Smaller Default Larger

Ich stolpere die kleine Metalltreppe hinunter und falle um ein Haar über einen Tiger. Tatsächlich, einen majestätischen, leuchtend orange und schwarz gestreiften Tiger. Glücklicherweise trägt er ein Seil um den Hals und wird von einem alten Mann in einem abgewetzten Cord-Overall geführt. Schnell murmle ich eine Entschuldigung. Ich kann mich im wildesten Feierabendgewühl über einen U-Bahnsteig auf der 42nd Street manövrieren, ohne irgendjemandem in die Quere zu kommen, aber hier, mitten im Nirgendwo, muss ich natürlich über einen Tiger stolpern.

 

Mitternachtsclowns 

Originaltitel: That Time I Joined the Circus
Autor: J. J. Howard
Übersetzer: Sandra Knuffinke; Jessica Komina
Verlag: Loewe
Erschienen: 6/2015
ISBN: 978-3-7855-7887-2
Seitenzahl: 269 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe 


Die Grundidee der Handlung
Alexandras Leben wird von einer Minute auf die andere auf den Kopf gestellt, als ihr Vater unerwartet stirbt und sie erfahren muss, dass sie mit Nichts da steht. Ihre Schule weigert sich, sie trotz bezahltem Schulgeld weiter als Schülerin zu akzeptieren, nur weil sie keine Einverständniserklärung eines Elternteils vorweisen kann und ihre Mutter hat sie seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen. Als sie auch noch bei ihren Freunden auf eine eisige Mauer der Zurückweisung stößt, beschließt sie in ihrer Verzweiflung ihre Mutter zu suchen. Ihre Reise führt sie nach Florida zum Zirkus und dort lernt sie ein Leben und Menschen kennen, die ihr etwas bieten, was sie bis dahin nicht gekannt hat: Aufmerksamkeit und einen Platz im Leben. Ihre Suche nach ihrer Mutter gestaltet sich zwar anders als Alexandra gehofft hatte, doch dafür findet sie etwas ganz anderes – etwas was für sie noch viel wichtiger ist als das Finden ihrer Mutter.

Etwas trocken, aber mit Humor und Charme hat die Autorin ihren Roman Mitternachtsclowns in Szene gesetzt.


Stil und Sprache
In diesem Buch wird der Leser durch die Ich-Perspektive von Alexandra abwechselnd durch die Gegenwart und ihre vergangenen Monate geführt. Man erfährt, wie ihr Schulalltag aussieht, wie sie sich fühlt, was sie vermisst und wie sie schließlich ihren eigenen Weg anfängt zu gehen. J.J. Howard hat einen klaren und kurzen Schreib- und Wortstil, auch wenn ihr Tonfall für ein Jugendbuch etwas matt erscheint. Das Lesetempo ist fließend, auch wenn die Geschichte an manchen Stellen ein bisschen eigenartig ist und die Figuren ziemlich abgeklärt erscheinen. Aber so richtigen Zugang hab ich zu diesen bis zum Schluss nicht wirklich bekommen. Eine gewisse Distanziertheit bleibt, auch wenn die Ereignisse alles andere als das sind.

Vielleicht ist es das, was den seltsamen Reiz dieses Romans ausmacht. Die Gegensätzlichkeit von Distanz und Wärme, die doch unterschwellig entsteht. Hier wird der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen auf sensible aber leicht entrückte Weise behandelt, der daraus resultierende Schmerz eines Teenagers nur schemenhaft aber doch wahrnehmbar dargestellt. Schön, gegen Ende wird es dann eine Spur zu rührselig und es geht mir alles ein bisschen zu sehr in Wohlgefallen auf, doch ansonsten ist dieser Roman durchaus auf schöne Weise lesenswert.


Figuren
Große Figurenbeschreibungen gibt die Autorin in diesem Buch nicht. Ihre Charaktere wirken eher durch ihr Agieren. Erst im Verlauf der Handlung gibt es den einen oder anderen Hinweis auf das Aussehen der jeweiligen Darsteller.

Obwohl noch ein Teenager, regelt die Hauptfigur im Grunde all das, was eigentlich ihr Vater regeln sollte. Der jedoch ist als Musiker nicht wirklich alltagstauglich und so wird Alexandra auf etwas ungewöhnliche Weise großgezogen. Ihr persönlicher Stil aus leicht altmodisch und ein bisschen Hippie tut ein Übriges, um sie zu einer Mischung aus unsichtbar und ungewöhnlich zu machen.

Die Autorin zeichnet hier Charaktere auf das Papier, die sehr unterschiedlich sind und trotzdem auf eine gewisse Art gut miteinander harmonieren – solange sie alle mehr oder weniger Kompromisse eingehen. Zumindest was die New Yorker Welt von Alexandra angeht. Wie viele sie dort eingegangen ist und wie sehr ihr diese gegen den Strich gingen, erkennt Alexandra erst, als sie sich von jetzt auf nachher von allen alleingelassen sieht und sich in die ihr fremde Welt des Zirkus begibt. Dort sind die Menschen zwar auch nicht zugänglicher, aber sie verstellen sich auch nicht und nehmen ihre Mitmenschen, wie sie sind. Den Wandel, den die Charaktere in diesem Roman durchlaufen, stellt die Autorin auf interessante und eigenartige Weise dar. 


Aufmachung des Buches
Das weiß gebundene Buch hat auf dem Buchrücken den Titel in matt glänzenden Buchstaben stehen. Der Schutzumschlag ist optisch nicht ganz mein Fall: zu langweilig. Im unteren Coverteil sieht man das Dach eines rot-weiß gestreiften Zirkuszeltes, der Rest vom Motiv zeigt einen blauen Sternenhimmel. Der dient als Hintergrund für die weißen Großbuchstaben des Buchtitels. Hält man das Buch leicht schräg, glänzen diese Buchstaben leicht. Die Rückseite des Schutzumschlags zeigt nur den Himmel und einen kleinen Auszug aus dem Roman.


Fazit
Mit Sicherheit kein gewöhnliches Jugendbuch, das sich der gängigen Masse einordnet. Aber wer etwas gedämpfte Töne, die schillernde Welt des Zirkus als Hintergrund und eine zurückhaltende Hauptfigur interessant findet, der wird hier bestimmt sein Lesevergnügen haben.


4 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo