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Kategorie: Thriller

Stockholm. Ein Junge wird tot in einem Park gefunden. Seit Körper zeigt Zeichen schwersten Missbrauchs. Und es bleibt nicht bei der einen Leiche … Auf der Suche nach dem Täter bittet Kommissarin Jeanette Kihlberg die Psychologin Sofia Zetterlund um Hilfe, bei der eines der Opfer in Therapie war. Ihr Spezialgebiet sind Menschen mit multiplen Persönlichkeiten. Eine andere Patientin Sofias ist Victoria Bergman, die unter einem schweren Trauma leidet. Sofia lässt der Gedanke nicht los, bei ihr irgendetwas übersehen zu haben. Schließlich müssen sich Jeanette und Sofia fragen: Wie viel Leid kann ein Mensch verkraften, ehe er selbst zum Monster wird?

 

Kraehenmaedchen 

Originaltitel: Kråkflickan
Autor: Erik Axl Sund
Übersetzer: Wibke Kuhn
Verlag: Goldmann
Erschienen: 07/2014
ISBN: 978-3-442-48117-0
Seitenzahl: 459 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Kommissarin Jeanette Kihlberg wird zu einem grausigen Leichenfund gerufen. Ein kleiner Junge liegt mumifiziert in einem Müllsack im Gebüsch und es sieht so aus, als ob er vor seinem Tod grausam misshandelt wurde. Je mehr die Kommissarin sich mit dem Fall befasst, umso mehr brutale und abstoßende Dinge bringt sie ans Tageslicht. Leider behindert der zuständige Staatsanwalt immer wieder ihre Ermittlungen und so wird es für Kihlberg und ihr Team ein richtiger Spießrutenlauf. Erst als sie die Psychologin Sofia Zetterlund in ihre Ermittlungen mit einbezieht, beginnen die ihr bekannten Fakten sich langsam zu einem Bild zusammenzufügen, das einen pädophilen Ring und eine vollkommen verkehrte Sicht der Dinge zeigt. Für Kommissarin Kihlberg, die selbst Mutter ist, eine scheußliche und total unnatürliche Welt, und so sieht sie vor lauter Ekel zunächst nicht genau hin, als sie praktisch direkt vor der Lösung steht.

Düster, verhalten und mit einem stellenweise sehr verwirrenden und bedrückenden Schreib- und Sprachstil haben die beiden Autoren Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist alias Erik Axl Sund, den ersten Teil ihrer Victoria-Bergman-Trilogie zu Papier gebracht.


Stil und Sprache
Der Stil der beiden Autoren ist sehr gewöhnungsbedürftig. Einerseits sind sie sehr klar und nur auf das Nötigste in ihren Sätzen beschränkt - fast schon im Telegramstil - und dann gibt es wieder Seiten, wo sie dem Leser unglaublich viele Informationen während einer Szene zum Lesen geben, die nicht immer wirklich für die Handlung notwendig erscheinen.

Krähenmädchen ist ein Thriller, der nicht nur ein klares Bild der skandinavischen Gesellschaft zeigt, sondern auch einen Eindruck kreiert, der irgendwie nicht so recht in die moderne Zeit passen will. So ungewohnt der Schreibstil des Autorenduos auch ist, ihre Psychologie hat Raffinesse. Der Plot geht mit einem äußerst brisanten und von der Gesellschaft gerne totgeschwiegenen Thema um: Pädophilie. Dabei scheut sich das Autorenduo nicht, die dunkelsten Seiten dieser krankhaften Neigung zu zeigen, lässt den entsetzten Leser hautnah erleben, wie krank und verdreht die Denkweise und Sicht dieser Männer ist und zeigt, dass selbst die drakonischsten Folgen nichts daran ändern.

Durch den unabhängigen Erzähler kommt eine Distanz zwischen Leser und Geschichte auf, die es nicht immer leicht macht, den Ereignissen zu folgen. Ab und an werden die Geschehnisse, vor allem die aus der Vergangenheit von Sofia Zetterlund, einer erfolgreichen Psychologin, geschildert. Der Thriller ist schon zu gut drei Vierteln durch, als die Autoren urplötzlich die Perspektive wechseln, die Handlung unglaublich verworren wird und man Szenen und Dinge erneut erlebt. Das irritiert sehr und man muss ein paar Seiten zurückblättern, um zu erfassen, worum es nun eigentlich genau geht. Der konfuse Schreibstil in dieser Szene trägt ein Übriges bei, die Verwirrung noch zu steigern. Ab einem bestimmten Punkt weiß der Leser dann mehr als die Kommissarin und Sofia Zetterlund und das bis dahin geltende Spiel aus Ermittlungen und grausamen Leichenfunden und wie Jeanette und Sofia miteinander arbeiten, kehrt sich nun um. Jetzt erlebt der fassungslose Leser, wer eigentlich hinter Victoria Bergman steckt, und erlebt hautnah die Planung weiterer Morde und deren Durchführung mit. Allerdings hat das auch zur Folge, dass viel von der Spannung weg fällt, die Erik Axl Sund mittels rascher Szenenwechsel und vielen Andeutungen Stück für Stück aufgebaut haben. Das nun beginnende Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kommissarin Kihlberg und dem Täter dient aber offensichtlich zur Vorbereitung auf die beiden anderen Teile dieser Trilogie.

