Drucken
Kategorie: Romane

Urlaub auf ihrer Heimatinsel Sylt! Selig begrüßt die 46-jährige Christine am Bahnhof ihren Johann, da tippt ihr das Unheil auf die Schulter: Vor ihr steht Tante Inge (64), Papas jüngere Schwester: Aber was macht sie allein auf Sylt? Noch dazu mit so vielen Koffern? Was Christines Familie in den folgenden Tagen entdeckt, verwirrt sie sehr: Die sonst so sittsame Inge süffelt am helligten Tag Sekt, sucht einen Arzt nach dem anderen auf, trifft sich mit einem smarten Mittfünfziger. Will Inge Walter, den pensionierten Finanzbeamten, samt gemeinsamen Reihenhaus in Dortmund nach über vierzig Jahren Ehe verlassen? Als dann auch noch Inges neue Freundin Renate auftaucht mit ihrem Faible für (nicht nur alleinstehende) ältere Männer, platzt Christines Mutter der Kragen: Walter muss kommen und zwar sofort! Inges Lebenslust lässt Christine unterdessen grübeln. Mit Mitte 60 scheint ihre Patentante zu neuen Ufern aufzubrechen - was sie selbst sich nicht getraut. So kann es nicht weitergehen. Schließlich ist Leben Veränderung ...

 

  Autor: Dora Heldt
Verlag: dtv
Erschienen: 05/2009
ISBN: 978-3-423-24723-8
Seitenzahl: 336 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Christine will auf ihrer Heimatinsel Sylt ein paar ruhige Tage mit ihrem Freund Johann verbringen, den sie sonst nur an den Wochenenden sieht. Allerdings macht ihre Familie ihr gehörig einen Strich durch die Rechnung. Erst taucht Tante Inge auf, ohne Walter und darüberhinaus völlig verändert. Kurze Zeit später auch noch ihre neue Kurbekanntschaft Renate, eine exentrische, nervige Person, die nur eines im Kopf hat: Männer, Prominenz und gutes Aussehen.
Christines Mutter sucht Rettung in Schokolade, bis sie sich entscheidet, Walter nach Sylt zu zitieren. Als dann auch noch ein alter Kumpel ihres Mannes auftaucht, flüchtet sie vor der männlichen Skatrunde. Christine und Johann versuchen derweil Herr der Lage zu bleiben, bis sich am Ende alles aufklärt.

Die Grundidee der Handlung bietet eigentlich genug Raum für Witz und Komik. Leider gelingt es Dora Heldt nicht immer, den Leser mit dem Fortgang der Geschichte zu unterhalten. Am Anfang des Romanes kommt zu wenig Spannung auf, zeitweilig ist die Handlung sogar langweilig. Einziger Trost sind die letzten 100 Seiten, in denen endlich etwas Fahrt in die Geschichte kommt. Durch die Auflösung des Verwirrspiels gewinnt das Buch seine Spannungsmomente, wenn auch der Ausgang der Geschichte sehr konstruiert ist. Hier hätte man durch Andeutungen und Vorahnungen, dass die Familie völlig "falsch gewickelt" ist, früher Spannung erzeugen können. 


Stil und Sprache
Dora Heldts Stil ist einfach zu lesen. Ein lockerer Unterhaltungsroman, bei dem man nicht viel überlegen muss. Ihre Sprache ist ebenfalls eingänglich, wenig bildhaft. Die wenigen Vergleiche und Bilder, die Frau Heldt benutzt, sind etwas zu abgedroschen. In der Wortwahl, der Gestalung der Sätze und im Erzählrythmus, hätte Frau Heldt mehr Geschick beweisen können.

Was mich vor allen Dingen nicht überzeugt konnte, sind die Dialoge. Die Gespräche, die die Figuren miteinander führen, wirken zu gestelzt. Beim Lesen einiger Dialoge hat sich bei mir der Eindruck aufgedrängt, dass die Personen so nie miteinander sprechen würden. Frau Heldts Dialogtexte ähneln zu sehr der gesprochenen Sprache. Dadurch lassen sie vor allem Pepp und Sprachwitz vermissen. Schade ist auch, dass den unterschiedlichen Charakteren kein origineller und die Person charakterisierender Sprachstil verliehen wurde. Das macht die Dialoge unnötig langatmig.

