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„Fünf Seiten gebe ich dem Leser. Wenn er sich bis dahin nicht von diesem Buch losreißen konnte, wird er von einem Sog verschlungen, einem Sog aus Amoralität, Lügen und Schamlosigkeit. Thomas Klupp schreibt nicht so harmlos, wie er aussieht, und der spricht aus, was Sie schon immer fühlten, aber nie zu denken wagten.“ Thomas Brussig

  Autor: Thomas Klupp
Verlag: Berlin Verlag
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-827-00843-5
Seitenzahl: 208 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Alexander, der junge Protagonist, möchte mit einer Mitfahrgelegenheit von Berlin nach München fahren, um von dort aus mit seiner Freundin am nächsten Tag in den Urlaub zu fliegen. Bereits zu Beginn der Reise kommt alles etwas anders als geplant und Alexander erlebt einen Tag, der ihn in die ostbayerische Provinz und in seine Vergangenheit führt.

Klupp schafft es, in dieser Geschichte tatsächlich eine ungeheure Sogwirkung zu entwickeln, die es dem Leser kaum ermöglicht, sich zu entziehen. Obwohl Alexander ein Lügner und Blender ist und alles andere als nett mit vielen seiner Mitmenschen umgeht, ist er wunderbar authentisch und deshalb auch durchaus sympathisch. Mich hat die Lektüre sehr beeindruckt, weil Alexander so echt rüberkommt, dass man an keiner Stelle an der Geschichte zweifelt – möge sie auch noch so abstruse Züge aufweisen.


Stil und Sprache
Sprachlich-stilistisch ist Klupp ein Ausnahmetalent. Ich bin froh, dass mich ein Bekannter auf das Buch aufmerksam gemacht hat, da ich sonst wirklich etwas verpasst hätte. Der Autor schildert den Tag im Leben Alexanders derart überzeugend, dass man mitten im Geschehen zu stecken vermeint. Obwohl es sich auf den ersten Blick um eine „alltägliche“ Geschichte zu handeln scheint (junger Mann trampt, gelangt über Umwege in seine ostbayerische Heimat und macht da „einen drauf“), kommt eine ungemeine Spannung auf, weil häufig die innerlichen Vorgänge im Vordergrund stehen. Als Alexander schließlich bei der Kaolingrube „Paradiso“, wo das „Filterwochenende“ (eine Party) stattfindet, eintrifft, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen.


Figuren
Die Figuren sind allesamt hervorragend herausgearbeitet. Es war niemand dabei, dessen Charakter ich als konstruiert empfand. Ich glaube, dass dies auch den starken Reiz ausmacht, der von diesem Buch ausgeht. Es handelt sich überwiegend um Figuren, die einem aus dem eigenen Umfeld vertraut sind. Dies macht in meinen Augen auch häufig das enorm komische Potenzial des Buches aus. Looser-Typen, wie z.B. der Taxifahrer, werden so überzeugend geschildert, dass man oft nicht anders kann, als laut loszulachen.
Auch Alexander ist absolut authentisch. Obwohl er überwiegend mit negativen Eigenschaften behaftet scheint (er lügt, betrügt und ist bisweilen hundsgemein), kann man sich sehr gut mit ihm identifizieren. Mir ging es auf alle Fälle so! Er war mir seltsamerweise zu keinem Zeitpunkt unsympathisch.
Die Nebenfiguren kann man im Grunde in Sieger- und Looser-Typen gliedern (aus Alexanders Sicht). Da ist zum Beispiel Alex' neue Freundin, die makellose Frau, die aber eben zu perfekt für ihn zu sein scheint. Oder die wohlhabenden Eltern, die leider doch nur zwei Versagertypen als Söhne haben.
Viel interessanter als die Siegertypen sind ohnehin die Verlierer. Der bereits erwähnte Taxifahrer, die Ex-Freundin, die aber eigentlich doch reizvoller als die neue erscheint, alte Schulfreunde, die Alex an jeder Ecke trifft – und die Hippiebraut, die ihn in ihrem Bus mitnimmt. All diese Menschen sind so lebendig, dass man sich oft an seine eigene Jugendzeit erinnert fühlt, in der exakt solche Typen vorkamen. Diese Authentizität in der Schilderung seiner Figuren ist eine Meisterleistung, die Ihresgleichen sucht.


Aufmachung des Buches
„Paradiso“ ist ein gebundenes Buch mit Schutzumschlag. Auf dem Cover ist das Unterholz eines Waldes abgebildet, das die Waldszene beim „Paradiso“ heraufbeschwört. Mich spricht die Gestaltung an, weil sie sich in wohltuender Weise vom derzeitigen Einheitsbrei (muss denn alles, was mit Identitätsfindungsprozessen junger Menschen in Zusammenhang steht aussehen wie „Feuchtgebiete“?) abhebt.


Fazit
Dieses Buch hat mich außerordentlich überrascht. Ich habe es in einem Zug durchgelesen und es zu meinem „Buch des Jahres 2009“ erklärt. Für mich ist es auch ein schönes „Sommerbuch“, das übrigens auch Männern wärmstens empfohlen sei - die sind ja manchmal eine etwas schwierigere Zielgruppe und im Bereich der Belletristik etwas heikel.
Unbedingt lesen!



Hinweise
Rezension von Sigrid Grün


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