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Zögerlich streckt sie die Hand nach dem Tor aus. Ihr Herz hat angefangen, viel zu schnell zu pochen, und hämmert gegen ihren Brustkorb, als wäre es darin gefangen. Sie spürt Viola dicht bei sich, ihren Arm, der ihren eigenen streift, Violas flüsternden Mund an ihrem Ohr. Sie hat die Dringlichkeit in der Stimme ihrer Schwester nicht vergessen und hört sie nun auch in ihrem Flüstern. Geh hin. Violas Worte sind simpel, beharrlich. Geh hin. Isolte drückt das Tor auf, marschiert den Pfad hinauf und klopft.

Eine bewegende und fesselnde Reise zu den dunklen Geheimnissen einer Kindheit, die aus einem unzertrennlichen Ganzen zwei Schwestern machte, die einander wie Fremde erscheinen.

 

 

Zertrennlich 

Originaltitel: The Twins
Autorin: Saskia Sarginson
Übersetzer: Jessika Komina, Sandra Knuffinke
Verlag: script5
Erschienen: 21.07.2014
ISBN: 978-3-8390-0152-3
Seitenzahl: 416 Seiten

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Die Grundidee der Handlung

Isolte und Viola sind eineiige Zwillinge, die in ihrer Kindheit alles zusammen gemacht haben - bis zu jenem schicksalhaften Tag, der ihr Leben völlig aus dem Ruder laufen lassen hat. Seither haben sie sich immer weiter voneinander entfernt ... Diese Geschichte erzählt Saskia Sarginson in ihrem Debüt "Zertrennlich" in einem sehr eigenwilligen Stil, der höchste Konzentration erfordert und sicherlich nicht jedermanns Sache ist. Wer sich dennoch auf die Geschichte einlässt, wird bald von dem düsteren Sog ergriffen und folgt gebannt den Ereignissen.

 


Stil und Sprache
In ihrer Kindheit sind Viola und Isolte unzertrennlich und genießen ihr freies, wildes Leben Anfang der 70er Jahre in Suffolk. Ihre Nähe zueinander wird durch die Erzählweise verdeutlicht, denn meist ist von "wir" die Rede - bis sie sich immer mehr voneinander distanzieren und aus dem gemeinschaftlichen "wir" ein einsames "ich" wird. Dabei wechseln sich nicht nur die Perspektiven ab - Viola erzähl in der ersten, Isolte in der dritten Person -, sondern auch die zeitlichen Ebenen. Die Autorin springt zwischen Gegenwart (1987) und Vergangenheit hin und her, wobei die Erlebnisse in der Kindheit der Hauptfiguren nicht chronologisch und mal im Perfekt, mal im Präsens wiedergegeben werden, was höchste Konzentration auf Seiten des Lesers erfordert. Und selbst dann ist es nicht immer einfach, den Geschehnissen zu folgen.
Andererseits macht diese Erzählweise auch den Reiz der Geschichte aus, denn nach und nach setzen sich die Fragmente zum Leben der Zwillinge, vor allem zu ihrer Vergangenheit, zusammen. Zudem sorgen die verschiedenen Zeitebenen gerade zum Ende des Buches hin für spannungsgeladene Cliffhanger. Die Geschichte verdichtet sich immer mehr, die unzähligen losen Fäden verweben sich zu einem Gesamtbild und der Sog der Geschichte mit all ihren Bruchstücken und Geheimnissen wird immer stärker.

Saskia Sarginsons Sprache ist wunderschön: malerisch, bildreich, teilweise schon poetisch, aber stets durchzogen von einer lastenden Schwermut: "Unsere Namen hallten durch den Wald und stiegen zum Himmel auf. Wir härten, wie sie sich in den Zweigen verfingen und auf den erdigen Waldboden zurückplumpsten, steif und tot wie abgeschossene Vögel" (Seite 83). Zum Ende hin wird die Geschichte unheimlich emotional. Die kühle Distanz, die das Buch bisher ausgezeichnet hat, tritt in den Hintergrund. Die Melancholie bleibt dennoch spürbar und das offene Ende passt perfekt - denn das Leben der Zwillinge fängt jetzt erst richtig an!


Figuren
Im Mittelpunkt stehen die Zwillinge Isolte und Viola, aus deren Sicht das Buch erzählt wird. Während Isolte in der Gegenwart offensichtlich ein normales, geordnetes Leben führt, hungert sich ihre Schwester beinahe zu Tode und verbringt viel Zeit in Krankenhäusern. "Viola verschwindet, jeden Tag ein Stückchen mehr. Ihr Ziel ist es, sich komplett aufzulösen" (Seite 44). Sie haben sich nach einem schrecklichen Vorfall vor 15 Jahren in gänzlich unterschiedliche Richtungen entwickelt, und es ist spannend zu verfolgen, wie es soweit kommen konnte.

John und Michael waren ihr Dreh- und Angelpunkt während ihrer Zeit in Suffolk. Jede freie Minute haben sie mit den Jungs verbracht, die ebenfalls Zwillinge sind. Diese hatten keine allzu glückliche Kindheit, denn ihr alkoholabhängiger Vater hat seinen Frust nicht selten an seinen Söhnen ausgelassen. Doch gemeinsam mit Viola und Isolte haben sie eine schöne Zeit verlebt.


Aufmachung des Buches
Das weiß eingebundene Buch ist mit einem interessant bedruckten Schutzumschlag versehen, der zwei Mädchen am Strand darstellt. Das Bild wirkt alt und passt damit gut zum Inhalt. Auf ein Lesebändchen wurde bei der hochwertigen Aufmachung verzichtet.


Fazit
"Zertrennlich" ist kein Buch, das man mal eben so liest. Es fordert Konzentration und klingt auch nach dem letzten Wort noch eine Weile in den Gedanken des Lesers nach. Die Geschichte selbst ist packend und begeistert, die Erzählweise versetzt dem Ganzen jedoch gerade zu Beginn einen Dämpfer.


3 5 Sterne


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