Trotz der traumhaften Kulisse Sylt, die die Autorin für den Handlungsrahmen gewählt hat, gelingt es ihr nicht den ganzen Roman hindurch, Stimmung aufkommen zu lassen. Dazu hätte es etwas mehr Erzähltext zwischen den Dialogen bedurft. Sich ein eigenes Bild von Situationen und Orten zu machen, fällt einem als Leser daher schwer.


Figuren
Auch die Figuren haben mich nicht vollends überzeugt. Christine, mit eine der Hauptfiguren des Romans, bleibt zu blass. Das ständige Sichsorgen um die Tante, wirkt aufgesetzt und steht im krassen Widerspruch zu ihrer sonstigen Person. Einerseits offensichtlich Familienmensch, schafft sie es auf der anderen Seite nicht, sich ganz auf Johann einzulassen und zu ihm zu ziehen. Ihre Motive sind nicht immer nachzuvollziehen. Auch die Liebesbeziehung zu Johann, hätte viel emotionaler angelegt werden können. Hier fehlt es vor allen Dingen an Leidenschaft. Schließlich sehen sich beide sonst wenig und wollten einen Liebesurlaub auf der traumhaften Insel verbringen. Dass die kostbaren Tage durch Inges seltsame Wandlung so gestört wird, hätte zu mehr Irritationen führen müssen. Dennoch hat die Autorin sich entschieden, bis auf Christines Bindungsangst die Beziehung der beiden als harmonisch und vertraut darzustellen. Vor allen Dingen Johann ist und bleibt trotz aller Vorkommnisse ein verständnisvoller, zuvorkommender und überlegter - einfach perfekter Mann. Everybodys Darling. Eine so perfekte Partnerschaft ist natürlich in Wirklichkeit das, wovon alle Menschen träumen. Für die Literatur eignen sich solche "Vorbildbeziehungen" leider wenig. Es hätte dem Buch gut getan, die unterschwellig angelegten Konflikte, zu Tage zu fördern.

Dass die Motivation Inges bis zum Schluss des Romans verborgen bleibt, ist vor allem für die überraschende Auflösung der seltsamen Veränderung der Mittsechzigerin notwendig gewesen. Allerdings ist auch die Motivation der anderen Figuren nicht immer nachvollziehbar. Warum z.B. reist Christines Mutter ab, um ebenso plötzlich wieder auf der Bildfläche zu erscheinen? Warum haut Walter, der Gemütsbär, Kampmann plötzlich "eins auf die Nase", während er das ganze Buch über weder Eifersucht noch Interesse am Fortgang seiner Inge gezeigt hat? Warum bleibt Johann trotz vermiester Ferien und Christines Unabhängigkeitsneurose bis zum Schluss der verständnisvolle Vorzeigemensch? Hat Christine wirklich nichts besseres zu tun, um sich die ganzen Ferien Gedanken um ihre Familie zu machen?

Renate, die aufmüpfige, männermordende Nervensäge, ist so überzeichnet, dass sie fast schon wieder gut ist. Sie ist für den einen oder anderen Lacher gut.


Aufmachung des Buches
Bücher aus dem Haus "Deutscher Taschenbuch Verlag" als dtv premium gebunden, sind für Taschenbücher sehr aufwendig gemacht. Durch einen doppelten Deckel sind sie stabiler als andere Taschenbücher und bleiben lange schön.

Das hier besprochene Buch ist überwiegend in einem leuchtenden Blau gehalten. Das Cover trägt eine Zeichnung von Tante Inge, mit ihrem berüchtigten neuen roten Hut, wie sie mit dem Koffer in der Hand auf Sylt ankommt, und durch eine Dünenlandschaft läuft. Durch den bunten Einband und die Zeichnung der Insel, wird es sicher Kunden auffallen, die auf der Suche nach einer Urlaubslektüre sind.


Fazit

Ich finde, dass das Buch weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Aus dem Stoff hätte man mehr machen können, denn die Idee des Buches ist gut. Leider konnte mich Frau Heldts Roman sprachlich nicht überzeugen. Dem Buch hat der richtige Schwung gefehlt wie das Salz in der Suppe.

Wer allerdings auf der Suche nach einer nicht zu anstrengenden, kurzweiligen Lektüre ist, der wird sicherlich an dem Buch Freude haben. Natürlich passt dieses Buch vor allen Dingen in das Handgepäck, wenn man seinen diesjährigen Sommer in einem Strandkorb verbringt.
Da die Kritikpunkte eindeutig überwiegen gebe ich 2 Sterne.


2 Sterne


Hinweise

Dieses Buch kaufen bei: amazon.de