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Als New Yorker Anwältin hat es Samantha Kofer binnen weniger Jahre zu Erfolg gebracht. Mit der Finanzkrise ändert sich alles. Samantha wird gefeuert. Doch für ein Jahr Pro-Bono-Engagement bekommt sie ihren Job zurück. Samantha geht nach Brady, Virginia, ein 2000-Seelen-Ort, der sie vor große Herausforderungen stellt. Dann anders als ihre New Yorker Klienten, denen es um Macht und Geld ging, kämpfen die Einwohner Bradys um ihr Leben. Ein Kampf, den Samantha bald zu ihrem eigenen macht und der sie das Leben kosten könnte.

 

Anklage HB 

Originaltitel: Gray Mountain
Autor: John Grisham
Übersetzer: Kristina Dorn-Ruhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya
Sprecher: Charles Brauer
Verlag: Random House Audio
Erschienen: 02/2015
ISBN: 978-3-8371-2481-1
Spieldauer: 1039 Minuten, 3 mp3-CDs; ungekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Samantha Kofer hat es geschafft: Sie arbeitet als Anwältin bei einer der größten Kanzleien des Landes in New York. Scully & Pershing beschäftigt 2000 Anwälte in 20 Ländern, 1000 davon auf 36 Etagen in New York. Samantha arbeitet in der Abteilung "Gewerbliche Immobilien". Bei einem Jahresgehalt von 180.000 Dollar (plus Boni) lassen sich die 2000 Dollar Monatsmiete für das Apartment und die gelegentliche Ödnis des Jobs, in dem Samantha nie Menschen, sondern nur Papierbergen begegnet, gut verschmerzen. Doch dann der Schock: Samantha verliert ihren Job. Ja, die Wirtschaftskrise erfasst selbst diese Bereiche. Ohne viel Federlesens macht ihr ihr Arbeitgeber das folgende Angebot: Man würde sie für ein weiteres Jahr sozialversichern, wenn sie ehrenamtlich für eine Organisation arbeite. Wenn sich dann alles wieder beruhigt habe, bekäme sie ihren Job zurück. Samantha landet in Brady, Virginia. Mehr als einmal fragt sie sich, was sie dort soll, in einem verschlafenen Ort, in dem nur der Meth-Konsum höher ist als die Arbeitslosigkeit. Die Antwort begegnet ihr in Gestalt von Menschen. Menschen mit echten Problemen. Da ist Donovan, der junge Anwalt, der sie aus einer misslichen Lage befreit und sich auf Klagen gegen Kohleunternehmen spezialisiert hat. Da ist aber auch die alleinerziehende Mutter, die wegen der Lohnpfändung, die nicht hätte durchgeführt werden dürfen, den Job verliert und mit ihren drei Kindern seither in einem Schrottauto lebt. Und da sind unzählige Menschen wie Buddy Rayzer, die ihre Gesundheit durch den Bergbau ruiniert haben. Nicht zuletzt dadurch, dass bei den Unternehmen Profitgier und die Notwendigkeit billiger Energie dominieren. Umweltzerstörung und Gesundheitsschäden interessieren sie einen Dreck. Samantha beginnt eher unfreiwillig einen Kampf, den viele Menschen mit dem Leben bezahlen.

