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Irene von der Reben, schon wenige Monate nach ihrer Hochzeit Witwe, betreibt in den aufkommenden Kriegstagen des Jahres 1940 weiterhin den Gasthof „Brauerschenke“ in Birnow, einer Kleinstadt nahe Berlins. Einer der vielen Gäste ist der Dachdecker und Widerständler Alfred Treppmann, der ihr Herz im Sturm erobert. Doch nicht alle Gäste sind ihr wohlgesonnen. Grammer, angeblicher Feriengast, und in Wirklichkeit Gestapomitglied, betreibt ein böses und hinterlistiges Spiel mit dem glücklichen Paar. Als Alfred in eine seiner Fallen tappt und verhaftet wird, ist auch für Irene von der Reben die Stunde gekommen, in der ihr Leben nur noch am seidenen Faden hängt.

Turbulent, spannend, leidenschaftlich und unterhaltsam schildert Todtenhausen in „Stachelherzen“ schicksalhafte Begegnungen des Lebens in einer 50-jährigen Zeitepoche des vergangenen Jahrhunderts. „Stachelherzen“ steht in seiner Vermengung von geschichtlichen Ereignissen, spannungsgeladenen Episoden und elegant ausgeführter Liebesthematik dem zeitgenössisch-historischen Roman nahe.

 

  Autor: Wolfgang Todtenhausen
Verlag: SelbstVerlag Todtenhausen
Erschienen: 04/2009
ISBN: 978-3-00-026304-0
Seitenzahl: 440 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
„Stachelherzen“ beginnt in Birnow, einer Kleinstadt nahe Berlin, im Jahr 1940, als die Auswirkungen des Krieges allmählich spürbar werden. Der Pfarrer würde sich selbst zwar wohl nicht als Nazi bezeichnen, ist jedoch sehr darum bemüht, sich gut mit den Machthabern zu stellen und spielt diesen durch sein Nichthandeln mehrfach in die Hände. Dies bekommt vor allem der im Widerstand tätige Dachdecker Alfred Treppmann zu spüren, der verhaftet und in das österreichische Lager Mauthausen verlegt wird, wo er bis Kriegsende unter schwersten Bedingungen im Steinbruch schuften muss und dabei homosexuelle und pädophile Neigungen entwickelt. Von der Existenz seiner zuvor in Birnow mit der Wirtin Irene von der Reben gezeugten Tochter Anna erfährt er zeitlebens nie etwas, da er nach der Lagerhaft zu seiner in Wuppertal lebenden Mutter zieht und dort zehn Jahre später stirbt. Irene zieht ihre Tochter alleine auf, verhilft einer jüdischen Familie zur Flucht und baut sich nach dem Krieg unter dem Schutz und mit der Hilfe eines russischen Offiziers ihre Existenz wieder auf. Kurz vor der Wiedervereinigung fliehen ihre Enkelin Sonja und deren Mann Holger in den Westen und landen in Wuppertal, wo sie ausgerechnet bei Rolf Raufenberg wohnen, der als Junge ein Nachbar von Sonjas Großvater Alfred war und von diesem missbraucht wurde. Zwischen Sonja und Rolf entwickelt sich eine Liebesbeziehung, von der ihre Ehepartner zunächst nichts ahnen. Als Rolfs Frau Brigitte schließlich davon erfährt, erzählt sie Sonja, wie ihr Großvater wirklich war, woraufhin es fast zu einem Drama kommt. Letztlich verlassen Rolf und Brigitte Wuppertal, und Sonja und Holger ziehen einige Jahre später zurück nach Birnow, wo Irene im Sterben liegt.


Stil und Sprache
Der Roman lässt sich wunderbar flüssig lesen, da Wolfgang Todtenhausen viel mit wörtlicher Rede arbeitet und von den Handlungen und Gedanken der einzelnen Personen erzählt. Beschreibungen finden sich in diesem Buch eher selten und wenn, dann sind sie nicht weitschweifig, sondern ergänzen auf kurzweilige Art und Weise das Gesamtbild. Der Autor erzählt von Abschnitt zu Abschnitt abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Personen. Sein Fokus liegt auf den Jahren 1940 – 1945; diese ersten drei Kapitel umfassen knapp 300 Seiten. Hier werden die Figuren eingeführt, der Leser lernt sie gut kennen und entwickelt Sympathien und Antipathien. Die letzten drei Kapitel kann man als Schnappschüsse bezeichnen. Kurz gibt der Autor Einblicke, wie das Leben der Hauptfiguren in den Jahren 1955 und 1969 aussieht, bis es im letzten Kapitel zu 1989 wieder etwas ausführlicher wird.


