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Auf der Flucht vor der Vergangenheit strandet der Engländer Sean auf einem einsamen Hof in Südfrankreich. Es ist brütend heiß, die Schweine wühlen im Dreck. Nur widerwillig duldet man den Fremden, denn die Bewohner des alten Gemäuers haben etwas zu verbergen – etwas, das man besser für immer ruhen lässt.

 

Der Hof 

Originaltitel: Stone Bruises
Autor: Simon Beckett
Übersetzer: Juliane Pahnke
Verlag: Wunderlich
Erschienen: 02/2014
ISBN: 978-3805250689
Seitenzahl: 464 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Sean ist in Südfrankreich unterwegs, auf der Flucht. Als ihm das Benzin des gestohlenen Autos ausgeht, versucht er sich zu Fuß weiter durchzuschlagen, ohne zu wissen, wo genau er eigentlich ist. Als er in einem einsamen Waldgebiet in eine Tierfalle tritt und sich nicht selbst befreien kann, hat er schon mit seinem Leben abgeschlossen. Aber die Bewohner des abgelegenen Hofes finden ihn und nehmen ihn mit. Schwer verletzt wie er ist, darf Sean zunächst bleiben und findet sich in einer seltsamen, unterschwellig bedrohlichen Umgebung wieder. Widerwillig bleibt er dort, ist auf eine seltsame Art fasziniert von den Bewohnern des Hofes: Der alte Arnaud züchtet Schweine und lebt mit zwei Töchtern und einem Baby völlig abgeschieden von der Welt. Und irgendwas stimmt nicht, da ist sich Sean sicher. Doch das Geheimnis des Hofes zu ergründen, kann sehr gefährlich sein …

Simon Beckett hat es gewagt, außerhalb seiner David-Hunter-Serie etwas völlig anderes zu schreiben, einen Thriller zwar, aber irgendwie doch nicht. Oder? Hier möge jeder selbst ergründen, was diese Geschichte genau ist.


Stil und Sprache
Sean erzählt die Geschichte in der Ich-Form und in der Gegenwart, und so erfährt der Leser auch erst spät seinen Namen. Gleichzeitig hat man auch nur eine, nämlich Seans Perspektive, was gerade zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist, weil Sean nur sehr begrenzt mit anderen Menschen interagiert. Auch im Verlauf der Handlung bleibt er sehr auf sich selbst bezogen, was erstaunlicherweise aber niemals langweilig wird. Vielmehr ist diese erzwungene Einsamkeit wesentlicher Bestandteil der Atmosphäre dieses außergewöhnlichen Buches. Die sengende Sonne auf dem einsamen Gehöft, die flirrende Luft und die Weite des riesigen Anwesens sind spürbar und vermitteln eine derart bedrohliche Erwartung, dass man als Leser sofort bereit ist, mit Sean zu glauben, dass hier etwas Furchtbares passiert sein muss.

Was das genau ist, dazu hat man im Laufe der Geschichte verschiedene Ideen, die sich aber zumindest für mich nur als teilweise richtig herausstellten. Simon Beckett versteht es sehr geschickt, hier immer wieder Anhaltspunkte zu liefern, ohne letztendlich konkret in eine Richtung zu weisen. Sein Stil mit kurzen Sätzen und ohne große Schnörkel, dafür mit scheinbar nebensächlichen Details, die aber wichtig sind für den atmosphärischen Aufbau, ist dabei absolut passend und lässt Raum für eigene Überlegungen und Mutmaßungen.

Ein weiteres Geheimnis, das erst im Laufe der Handlung aufgeklärt wird, ist der Grund für Seans Flucht aus London. Dieser Handlungsstrang wird in unregelmäßigen Abständen in eigenen Kapiteln erzählt und auch hier nimmt sich Simon Beckett viel – manchmal zu viel – Zeit, ihn zu entwickeln. Am Ende geht dann alles ganz schnell und auf wenigen Seiten löst sich alles mehr oder weniger überraschend auf; hier hingegen hätte sich der Autor ruhig etwas mehr Zeit lassen können. Aber auch mit diesen kleinen Schönheitsfehlern hat man mit Der Hof – wenn man mag – eine wunderbar atmosphärische, sehr dichte Geschichte vorliegen, die durchaus den ein oder anderen Schauer erzeugen kann. Großartig!


Figuren
Es gibt nur wenige Figuren, die wirklich eine Rolle spielen, hier findet ja praktisch ein Kammerspiel statt, und umso mehr kann sich der Autor auf die wenigen Figuren konzentrieren. Das gelingt ihm auch hervorragend: Seans innere Zerrissenheit, der Wunsch, zu fliehen und dann doch zu bleiben, seine Angst davor, etwas zu entdecken, das er eigentlich gar nicht wissen will, das ist schon sehr eindringlich geschildert und mehr als glaubwürdig. Erzählperspektivisch bedingt kreist er sehr um sich selbst, schildert aber auch intensiv seine Eindrücke der anderen Menschen auf dem Hof.

Da ist zum einen Mathilde, die ältere Tochter, sehr zurückhaltend und spröde, aber eine hingebungsvolle Pflegerin, die Sean durchaus zu mögen scheint. Dann Gretchen, die jüngere Tochter Arnauds, die vollkommen unberechenbar mal verführerisch und aufreizend auftritt, dann wieder abweisend und aggressiv. Und zu guter Letzt der Patriarch, der alte Arnaud, ein bärbeißiger, scheinbar verbitterter Mann, der nichts lieber zu wollen scheint, als dass Sean von seinem Hof verschwindet, ihn aber dann doch bleiben lässt. Sie alle drei haben ihre Beweggründe, die allerdings erst ganz zum Schluss offenbar werden. Bis dahin wird man aus ihnen nicht schlau, was aber gewollt und für die Wirkung der Geschichte unabdingbar ist.

Ein paar Nebenfiguren gibt es auch, diese beschränken sich aber auf den Londoner Handlungsstrang sowie auf einige Nachbarn aus dem Dorf, die bestenfalls Kurzauftritte haben und für den Kern der Geschichte keine Bedeutung haben. Entsprechend knapp sind sie ausgeführt, was aber gut ins Setting hineinpasst.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch ist Beckett-typisch aufgemacht und irgendwie auch wieder nicht. Auf dem Schutzumschlag gibt es nur die Farben schwarz und weiß, dabei ist der Autorenname relativ klein in die Mitte gesetzt, während sich der Titel über die komplette Vorder- und Rückseite des Buches zieht und ein bisschen an einen Kartoffeldruck erinnert. Der Rückentext ist quer gedruckt und wird auf der Innenklappe – ebenfalls quer – noch etwas ausführlicher wiedergegeben. Ein Lesebändchen vervollständigt die extravagante Aufmachung. Innen gibt es 19 nummerierte Kapitel und einen ausführlichen Epilog, der einige Zeit später spielt.


Fazit
Der Hof polarisiert: Wer einen Forensik-Thriller in der Tradition des David Hunter erwartet, wird enttäuscht sein von der vermeintlichen Handlungsarmut dieser Geschichte. Wer sich auf etwas völlig anderes einlassen kann, wird einen auf seine Art spannenden Roman finden, der sich auf jeden Fall zu lesen lohnt.


4 5 Sterne


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