Denn am Ende des Titels ist klar: Den Rest wird der Leser wohl erst in Band zwei und drei vollends erfahren. Am Schluss von Krähenmädchen bleiben viele Fragen ungeklärt und nur die vom unsichtbaren Erzähler kreierte böse Vorahnung auf die Handlungszukunft ist mit Sicherheit greifbar.


Figuren
Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist scheinen von Frauen kein allzu gutes Bild zu haben. Oder wie soll sich der weibliche Leser erklären, dass sowohl die Kommissarin als auch die Psychologin in ihren Leben regelrecht festgefahren sind und sich von ihren Männern so dermaßen herumstoßen lassen? Nein, nicht im körperlichen Sinne, aber gefühlsmäßig. Großartige Beschreibungen der Charaktere bieten die zwei Autoren übrigens nicht. Die Figuren wirken mehr durch ihr Agieren.

Jeanette Kihlberg ist als Mannweib unter ihren Kollegen verschrien. Respekt wird ihr entweder nur äußerst unwillig oder gar nicht entgegen gebracht. Ihre Ehe ist ein einziger Trümmerhaufen und für ihren Sohn nimmt sie sich keine Zeit. Nicht mal, als dieser ein wichtiges Fußballspiel hat, ist sie für ihn da. Entsprechend ist die Quittung, die sie irgendwann dafür erhält. Ihre Arbeit geht vor, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Auf den Leser macht sie einen äußerst burschikosen und dominanten Eindruck. Eine Frau, die fast nichts Weibliches mehr an sich hat und das wenige, das davon noch da ist, übertönt sie gekonnt. Ihre körperliche Figur ist mollig und klein, ihr Selbstvertrauen nach außen hin groß, aber mit ihrer Stellung als Kommissarin hat sie zu kämpfen. Erst zum Ende des Buches hin wird ihr auch eine etwas weichere Seite zugestanden, aber da hat der Leser seinen Eindruck schon gebildet.

Bei den Männern sieht es da schon anders aus. Da gibt es den Künstler, der seit gut zwanzig Jahren nicht ein Werk verkauft hat und vom Geld seiner Frau lebt. Als sich dann aber von heute auf morgen der Erfolg einstellt, ist diese nicht mehr gut genug und wird wie ein schmutziger Lappen entsorgt. Der Lebenspartner von Sofia ist ein richtig selbstsüchtiger Egoist, der nur seine Welt, seine Arbeit und seine Bedürfnisse sieht. Als Sofia nach einer Veränderung ihrer beider Zukunft fragt, sich den nächsten Schritt mit Kindern wünscht und sich entsprechend äußert, muss sie erkennen, dass das, was sie für Liebe hielt, keine war. Die Beziehung endet und Sofia fällt in ein Loch, das dem Leser eine erschreckende Erkenntnis gibt.


Aufmachung des Buches
Diese Klappenbroschur ist optisch alles andere als mein Geschmack. Das Schwarz gibt dem ganzen eine sehr düstere Optik und das Motiv der einsamen Landschaft ändert daran auch nichts. Selbst die Rückseite des Buches ist gestaltet wie die Coverseite. Umgeben von einem merkwürdigen Rahmen, steht der Titel in erhobenen hellen Großbuchstaben in der Mitte des Covers. Der Buchrücken zeigt den Buchtitel in der gleichen optischen Aufmachung sowie die Bandnummer. In diesem Fall eine römische Eins. Auf der Rückseite stehen ein paar Worte zum Thrillerinhalt. Die linke Klappe zeigt ein Farbbild des Autorenduos, die rechte die Covers der ganzen Trilogie. Sieht wirr und wenig ansprechend aus.


Fazit
Wer es besonders düster, komplex und bedrückend mag und den skandinavischen Stil liebt, der wird mit Krähenmädchen sein Vergnügen haben. Und wer es über die etwas zähe erste Hälfte des Buches hinaus schafft, der wird mit einem gut gelungenen letzten Drittel belohnt, das zwar eine ebenso dunkle Aussicht auf den zweiten Band beinhaltet, aber auch neue Spannung und noch mehr psychologischen Nervenkitzel verspricht.

Eine kleine Warnung sei aber vorweggesagt: Wer extrem empfindlich ist, was die sexuelle Misshandlung von kleinen Kindern und deren psychologische Folgen für die Betroffenen als auch die Familie angeht, der sollte von diesem Thriller die Finger lassen. Erik Axl Sund beschönigt nichts und zeigt die schwärzeste Seite der Gesellschaft insbesondere der von Männern auf. Ansonsten empfehle ich es einfach selbst zu lesen und ein eigenes Urteil zu bilden.


4 Sterne


Hinweise
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