Figuren
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Irene von der Reben, die 1940 mit Anfang 30 schon verwitwet ist und eine Beziehung zu dem Widerständler Alfred Treppmann eingeht, die von beiden geheim gehalten wird. Alfred erscheint zunächst als sympathische Person, kehrt jedoch aus der Lagerhaft als gebrochener Mann zurück, der nicht damit klarkommt, dass er sich in einen jungen Mithäftling verliebt hat und in dem Nachbarsjungen Rolf schließlich einen Ersatz sucht. Alfreds Mutter Berta erfährt nie etwas von den Neigungen ihres Sohnes. Sie ist eine tüchtige und patente Frau, die bereits vor Kriegsausbruch von Birnow zurück in ihre Heimatstadt Wuppertal zog, um dort ihre an Tuberkulose leidende Schwester bis zu deren Tod zu pflegen. Während der Bombenangriffe kommt sie selber fast um, ist aber immer zur Stelle, wenn ihre Nachbarin mit den kleinen Kindern Hilfe braucht.
Im ersten Kapitel des Buches spielt Pfarrer Wankel eine wichtige Rolle, der sich zwar sehr um seine Kirche sorgt, aber dem sein persönliches Wohlergehen letztlich wichtiger ist als das seiner Schäfchen. Er zeigt sich als obrigkeitsgläubiger Mann, der die Entscheidungen und Machenschaften der Nazi weder auf nationaler noch auf lokaler Ebene hinterfragt und sich auch von seiner Frau Ellen nicht von seinem Weg abbringen lässt.

Während Wolfgang Todtenhausen die oben genannten Figuren sehr lebensnah und detailliert darstellt, wirken die Figuren, die in den letzten Kapiteln im Vordergrund stehen, ein wenig farblos. Dies gilt sowohl für Rolf Raufenberg und dessen Frau Brigitte, als auch für Irenes Tochter und Enkelin. Zum Teil liegt es sicherlich daran, dass die letzten Kapitel wesentlich kürzer sind, als der sehr ausführliche Teil des Buches, der sich mit der Kriegszeit und der Zeit unmittelbar nach Kriegsende befasst.


Aufmachung des Buches
Bei dem Buch handelt es sich um eine broschierte Ausgabe mit einem schönen und aufwendig gestalteten Cover. Es ist auf recht dickem Papier gedruckt und daher recht schwer, fast wie ein gebundenes Buch. Auffallend ist, dass die wörtliche Rede immer kursiv gedruckt ist, was einerseits eine interessante Variante darstellt, andererseits aber den Lesefluss etwas stört. Auf der letzten Seite erfährt man in einigen Sätzen etwas über den Autor und seine Motivation, dieses Buch zu schreiben.


Fazit
Mich hat es vor allem beeindruckt, wie gut der Autor den Geist der jeweiligen Zeit durch seine Figuren, ihre Handlungsweisen und Gedanken darstellt. Man merkt dem Buch an, dass gründlich recherchiert wurde. Etwas ambivalent stehe ich den erotischen Szenen und dem im Buch thematisierten Kindesmissbrauch gegenüber. Als erwachsene Leserin empfand ich es als eine gut gelungene Beigabe, denke mir aber, dass das Buch aus diesen beiden Gründen für Minderjährige nur bedingt zu empfehlen ist – was schade ist. Für alle anderen Leser wird der Roman eine Bereicherung sein, da er nicht nur spannend und unterhaltsam geschrieben ist, sondern auch erzählt, wie es dazu kommen konnte, dass ganz normale Menschen, die eigentlich nur in Frieden leben wollten, in der Nazizeit zu Mitläufern wurden und andere auf oftmals unauffällige Weise und in ihren Alltag integriert Widerstand leisteten.


4 Sterne


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