"Anklage" ist ein untypisch-typischer Grisham. Junge, smarte Anwälte, der Kampf "David gegen Goliath", typisch Grisham. Auch dass es ihm trotz mancher Klischees gelingt, beinahe nie "schwarz-weiß zu malen", kennt man von Grisham. Neu ist dagegen, dass Familienhintergründe detailiert benutzt und benötigt werden, um eine Geschichte schlüssig zu erzählen. Da ist Donovans Hintergrund, um seinen leidenschaftlichen Kampf gegen Kohleunternehmen zu erklären. Da ist Samanthas Hintergrund, der gleich in doppelter Hinsicht bedeutsam wird: Ihre Mutter ist Beamtin im Justizministerium, was sich im Verlaufe der Ermittlung als hilfreich erweisen könnte und da ist ihr Vater, ein gerissener Prozessanwalt mit Spezialgebiet Flugzeugabstürze, den seine Gier - und vielleicht auch die Verbindungen seiner Ex-Frau - ins Gefängnis gebracht haben. Deshalb ist er jetzt kein Anwalt mehr, sondern Berater für Prozessfinanzierung. Samanthas "heile Welt" hatte bereits Risse, bevor sie nach Brady kam, aber ihr persönlicher Rückschlag öffnet sie mehr für Menschen. Ungewöhnlich für Grisham ist die doch ungewöhnlich deutliche Unterteilung in Gut und Böse und auch dass Samantha lediglich das getan hat, was alle in Großkanzleien tun, wirkt manchmal etwas aufgesetzt. Überhaupt bleiben die Personen schlüssig, aber ungewohnt oberflächlich. Vielleicht war Grisham die thematische Auseinandersetzung mit Umweltsünden, einem Wirtschaftssystem, das Mensch und Natur zerstört und einem Rechtssystem, das all dem zunehmend hilflos gegenübersteht, einfach wichtiger. Das gelingt ihm überzeugend und mit ungewöhnlichem Tiefgang. Vielleicht ein Grisham, der aufrüttelt.


Darstellung des Hörbuchs
Charles Brauer ist für mich die Stimme von John Grisham. Wieder einmal gelingt es ihm, stets den richtigen Ton zu treffen. Seine Stimme ist sanft und tief. Herr Brauer versteht es, die Lesung stets ohne übertriebenes Pathos zu lesen. Die Umweltzerstörung trägt er mit beinahe analytischer Präzision vor und genau das ist es, was den Zuhörer schaudern lässt. Die berechnenden juristischen Auseinandersetzungen (Strafe im Verhältnis zu Umsatz und Gewinn) liest er nüchtern und unterkühlt, ohne kalt zu wirken. Die menschlichen Schicksale, die sich dahinter verbergen, liest er je nach Perspektive: Spricht einer der Anwälte aus Samanthas neuer Kanzlei oder ein Einwohner von Brady, so ist immer Anteilnahme und Wärme in seiner Stimme. Wird über sie gesprochen, so wirkt es manchmal, als seien sie nur Figuren auf einem Spielfeld von Giganten. Beängstigend gut. Beindruckt hat mich auch, wie Herr Brauer den Wertewandel in Samanthas Kopf abbildet. Ihre Verwirrung angesichts der Entlassung und das Pro-Bono-Engagement als letzte Chance, ihren eigentlich verhassten Job zu retten, gefolgt von echter Abneigung gegen den Ort, bis hin zu ihrer langsamen Identifikation mit den Opfern. Frustration, Hoffnungslosigkeit werden auf einem langen Weg abgelöst durch Empathie und Zuneigung, bis sie in einem ungeahnten Kampfeswillen enden, der auch von Samantha ungewöhnliche Taten verlangt. Ganz zu schweigen von den Verbindungen, die Samantha nur bekommt, wenn sie sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellt. Großartig gelesen.


Aufmachung des Hörbuchs
Das Cover des Hörbuchs zeigt einen vor Hitze zerspringenden Stein, der zwischen Autorenname und Buchtitel angeordnet ist. Sowohl im Autorennamen, als auch im Buchtitel finden sich Ascheteilchen. Der Staub und die Farbverläufe sind gut zu erkennen. Klappt man den Papp-Schuber auf, so findet man unter den 3 mp3-CDs, die die Covergestaltung aufgreifen, eine Aussage von Ken Follett über John Grisham, sehr kurze Angaben zu Sprecher und Autor des vorliegenden Hörbuchs und schließlich alle erforderlichen bibliografischen Angaben. Nimmt man die CDs heraus, so finden sich das Steinmotiv des Covers und die Hinweise auf zwei weitere Verlagsproduktionen anderer Autoren darunter. Gute, aber extrem sparsame Aufmachung.


Fazit
Grisham ist und bleibt gut. Nicht sein bester Roman, da er an manchen Stellen etwas konstruiert wirkt, aber doch sehr hörenswert.


4 5 Sterne


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