanzig Jahre später erschüttert eine brutale Mordserie den amerikanischen Bundesstaat Georgia. Und die frisch verwitwete Claire ist vollkommen verstört, als sie im Nachlass ihres verstorbenen Mannes brutales Filmmaterial findet, in dem Menschen ganz offensichtlich vor der Kamera auf grausame Weise ermordet werden. Eines der Opfer glaubt sie zu erkennen. Doch was hatte Paul damit zu tun? Wer war der Mensch wirklich, den sie über zwanzig Jahre zu kennen glaubte? Claire begibt sich auf eine lebensgefährliche Spurensuche, die sie immer dichter an eine unfassbare Wahrheit führt. Und an den eigenen Abgrund …

 

Pretty Girls 

Originaltitel: Pretty Girls
Autor: Karin Slaughter
Übersetzer: Fred Kinzel
Verlag: HarperCollins
Erschienen: 12/2015
ISBN: 978-3-95967-007-4
Seitenzahl: 400 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Claire muss hilflos mit ansehen, wir ihr geliebter Mann vor ihren Augen brutal erstochen wird und stirbt. Als sie sich innerlich wappnend auf den Weg zum Leichenschmaus macht, erfährt sie, dass in ihr Haus eingebrochen wurde und das FBI sehr an ihrem Mann interessiert ist. Doch warum? Für Claire macht es keinen Sinn, dass ihr all diese merkwürdigen Fragen gestellt werden und ihr der FBI-Agent fast schon aufdringlich nahezukommen versucht. Erst als sie durch Zufall auf dem Computer ihres Mannes ein schreckliches Video findet und bei der Polizei auf eine Mauer aus Lügen und Falschinformationen stößt, fängt sie an zu graben. Und kommt dabei nicht nur der Lösung im Fall ihrer spurlos verschwundenen großen Schwester auf die Spur, sondern auch ihrer eigenen Lebenslüge.

Leicht ironisch, stellenweise fast schon zu sarkastisch und mit ungewohnter Zurückhaltung hat Karin Slaughter Pretty Girls in Worte gefasst.


Stil und Sprache
Der Thriller wird über zwei Perspektiven erzählt. Da sind die Tagebucheinträge aus der Ich-Perspektive vom Vater der verschwundenen Julia Carroll, die zeigen, was mit der Familie und besonders dem Vater selbst passierte, nachdem die Tochter verschwand. Und es gibt die Handlung der Gegenwart in der personalen Erzählperspektive von Claire, der jüngsten der drei Carroll-Mädchen. Diese schildert, wie es der Familie geht, oder besser gesagt dem Rest, der noch geblieben ist. Und das ist alles andere als schön. Die eine Tochter hat sich mit Mühe und Not eine eigene Existenz aufgebaut und sich praktisch aus eigener Kraft von der schiefen Bahn geholt. Die andere, Claire, lebt ein Leben in Luxus und sieht gar nicht, wie einsam sie im Grunde ist.

Man muss dem Thriller zugutehalten, dass die psychologische Komponente sehr gut gemacht ist. Auch wenn es keine Überraschungen oder gar Schockmomente gibt, für die Karin Slaughter berühmt ist. Das Lesetempo ist fast gemütlich zu nennen, zieht zwischendurch mal etwas an, ehe es kurz nach der Hälfte wieder langsamer wird und zum Ende hin fast ganz stillsteht. Die Autorin verwendet viele Details, die der Handlung eine unglaubliche Streckung geben. Da werden Sachen aufgeführt, die im Grunde nicht wirklich interessant sind und der Spannungsbogen ist ein stetiges Auf und Ab. All das kenne ich von der Autorin so nicht. Für mich war da von „nervenzerfetzend spannend und atemberaubend düster“, wie der Thriller auf der Rückseite des Schutzumschlages angepriesen wird, nicht viel zu merken.


Figuren
Karin Slaughter bedient mit ihren Figuren diesmal so ziemlich jedes Klischee, das möglich ist. Der strahlende reiche Selfmademan hat eine mehr als dunkle Seite, eine Mutter behält die Wahrheit für sich und zerstört damit ihre restliche Familie und dann sind da noch zwei Töchter, die mit Verlust völlig unterschiedlich umgehen. Die eine wird im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar und macht das zur Perfektion, die andere gerät total auf die schiefe Bahn und zieht sich Drogen rein, wo es nur geht. Und ein Vater verschreibt sich komplett der Suche nach seiner ältesten Tochter und sieht als Einziger die Wahrheit. Nur kann er sie dummerweise seiner verbliebenen Familie nicht mitteilen, da diese ihm nicht glauben würde. Und das Drama geht weiter.

Claire ist reich, hat einen hingebungsvollen Ehemann und genießt das Leben in vollen Zügen. Besser gesagt, sie macht das, was sie darunter versteht. Entscheidungen treffen und planen, das überlässt sie ihrem Mann. Mit dessen brutalem Tod hat das beschauliche Leben ein Ende, denn Claire muss erkennen, dass sie eine Fassade gelebt hat. Reich ist sie nach wie vor, das ist nicht das Problem, aber sie muss erkennen, dass nicht nur sie sich verstellt hat, nein, auch ihre Ehe war nichts als ein Blendwerk. Die Realität zwingt sie buchstäblich in die Knie und sie macht das Einzige, was sie meint zu können: Sie sucht sich eine vertraute Person, die für sie die Dinge wieder richten soll und ihr die Kontrolle abnimmt. Leider muss man manche Dinge selbst wieder ins Lot bringen, und so hat Claire keine andere Wahl, als sich selbst um Gerechtigkeit zu bemühen, nachdem erneut ein Familienmitglied entführt wird.

Claires Mutter ist alles andere als eine hingebungsvolle und liebevolle Mutter. Zumindest nicht mehr, seit ihre Älteste spurlos verschwand. Ab dem Moment zieht sie sich vollkommen in sich selbst zurück und geht nur noch gelegentlich mit ihrer Jüngsten in ein Museum oder zum Essen. Ihre Art ihrer Tochter zu zeigen, dass sie weiß, dass diese auch noch da ist. Doch ansonsten ist sie zugeknöpft, reserviert und weder hilfsbereit noch kümmert sie sich groß um die anderen. Erst als sie begreift, dass das Drama, welches viele Jahre zuvor begann, und von dem sie dachte, dass es eigentlich vorbei wäre, sich erneut mit aller Macht und Grausamkeit zurückmeldet, sieht sie, wie falsch ihr Handeln war und ist plötzlich die Mutter, die Claire und Lydia früher so dringend gebraucht hätten.


Aufmachung des Buches
Der Thriller wurde als schwarz gebundenes Buch mit einem schwarzen Leseband herausgegeben. Ein hellgrauer Schutzumschlag, der aussieht wie gefleckter Marmor, zeigt ein Covermotiv, das im Katalog vor einigen Monaten wesentlich besser aussah als jetzt real. Da war viel Pink zu sehen, was dem Cover eine gewisse Frische verlieh. Jetzt ist das alles grau und sieht fad aus. Im oberen Drittel sind direkt unter dem Autorenname zwei rote Striche hin gesprüht, die den Buchtitel selbst in weißen Großbuchstaben zeigen. Darunter sind die Profile einer Frau und eines Jungen (nehme ich zumindest an) zu sehen, die in sich ein zweites Hintergrundmotiv zeigen: ein Männergesicht. Auf der Buchrückseite stehen einige Kritiken zum Thriller. Hält man den Schutzumschlag leicht schräg, glänzen die gesprühten Striche, die wohl Blut darstellen sollen. Aus der Nähe betrachtet nicht wirklich schön gestaltet.


Fazit
Keine Frage, es gibt viele psychologische Raffinessen in diesem Buch. Und es ist auch keine Frage, dass so manche Szene wirklich gut dargestellt ist. Aber wer hier einen typischen Karin Slaughter-Thriller erwartet, wie man es von der Grant County Reihe oder ihrer Georgia Serie her kennt (mit Will Trent), der wird das hier nicht finden. Würde vorne nicht der Name der Autorin draufstehen, könnte man fast meinen, das hat ein anderer geschrieben. Schade, aber hiervon habe ich mir eindeutig mehr erwartet.


3 Sterne


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