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Hallo Frau Gablé. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit der Leser-Welt nehmen.
Die wenigsten wissen, dass Sie Ihre Schriftstellerkarriere mit einem Kriminalroman begonnen haben. „Jagdfieber“ erschien 1995 und war sogar für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Was hat Sie dennoch veranlasst, sich dem historischen Roman zu widmen?

Kurz nach Beendigung meines ersten Kriminalromans fing ich an, Literaturwissenschaft zu studieren (ich hatte geglaubt, dabei könne man lernen, gute Bücher zu schreiben. Das stimmt aber nur bedingt). Die Studienordnung zwang mich, mittelalterliche Literatur als Nebenfach zu belegen, die mich vom ersten Moment an gefesselt hat. Also machte ich „mittelalterliche englische Sprache und Literatur“ zu meinem Hauptfach, und weil ich mich ständig damit beschäftigte, war es naheliegend, mich auch literarisch einmal in diesem Kulturkreis zu versuchen.


Sie haben drei weitere Kriminalromane geschrieben. Wird es einen fünften Krimi von Rebecca Gablé geben?

Gut möglich. Manchmal überkommt mich bei der Arbeit die Sehnsucht, auch einmal wieder über Menschen zu schreiben, die so „normale“ Dinge tun wie Kaffee trinken, Auto fahren, im Internet surfen etc. Menschen, deren Zeitgeist und Alltagskultur ich nicht erst mühevoll recherchieren muss. Und es gibt ja mehr brisante, aktuelle Themen, als eine Krimiautorin in einem Berufsleben bewältigen könnte. Aber ehrlich gesagt: Wahrscheinlicher ist im Moment, dass ich mal einen Mittelalterkrimi schreibe. Es gibt nämlich nicht sehr viele, die beschreiben, wie Strafverfolgung und Rechtsfindung im Mittelalter wirklich funktionierten.


Ihr neuestes Buch „Von Ratlosen und Löwenherzen“ ist ein Sachbuch der besonderen Art. Ein Buch, das sich selbst nicht ganz ernst nimmt, sozusagen Geschichtsunterricht zum Schmunzeln. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Im englischsprachigen Kulturraum sind humorvolle, kurzweilige Bücher über geschichtliche Themen weit verbreitet. Ich hatte schon lange vor, mich in diesem für mich ganz fremden Genre einmal zu versuchen, allerdings hatte ich ein anderes Thema im Auge. Die Idee, ein solches Buch über das englische Mittelalter zu schreiben, kam aus dem Verlag. Anders als Autoren besitzen Verlagsmenschen gesunden Menschenverstand. „Schreib übers englische Mittelalter“, riet man mir, „sozusagen als Zweitverwertung deiner Recherche. Und was du über das englische Mittelalter sagst, glauben dir die Leute.“ Der Rat hat sich als richtig erwiesen. Aber meine ursprüngliche Idee werde ich irgendwann trotzdem noch verwirklichen, wenn mir niemand zuvorkommt …


Ihre Trilogie über die Waringham-Familie hat ein sehr großes Personal. Wie behalten Sie den Überblick über die vielen kleinen Begebenheiten, die immer wieder eine Rolle spielen?

Das ist nicht so schwierig, wie es sich anhört. Bevor ich ein Manuskript ins Lektorat gebe, habe ich es schätzungsweise fünf oder sechs Mal komplett gelesen. Da prägen sich einfach viele Details ein. Außerdem beschäftige ich mich ja mit dem Personal des jeweiligen Romans zwei Jahre lang. Zeit genug, jede und jeden gründlich kennen zu lernen und auch die kleinen Nebensächlichkeiten zu behalten. Und jedes Mal, wenn ich einen neuen Waringham-Roman anfing, habe ich den bzw. die vorherigen noch einmal gelesen, um meine Erinnerung aufzufrischen.


Die Reihe über die Waringham-Familie ist nun mit „Das Spiel der Könige“ beendet. Werden die Figuren, die Ihnen über die Jahre ans Herz gewachsen sind, nicht fehlen?

Doch.


Ist es nicht schwer, sich einer ganz neuen Geschichte und Familie zu widmen?

Nein. Zwischen Das „Lächeln der Fortuna“ und „Die Hüter der Rose“ − Band 1 und 2 der Trilogie – habe ich drei historische Romane geschrieben, die nichts mit Waringham zu tun hatten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass so lange Pausen einer Serie eher gut tun, als ihr zu schaden. Nach langer Abstinenz nach Waringham zurückzukehren, hat mir ermöglicht, eine neue, eigenständige Geschichte zu entwickeln, die nicht zu abhängig vom Vorgängerroman war.


Nun warten Ihre Fans schon ungeduldig auf einen neuen Roman von Rebecca Gablé. Gibt es Pläne für ein weiteres Buch und können Sie uns ein bisschen über die Geschichte verraten?

Mein neuer Roman heißt „Hiobs Brüder“ und erscheint im Oktober 2009. Er spielt – Überraschung, Überraschung! – im englischen Mittelalter, und zwar im 12. Jahrhundert. Anders als bei allen bisherigen Romanen spielt die politische Historie in „Hiobs Brüder“ aber nur eine untergeordnete Rolle. Die Hauptfigur des Romans ist ein junger Mann, der in einem nordenglischen Kloster aus einem Fieber erwacht und keine Ahnung hat, wer er ist. Ein Kreuzfahrermantel ist der einzige Hinweis auf seine Vergangenheit. Die Mönche des Klosters deuten seine Amnesie als Besessenheit und sperren ihn mit anderen „Narren“ und „Besessenen“ in eine verlassene Inselfestung. Als ihnen die Flucht von dort gelingt, beginnt eine abenteuerliche Reise – ein mittelalterliches Road-Movie, könnte man vielleicht sagen – und für den namenlosen Kreuzfahrer eine mühevolle Suche nach sich selbst.


Es dauerte viele Jahre, bis Sie einen Verlag für Ihren ersten Roman gefunden haben. Worin liegt die Kunst, zwischen der Überzeugung, ein gutes Buch geschrieben zu haben und der Selbstüberschätzung, zu unterscheiden?

Das weiß ich leider auch nicht. Als ich immer nur Absagen von Verlagen bekam, war ich mehrmals an dem Punkt, wo ich dachte: „Gib’s auf, was du schreibst, ist einfach nicht gut genug.“ Irgendwann traut man auch der Unterstützung und den positiven Kritiken von Freunden und Familie nicht mehr, weil die ja immer viel zu wohlwollend sind. Aber trotz dieser Resignation habe ich immer weitergeschrieben. Vermutlich war es das Schreiben selbst, das mich wieder und wieder motiviert hat, die Verlagssuche fortzusetzen. Aber das eigene literarische Schaffen mit echter kritischer Distanz zu betrachten, ist, glaube ich, so gut wie unmöglich. Vor allem dann, wenn man noch am Anfang steht.


Haben Sie Ihr erstes Manuskript mehrmals umgeschrieben, bevor es zur Veröffentlichung kam?

Ja. Mein erster Kriminalroman „Jagdfieber“ spielte ursprünglich in Schottland und war mindestens doppelt so lang wie die veröffentlichte Fassung. Er hat viele Überarbeitungen durchlaufen, die letzte und wichtigste in Kooperation mit meiner Lektorin.


Welchen Rat geben Sie den heutigen unveröffentlichten Autoren, um einen Verlagsvertrag zu erhalten?

Informieren Sie sich gründlich, welche formalen Voraussetzungen zu beachten sind. Sehr hilfreiche Informationen hierzu finden Sie auf den Websites der Verlage, vor allem aber unter www.uschtrin.de und www.andreaseschbach.de. Auch Autorenforen können hilfreich sein. Googeln Sie mal.

Suchen Sie sich einen Literaturagenten. Ohne Agenten läuft heutzutage fast nichts mehr. Leider kassieren sie 15% der (oft mageren) Autorenhonorare, aber dafür holen sie die bestmöglichen Konditionen für ihre Autoren heraus. Auch eine Liste seriöser Agenturen gibt es bei www.uschtrin.de

Haben Sie Vertrauen zu sich selbst und vor allem Geduld. Lassen Sie sich niemals, niemals mit Verlagen ein, die Geld von Ihnen wollen, ganz gleich, ob sie es Druckkostenzuschuss, Mindestabnahme oder sonst wie nennen. Merke: Verlage bezahlen Autoren, nicht umgekehrt. Auch Agenten, die Vorkasse wollen, sind nicht zu empfehlen. All diese schwarzen Schafe versprechen Ihnen das Blaue vom Himmel und loben Ihr Werk, dass Ihnen die Ohren klingeln, aber sie rühren keinen Finger, um Ihr Werk zu vermarkten. Wozu auch, sie machen ihren Profit ja mit zahlungswilligen Autoren. Wie gesagt: Geduld. Wenn Sie gut genug und hartnäckig genug sind, klappt es auch irgendwann bei einem seriösen Verlag bzw. Agenten.


Gibt es ein Buch, das Sie tief beeindruckt hat?

Ungefähr 200, würde ich schätzen.


Ist es für Sie ein Vergnügen, auf Lesereise zu gehen? Kommt es im Anschluss zu vertiefenden Gesprächen mit den Zuhörern?

Lesereisen sind mir ein Gräuel. Das hat aber nichts mit den Lesungen zu tun, sondern mit der Art des Reisens: Jeden Tag vergeudet man etliche Stunden in Zügen, Fliegern oder auf der Autobahn. Und Hotelleben kann ich auch nicht ausstehen. Die Lesungen selber machen mir Spaß, und es ist immer spannend, jeden Abend ein anderes Publikum zu erleben. Die Fragen und Kommentare, die sich anschließend meistens ergeben, sind für mich hoch interessant. Lesungen sind ja die einzigen Gelegenheiten für AutorInnen, wo sich ein unmittelbarer Kontakt mit der sonst eher anonymen Leserschaft ergibt. Aber am Ende einer Tour bin ich so erledigt, als hätte ich jeden Abend einen halben Liter Blut gespendet, statt den Leuten nur ein wenig vorzulesen. Dabei sind meine Lesereisen ja nie lang – mehr als 10, 12 Termine pro Buch mache ich ja gar nicht. Es gibt KollegInnen, die absolvieren 300 Lesungen im Jahr. Es wird mir immer ein Rätsel sein, wie sie es schaffen, dabei noch Bücher zu schreiben.


Neben dem Schreiben singen Sie in einer Rockband. Haben Sie noch Zeit Ihrem Hobby nachzugehen? Wo und wann könnte man Rebecca Gablé singen hören?

Gar nicht, und glauben Sie mir, Sie verpassen kein musikalisches Highlight ;-) Wir spielen immer noch hin und wieder zusammen, und mein Mann (Gitarrist) und ich machen zu Hause im Probekeller regelmäßig Krach, aber die Band tritt nur noch auf, wenn eins der Mitglieder eine große Party feiert oder ähnliches. Wir sind nicht so wahnsinnig gut, aber der Spaß, den wir haben, springt irgendwie immer auf die Partygäste über, sodass wir meist für mehr Stimmung als Wohlklang sorgen.


Vielen Dank für das Interview.

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